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WEF-Chefsuche: EZB-Präsidentin muss mit einigen Fragen rechnen

Christine Lagarde gilt als Kandidatin für die Nachfolge von Klaus Schwab als Chefin des Weltwirtschaftsforums (WEF). Bei der EZB-Pressekonferenz muss sich die amtierende EZB-Präsidentin wohl einigen Fragen stellen, wie es um ihre Zukunft bestellt ist.

Christine Lagarde, EZB
Christine Lagarde, EZB© Petar Santini / Bloomberg

Die Europäische Zentralbank steht kurz davor, ihre Aufgabe der Inflationsbekämpfung - vorerst - als erledigt betrachten zu können. Das ist jedoch nicht der Hauptgrund, warum sich Notenbank-Chefin Christine Lagarde auf Fragen zu ihrer Zukunft in der Frankfurter Institution einstellen muss, die ihr am am Donnerstag unweigerlich gestellt werden dürften. Das ist einem Bloomberg-Bericht zu entnehmen.

Die Französin wird vom Weltwirtschaftsforum (WEF) bereits seit Längerem für den Spitzenposten des Schweizer Eliten-Clubs hofiert. Das plötzliche Ausscheiden des WEF-Gründers Klaus Schwab hat jüngst Spekulationen befeuert, dass Lagarde seine Nachfolge antreten könnte – obwohl ihre Amtszeit bei der EZB offiziell noch zweieinhalb Jahre andauert.

Fragen nicht nur zur Zinspolitik
Bei der Pressekonferenz zur EZB-Zinsentscheidung am Donnerstag wird Lagarde die jüngsten geldpolitischen Entscheidungen vorstellen - und es ist nicht ungewöhnlich, dass man in ihrer Position von Reportern auch auf derartige Spekulationen angesprochen wird.

Das war laut Bloomberg auch bei ihrem Vorgänger Mario Draghi der Fall, als Spekulationen über einen möglichen Posten als italienischer Ministerpräsident aufkamen. Dennoch würden solche Fragen deutlich machen, wie sehr sich Lagarde derzeit an einem Scheideweg befindet.

Inflationsziel erreicht
Neben der weithin erwarteten achten Zinssenkung wird die EZB-Präsidentin neue Prognosen zur Entwicklung der Verbraucherpreise auf europäischer Ebene bekanntgeben. Diese dürften mittelfristig das angestrebte Ziel von zwei Prozent erreichen, nachdem die Inflation im Mai auf 1,9 Prozent gesunken ist. Damit lag sie zum ersten Mal seit acht Monaten unter dem Zielwert.

Übergabe eines geordneten Hauses
Diese Erfolgsmeldung könnte dem WEF in die Hände spielen. Wie die Financial Times letzte Woche berichtete, ist die Rückkehr zur Preisstabilität in der Eurozone eines der Kriterien, die Lagarde erfüllen möchte, bevor sie den Posten in Genf annimmt. In demselben Artikel wurde Schwab mit den Worten zitiert, Lagarde habe Anfang April über eine Verkürzung ihrer Amtszeit gesprochen, um seine Nachfolge als Vorsitzende anzutreten.

Kein Dementi...
Zuvor hatte Bloomberg unter Berufung auf informierte Kreise berichtet, dass das WEF interne Gespräche über eine mögliche Ernennung Lagardes zur Vorsitzenden geführt habe.

Abgesehen von der Erklärung, dass Lagarde entschlossen sei, ihre Amtszeit zu Ende zu führen, hat die EZB die Gerüchte über Gespräche zwischen Schwab und ihr nicht direkt dementiert. Das lässt vermuten, dass sie zumindest über einen vorzeitigen Rücktritt nachgedacht haben könnte.

Auf Anfrage von Bloomberg bekräftigte ein EZB-Sprecher, dass Präsidentin Lagarde sich “stets voll und ganz für die Erfüllung ihrer Aufgabe eingesetzt” habe und entschlossen sei, ihre Amtszeit zu Ende zu bringen.

Sollte die Präsidentin bald abtreten wollen, wäre der jetzige Zeitpunkt passend, da sie dann behaupten könnte, ihre zentrale Aufgabe erfüllt zu haben.

Weichenstellung voraus?
Eine in den kommenden Wochen anstehende Strategieüberprüfung würde ihr die Möglichkeit geben, die Weichen für einen Nachfolger zu stellen. Die Wahl eines neuen EZB-Chefs würde zudem zu einem Zeitpunkt stattfinden, an dem die politische Lage in den wichtigsten Euroländern trotz des Zusammenbruchs der niederländischen Koalition in dieser Woche relativ stabil ist. Im Gegensatz dazu könnte das französische Rassemblement National bei den Präsidentschaftswahlen 2027 - wenn Lagardes letztes Amtsjahr zu Ende geht - die Macht übernehmen.

Würde sie Ende 2025 ausscheiden, käme dies kurz vor ihrem 70. Geburtstag am 1. Januar.

“Es war ein erfolgreiches Jahr für die Geldpolitik von EZB-Präsidentin Christine Lagarde und ihre Kollegen”, sagte Joe Nellis, Wirtschaftsberater bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft MHA und Professor an der britischen Cranfield University, in einem Bericht. “Sie haben die Grundlagen für wirtschaftliches Wachstum geschaffen, das Inflationsproblem gelöst und scheinen die Wirtschaft wieder in normale Bahnen gelenkt zu haben – zumindest vorerst.”

Lagarde ist schon einmal vorzeitig zurückgetreten: Im Jahr 2019 gab sie ihren Posten als geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) auf, um ihre Position in Frankfurt anzutreten. Zuvor hatte sie in einem Interview mit der FT im Jahr 2018 jegliches Interesse an dem Posten bei der EZB dementiert.

Politik der ruhigen Hand notwendig
Es gibt jedoch auch Gründe dafür, dass sie für den Rest ihrer Amtszeit im Amt bleibt: Die Eurozone braucht eine möglichst ruhige Hand in der Geldpolitikgestaltung, um die globalen Turbulenzen zu bewältigen, die durch die “Stop-and-Go”-Zölle und Handelsunsicherheit von US-Präsident Donald Trump ausgelöst wurden.

Es stellt sich auch die Frage, warum sie den wohl zweitwichtigsten Posten im globalen Zentralbankwesen - nach dem Vorsitz der Federal Reserve - aufgeben wollen sollte.

Logische Nachfolgerin
Lagarde ist seit 2019 Mitglied des Kuratoriums des WEF, was sie offiziell zur Nachfolgerin von Schwab qualifiziert, der seit mehr als einem halben Jahrhundert die führende Kraft in der Organisation war. Er trat am 21. April von allen seinen Ämtern zurück, nachdem ihm finanzielles Fehlverhalten vorgeworfen worden war - was er jedoch bestreitet.

Auch wenn ihr Name jedes Mal ins Spiel gebracht wird, wenn in Frankreich ein Spitzenposten zu besetzen ist, gab es bisher keinen Grund, daran zu zweifeln, dass die EZB-Präsidentin ihre Amtszeit beenden würde. Doch selbst wenn sie am Donnerstag versucht, solche Spekulationen zu zerstreuen, werden die Fragen solange im Raum stehen, bis ein neuer WEF-Chef gefunden ist. (aa)

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