Mehr fertige Offshore-Windturbinen ohne Stromanschluss als mit
Der Ausbau von Windkraftwerken am offenen Meer wird nicht nur durch fehlende oder zu spät erteilte Zulassungen seitens der Behörden behindert, sondern auch durch einen relativ neu entdeckten Effekt.
Der Ausbau der Offshore-Windenergie in Deutschland droht ins Stocken zu geraten, weil sich die Probleme bei der Netzanbindung häufen und die zuständige Behörde die Flächenzuweisungen zuletzt deutlich reduziert hat. Das ist einem Bloomberg-Bericht zu entnehmen.
In Deutschland ist nicht nur die Bahn oftmals zu spät dran...
Während im vergangenen Jahr in Nord- und Ostsee 73 Windturbinen mit einer Leistung von 743 Megawatt erstmals in Betrieb gingen, konnten 81 fertige Anlagen noch keinen Strom ins Netz einspeisen, wie laut Bloomberg aus neuen Branchenzahlen hervorgeht.
Bereits vor einem Jahr war bekannt geworden, dass es bei mehreren Offshore-Netzanbindungen in der deutschen Nordsee zu Verzögerungen von bis zu zwei Jahren kommen wird.
Die Industrieverbände rechnen daher damit, dass das Ausbauziel in Höhe von 30 Gigawatt für 2030 erst ein Jahr später erreicht wird.
Abschattungseffekte reduzieren Stromproduktion
Verschärfend kommt hinzu, dass auf den künftigen Flächen deutlich weniger Windturbinen entstehen dürften: Laut dem Flächenentwicklungsplan, den das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in der vergangenen Woche veröffentlicht hat, sind bis 2034 nur noch zusätzliche Windenergie-Flächen mit einer Gesamtleistung von 40 Gigawatt vorgesehen. Im Entwurf des Plans, der im Juni veröffentlicht wurde, hatte das Ziel bei bis zu 50 Gigawatt bis 2035 gelegen.
Die Hamburger Behörde reagiert damit auf Warnungen, dass zu dicht beieinander errichtete Windparks sich gegenseitig beeinflussen können: Die sogenannten Abschattungseffekte führen zu einem Rückgang der Stromerzeugung und somit einer geringeren Windernte. Ein Sprecher des BSH erklärte, für die Planung habe man “die Abschattungseffekte verschiedener Szenarien berechnen lassen.”
Bei zwei Flächen in der Nordsee haben die Planer die zu installierende Leistung sogar um jeweils 50 Prozent reduziert. Darüber hinaus hat die Behörde nach eigenen Angaben weitere für Windenergie nutzbare Flächen in Dänemark und den Niederlanden identifiziert, wo sich künftige Projekte negativ auf die zu erwartenden Energieerträge in den angrenzenden deutschen Gebieten auswirken könnten.
Die Offshore-Branche klagt schon länger über die Abschattungseffekte. Auch die niederländische Behörde untersucht derzeit das Phänomen - das nach eigenen Angaben noch “relativ neu” und daher “erst seit kurzem wirksam” sei - und wird voraussichtlich Mitte März Ergebnisse veröffentlichen.
Der Bundesverband Windenergie Offshore begrüßte die Bemühungen der Schifffahrtsbehörde, das Problem anzugehen, kritisierte jedoch die insgesamt geschmälerte Ausbauleistung. Dies erschwere den Hochlauf der Lieferkette und Investitionsentscheidungen. Zudem sei ein Tag vor dem Start der diesjährigen Auktion die zu installierende Leistung der auszuschreibenden Flächen um ein Gigawatt gekürzt worden.
Laut des Offshore-Windparkbetreibers EnBW Energie Baden-Württemberg sei es erforderlich, “an ambitionierten Zielen festzuhalten, um eine Planungssicherheit für den Ausbaupfad zu gewährleisten.” (aa)