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| Theorie

Warum ESG-Ratings nicht unbedingt den Impact der Firmen messen

ESG-Ratings sind heute das zentrale Orientierungswerkzeug bei nachhaltigen Investments. Eine Vielzahl an Unternehmen hat ESG längst als Teil ihrer Unternehmensstrategie etabliert. Insbesondere für Investoren sind ESG-Bewertungen aber dennoch weiterhin undurchsichtig und nicht nachvollziehbar.

Tillmann Lang, Mitgründer und CEO von Inyova Impact Investing
Tillmann Lang, Mitgründer und CEO von Inyova Impact Investing

© Inyova Impact Investing

Was bringen ESG-Ratings also eigentlich für wen beziehungsweise welchen messbaren Einfluss haben sie? "Sustainable-Finance-Forscher sind sich einig, dass bisher die Messung, ob nachhaltige Anlagen auch einen Impact haben, empirisch nur schwer gelingt", sagt Tillmann Lang, Mitgründer und CEO von Inyova Impact Investing, in seinem Gastbeitrag.

Nur bescheidener Impact von ESG-Ratings nachweisbar
Bislang konnten nahezu keine Effekte gemessen werden, die zeigen, dass Investitionen, die lediglich ESG-Filter anwenden, im realen Leben wirklich etwas bewirken, so Lang weiter. Eine Studie habe dargelegt, dass ESG-Ratings, bzw. wenn sich diese änderten, zwar den Aktienkurs der betroffenen Unternehmen beeinflussen könnten. Dies allerdings erfolge nur sehr langfristig.

Asymmetrische Reaktion auf ESG-Rating-Veränderungen
Die Studie “The Economic Impact of ESG Ratings” von Florian Berg, Florian Heeb und Julian Kölbel von der MIT Sloan School of Management und der Universität St. Gallen zeigt: Eine sehr wesentliche Verschlechterung im ESG-Rating scheint mit einer Senkung des Aktienkurses einherzugehen. Eine starke Verbesserung des Ratings bringt positive Effekte, allerdings in geringerem Ausmaß. Bis dieser Effekt zu Tage tritt, dauert es aber sehr lange. Von Rating-Veränderung zu Aktienpreisanpassung sind es oft ein bsi zwei Jahre. Das ist bemerkenswert, denn die Veränderung eines “Credit Ratings” wird quasi über Nacht eingepreist. Das könnte heißen, dass Fonds ESG vor allem nutzen, um den ESG-Appetit ihrer Investoren zu bedienen, und nicht, um Risiken einzupreisen.

Aus Sicht der Forschung verbessern reine ESG-Investments die Welt nicht
Sie verschlechtern sie auch nicht, so Lang. Die Forscher können in all ihren Studien einfach keine Wirkung in der Art und Weise, wie Firmen wirtschaften, wahrnehmen. Die untersuchten Firmen haben zum Beispiel nicht ihre Environmental und Social Policies geändert, wenn ihr Rating schlechter wurde. Auch das Investitionsverhalten der Firmen hat sich nicht messbar geändert. Lediglich bei Governance scheint es gelegentlich Anpassungen nach Rating-Verschlechterungen zu geben, vermutlich da dies oft am einfachsten zu verändern ist.

MSCI-Bewertungen sind aussagelos hinsichtlich Auswirkungen auf die Umwelt
Für US-Unternehmen ist das Rating von MSCI, wie in der neuesten Version des Berichts "The Economic Impact of ESG Ratings" veröffentlicht, das Maß aller Dinge. Im Dezember 2021 berichtete Bloomberg in einem Artikel über die ESG-Ratingproblematik, dass es trotz des ESG-Booms immer noch keine nachvollziehbaren und vernünftigen Bewertungsmethoden gäbe. In dem Artikel mit dem Titel "The ESG Mirage" (Die ESG-Täuschung) zeigte Bloomberg die problematischen Bewertungsmethoden von MSCI auf. Das Verständnis von MSCI hinsichtlich ESG ist wichtig, wenn man über ESG nachdenkt, da fast 90 Prozent der Aktien im S&P 500 in ESG-Fonds gelandet sind, die mit MSCI-Ratings aufgebaut wurden.

MSCU fokussiert sich auf potenziellen Auswirkungen für Unternehmen und Aktionäre
Angesichts ihres enormen Einflusses ist es höchst bedenklich, dass MSCI nicht die Auswirkungen eines Unternehmens auf die Welt misst, sondern vielmehr "die potenziellen Auswirkungen der Welt auf das Unternehmen und seine Aktionäre", wie es in dem Artikel heißt. Die Bewertungen von MSCI sagen nichts darüber aus, ob ein Unternehmen die Welt besser oder schlechter macht.

Kuriositäten
Bei MSCI würden Unternehmen mit einem enorm steigenden CO2-Fußabdruck als "nachhaltig" eingestuft und erhielten eine ökologische Aufwertung, wenn davon ausgegangen werde, dass Umweltfaktoren kein Risiko für ihre Gewinne darstellten, so Lang weiter. McDonald's beispielsweise habe 2019 mehr Treibhausgasemissionen verursacht als Portugal oder Ungarn und seine Emissionen innerhalb von vier Jahren um sieben Prozent erhöht. Dennoch erhielt das Unternehmen ein höheres ESG-Rating. Nach Ansicht von MSCI hat sich die ESG-Leistung von McDonald's verbessert, während es seine Treibhausgasemissionen erhöht hat. Und warum? Weil MSCI feststellte, dass der Klimawandel weder ein Risiko darstellt noch "Chancen" für das Unternehmensergebnis bietet.

MSCI-ESG-Ratingverbesserungen ohne Offenlegung von Treibhausgasemissionen
Fast die Hälfte der 155 Unternehmen, die von MSCI zwischen Juni 2020 und Juni 2021 ein besseres ESG-Rating erhielten, haben ihre Treibhausgasemissionen nie vollständig offengelegt. Nur ein Unternehmen meldete eine tatsächliche Verringerung der Emissionen. Während die meisten Unternehmen hauptsächlich aufgrund ihrer Unternehmensführung aufgewertet wurden, erhielten 26 Prozent eine Aufwertung im Umweltbereich. Man sollte meinen, dass ein Unternehmen für eine bessere ESG-Bewertung große Anstrengungen unternommen hätten müssen. Bei MSCIs ESG-Ansatz sei das aber nicht der Fall, betont Lang.

Folgen für Investoren
Investoren, die nachhaltig investieren wollten, sollten sich zunächst generell bei Investmentenscheidungen darüber informieren, woher die ESG-Analysen kommen respektive auf welcher Basis und Methodik sie durchgeführt wprden. Wenn es MSCI-Daten seien, dann sei beim Aspekt Nachhaltigkeit Vorsicht geboten. Denn hier lasse sich nicht ausschließen, dass diese Finanzprodukte in Unternehmen finanzieren, die möglicherweise gegen die Menschenrechte verstießen, zur Wasserverschmutzung, zur Klimakrise oder zu anderen unethischen Handlungen beitrügen. In der Zwischenzeit mache MSCI einen riesigen Gewinn. Wie Bloomberg berichtet, seien "60 % aller Gelder, die Privatanleger weltweit in nachhaltige oder ESG-Fonds gesteckt haben, in Fonds geflossen, die auf MSCI-Ratings basieren. Die Schweizer Investmentbank UBS hat herausgefunden, dass MSCI fast 40 Cent von jedem Dollar verdient, den die Investmentbranche für solche Daten ausgibt – weit mehr als jeder andere Konkurrent."

ESG als Placebo?
Angesichts der enormen Geldsummen, die mit dem Begriff "ESG" in Verbindung gebracht würden, liege die Vermutung nahe, dass diese Gelder einen echten Beitrag zur Lösung der globalen Probleme leisteten. Hingegen wirke ESG wie ein Placebo, das es Unternehmen ermögliche, unter dem Deckmantel, Maßnahmen zur Verbesserung ergriffen zu haben, weiterhin Gewinne zu machen. Langs Credo: "ESG sollte keine weitere Profitmaschine sein, sondern eine Möglichkeit für die heutigen und zukünftigen Generationen, sicherzustellen, dass Unternehmen helfen und nicht schaden." (kb)

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