Vola auf niedrigstem Niveau seit 2021: Was heißt das für Aktien?
Die implizite Volatilität, gemessen am Chicago Board Options Exchange (CBOE) Volatilitätsindex (VIX), schloss kürzlich bei 16,46 und damit auf dem niedrigsten Stand seit Mitte November 2021. Was das für die Aktienkurschancen bedeutet, analysiert George Smith, Portfoliostratege bei LPL Research.

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George Smith, Portfoliostratege bei LPL Research, befasst sich mit möglichen Erklärungen für den Rückgang des Volatilitätsindex VIX und den Auswirkungen auf die kurzfristigen Aktienmarktrenditen.
Über die Natur des VIX
Der VIX bietet ja bekanntlich eine Echtzeit-Aktualisierung der Volatilitätserwartungen für den S&P 500 in den nächsten 30 Tagen. Der VIX stellt die implizite Volatilität dar, die sich aus den Gesamtwerten eines gewichteten Korbs von S&P 500-Put- und Call-Optionen über eine Bandbreite von Strike-Preisen ergibt. Er wird oft als "Angstbarometer" bezeichnet, da ein steigender VIX im Allgemeinen mit einer erhöhten Angst auf dem Markt und fallenden Aktienkursen in Verbindung gebracht wird, während ein fallender VIX mit einer geringeren Angst der Anleger und steigenden Aktienkursen verbunden ist. Neben der spekulativen Positionierung wird der VIX in der Regel zur Absicherung von Long-Positionen verwendet.
Der neue Mehrjahrestiefstand des VIX mag überraschen
Dies deshalb, da sich viele angesichts der jüngsten Bankenzusammenbrüche, der Ungewissheit über die Entwicklung der Zinssätze, der zunehmenden Rezessionssorgen, der immer noch anhaltenden Inflation und der sich abzeichnenden Probleme in Zusammenhang mit der US-Schuldenobergrenze Sorgen um die Wirtschaft machen. Wie in der nachstehenden Grafik zu sehen ist, hat der VIX seit seinem Schlussstand von 36,45 im März 2022 immer niedrigere Höchststände erreicht. Während des gesamten Bärenmarktes war der VIX im Vergleich zur Geschichte eigentlich recht gedämpft. Normalerweise steigt er in Zeiten größerer Marktanspannungen auf mindestens 40 an. Sowohl der gleitende Ein-Monats- als auch der gleitende Zwölf-Monats-Durchschnitt befinden sich jetzt in einem Abwärtstrend, wobei der nächste technische Widerstand bei 15 liegt, einem Unterstützungsniveau, das seit den ersten Tagen des COVID-19-Ausbruchs gehalten hat.
Warum tendiert der VIX nach unten?
"Es gibt eine Reihe möglicher struktureller Gründe dafür, dass der VIX in einem derart unsicheren Wirtschafts- und Marktumfeld Mehrjahrestiefs erreicht hat", findet George Smith. "Einer davon könnte die zunehmende Beliebtheit von Optionskontrakten mit einer Restlaufzeit von null Tagen sein, die von vielen Anlegern als "0DTE" bezeichnet werden."
Ist es der Hype um die 0DTEs?
Wie der Name 0DTE schon sagt, handelt es sich dabei um Call- oder Put-Optionen mit weniger als einem Tag bis zum Verfall. Für den S&P 500 hat die CBOE vor kurzem wöchentliche Verfallstermine am Dienstag und Donnerstag zu den bereits gelisteten Montag-, Mittwoch- und Freitagskontrakten hinzugefügt, so dass Anleger täglich mit 0DTE-Kontrakten auf den Index handeln können, was eine saubere Möglichkeit für Marktteilnehmer darstellt, das tägliche Ereignisrisiko abzusichern, ohne VIX-Optionen zu kaufen. Das Volumen ist seit April und Mai letzten Jahres, als die neuen Kontrakte hinzukamen, stetig gestiegen.
Oder ist sind es gar die hohe Geldmarktbestände?
Ein weiterer Grund für den relativ verhaltenen Anstieg des VIX könnte einfach darin liegen, dass es weniger Positionen zur Absicherung gebe, so George Smith weiter. Da die Kurzfristzinsen im letzten Jahr stark angestiegen seien und die wirtschaftliche Unsicherheit groß sei, hätten Geldmarktfonds Rekordzuflüsse verzeichnet. Nach Angaben des Investment Company Institute (ICI) beläuft sich das Vermögen der Geldmarktfonds inzwischen auf über fünf Billionen Dollar und hat damit die Spitzenwerte der Pandemiezeit übertroffen.
Was könnten neue Tiefststände des VIX für künftige Aktienrenditen bedeuten?
Wie viele andere von LPL beobachtete Indikatoren für die Marktstimmung haben extreme relative Volatilitätsniveaus in der Vergangenheit das Potential, bei der Vorhersage von Aktienkursen auf kurze Sicht konträre Signale zu liefern. So führen extreme Höchststände des VIX in der Regel zu überdurchschnittlichen künftigen Renditen für Aktien, und wie die nachstehende Tabelle zeigt, haben neue Ein-Jahres-Tiefststände des VIX in der Regel einen gegenteiligen Effekt, nämlich unterdurchschnittliche Renditen.
VIX-Stände auf Ein-Jahres-Tiefs geben ein leicht bearishes Aktiensignal
Auf der Grundlage von 40 neuen Jahrestiefstständen des VIX (die mindestens 90 Tage nach dem vorangegangenen Tiefststand auftraten) waren die Drei- bis Zwölf-Monats-Renditen für den S&P 500 Index allesamt unterdurchschnittlich, und jeder untersuchte Zeitraum, einschließlich der Einmonatsrenditen, wies einen deutlich geringeren Prozentsatz positiver Renditen als der Durchschnitt auf. Das illustriert die folgende Grafik. Smith dazu: "Mögliche Gründe hierfür sind, dass die Märkte nach dem Erreichen neuer Jahrestiefststände des VIX eine Verschnaufpause einlegen oder ihnen die Puste ausgeht - in Folge der schnelleren/ höheren Aktienmarktanstiege, die in der Regel auf extreme Höchststände des VIX folgen, die um die Markttiefs herum auftreten".
Was wäre ein positiveres Zeichen für die kurzfristigen Aktienmarktrenditen?
Ein solches wäre dann gegeben, wenn der VIX weiterhin stark sinken würde. Smith: "Betrachtet man die Zeiträume, in denen der VIX so niedrig war wie jetzt - definiert als gleitender Ein-Monats-Durchschnitt unter 20 - und mindestens 20 Prozent unter dem Ein-Monats-Durchschnitt schloss, verzeichnete der S&P 500 Index über alle untersuchten Zeiträume hinweg überdurchschnittliche Renditen und prozentual positive Renditen."
Der letzte VIX-Schluss lag etwa 15 Prozent unter dem gleitenden Ein-Monats-Durchschnitt, sodass man dieses Niveau noch nicht erreicht hat. Angesichts der geringen Stichprobengröße und der Konzentration der Ereignisse auf den Zeitraum 2013 bis 2019 in der Mitte des letzten Bullenmarktes ist allerdings Vorsicht geboten.
Implikationen für die taktische Asset Allocation
Die VIX-Daten legen zwar kurzfristig eine vorsichtige Haltung nahe, aber im Allgemeinen sind Zeiten sinkender Volatilität mit steigenden Aktienmärkten verbunden gewesen. LPL hält weiterhin an einer leichten Übergewichtung von Aktien fest, die aus Barmitteln finanziert werden, wo die Renditeprofile kurzfristiger Produkte attraktiv sind, das Wiederanlagerisiko jedoch gestiegen ist, da Aktien von der sinkenden Inflation und einem baldigen Ende der Zinserhöhungen der Federal Reserve profitieren könnten. Das Haus empfiehlt eine neutrale Allokation in festverzinslichen Wertpapieren, da die Bewertungen angesichts der höheren Zinsen im Vergleich zu Aktien attraktiver geworden sind. (kb)