Union Investment: Nachhaltigkeit ist kein Gutmenschentum
Janne Werning, Leiter ESG Capital Markets & Stewardship bei Union Investment, gewährte vor professionellen Marktteilnehmern einen Einblick in die hauseigene Herangehensweise bei der Integration von Klimarisiken im Investment- und Engagement-Prozess und berichtete von den erreichten Fortschritten.
„Nachhaltigkeit ist Risikomanagement, nicht Gutmenschentum. Jeder Asset Manager sollte aus diesem Grund Klimarisiken in den Investmentprozess integrieren“, erklärte Janne Werning, Leiter ESG Capital Markets & Stewardship bei Union Investment anlässlich des diesjährigen Nachhaltigkeitsforums in Wien am Beginn seines Vortrages, in dem er über die Integration von Klimarisiken im Investment- und Engagement-Prozess sprach.
Werning machte auf eine interessante Entwicklung in den letzten zwei bis drei Jahren aufmerksam: Laut dem jüngsten WEF Global Risk Report Ranking liegen – abgesehen von der Gefahr einer Auslöschung durch Massenvernichtungswaffen auf Platz eins – im Jahr 2019 vier Nachhaltigkeitsrisiken auf den Plätzen zwei bis fünf. Diese sind „gescheitere Anpassung an den Klimawandel“, „Extreme Wetterereignisse“, „Wasserkrisen“ und „Naturkatastrophen“. Zum Vergleich: Im Jahr 2010, kurz nach der Finanzkrise, lauteten die damaligen Sorgen noch „Kollaps von Vermögenspreisen“, „Beschneidung der Globalisierung in den entwickelten Ländern“, „Ölpreisanstieg“, „chronische Krankheiten“ und „Fiskalkrisen“.
Megaprojekt Klimaschutz
Um die ehrgeizigen Klimaziele der EU, die insbesondere eine Reduktion der Treibhausgase, über die nächsten Jahrzehnte zu erreichen, seien massive Anstrengungen unserer Gesellschaft erforderlich. Werning zog eine Parallele zum Apollo-Mondprojekt der USA in den 1960er Jahren, das dank eines nationalen Kraftaktes schlussendlich zur Mondlandung 1969 führte. Werning nannte ein paar Zahlen für die aktuelle Herausforderung: Die Gesamtkosten zur Erreichung des 2-Grad-Celsius-Zieles wurden Ende 2018 auf ca. 48 Billionen US-Dollar geschätzt. Das wäre zukünftig jedes Jahr ca. 1 Prozent des jährlichen, globalen BIPs und damit finanzierbar. Das schafft Opportunitäten. Laut Werning eröffnen die notwendigen Investitionen Anlegern auch Chancen. Um diese wahrzunehmen und auf die Gewinner, und nicht auf die Verlierer dieser Transformation zu setzen, analysiert Union Investment zusätzlich zur bewährten und klassischen Unternehmensbewertung auch die von den Firmen ausgehenden Klimarisiken.
Diese umfangreiche und arbeitsintensive Klimaanalyse beginnt schon „Pre-Trade“ mit der Evaluierung von „Klimakennzahlen“, spannt sich über die Analyse von „Extremwetterereignissen“ und geht weiter bis zum „Engagement“-Prozess seitens von Union Investment.
Klimakennzahlen genau im Blick
Werning zeigte anhand der Unternehmen Volkswagen AG, Siemens AG und Neste Oyj wie Union Investment Klimakennzahlen anhand von Kriterien wie „CO2-Intensität“, „Temperaturbeitrag“, „Veränderungsanspruch“, „Veränderungsbereitschaft“ und „Klima-Governance“ erstellt. Zu VW und zum Kriterium „Temperaturbeitrag“ sagte Werning: „Wenn jedes Unternehmen wie VW agieren würde, wären wir in einer 6-Grad wärmeren Welt.“ (siehe Grafik oben in der Bildergalerie). Als positiv erachtete Werning bei VW aber die relativ gute Klimawandel-Governance mit immerhin 90 Punkten. Bei VW könnte daher ein Wechsel der Klimastrategie bevorstehen. Aus diesem Grund sei das Unternehmen für Union Investment ein geeigneter Engagement-Kandidat.
Positiv äußerte sich Werning auch zu Siemens. Einerseits arbeite das Unternehmen mit einer relativ geringen C02-Emissionsintensitität, andererseits kann der Münchener Konzern eine beeindruckende Erfolgsbilanz bei der Reduzierung seiner CO2-Emissionen vorweisen. „Siemens hat sich aus Klimasicht sehr positiv entwickelt“, erklärte Werning, mit Verweis auf jene Grafik, die Sie oben in der Bildergalerie finden. „Das soll einen Eindruck geben, wie wir arbeiten. Das ist sehr arbeitsintensiv und wir benötigen viele Daten“, betonte Werning.
Nach einem kurzen Überblick darüber, wie vom Klimawandel ausgelöste Extremwetterereignisse die Anlagestrategie beeinflussen können und der Warnung, dass Anleger keine Risikoprämien erhielten, wenn diese in Unternehmen mit Klimarisiken investieren, sprach Werning über den Engagement-Prozess bei Union Investment. Darauf aufbauend konnte der Asset Manager, auch aufgrund seiner doch beachtlichen Größe beim verwalteten Vermögen, Verbesserungen bei einigen bekannten Unternehmen bewirken.
Engagement muss sein
Union Investment geht dabei den Weg, mit den Managern „steigerungsfähiger“ Unternehmen mehrfach zu sprechen und dabei Denkanstöße zu liefern und Veränderungen einzufordern. Erst wenn diese Bemühungen nicht fruchten sollten, wendet sich Union Investment an die Öffentlichkeit, um für mehr Klima-Bewusstsein zu sorgen. Vor allem die jährliche Hauptversammlung ist die bevorzugte „Arena“ respektive „Bühne“ der Union Investment-Experten, um als Großaktionäre öffentlichkeitswirksam Verbesserungen bei Vorstand und Aufsichtsrat einzufordern.
Für Union Investment erachtet als wichtige Stellschraube für mehr Klimaschutz das Salär der Firmenlenker. Erst wenn deren variable Gehaltkomponente an der Erreichung von Klimaschutzzielen gekoppelt sei, würden Manager zu ihrem eigenen finanziellen Wohl Veränderungen anstoßen und nicht nur darüber reden.
„Ambitionen“ waren zu wenig
Als ein positives Beispiel für ein veränderungswilliges Unternehmen nannte Werning Royal Dutch Shell. Das Energieunternehmen sprach bislang lediglich von „Ambitionen“, und nicht von bindenden CO2-Einsparungszielen. Ende 2018 ließ das Unternehmen überraschenderweise per Presseaussendung wissen, sich verbindliche Klimaziele zu geben und immerhin zehn Prozent der Vorstandsvergütung an die CO2-Reduktion zu koppeln. So lässt die börsennotierte AG Wälder aufforsten, baue Ladestationen für Elektroautos und investiere in Windenergie. „Engagement-Prozesse sind lang andauernde Prozedere, diese können zehn Jahre oder mehr brauchen“, erinnerte Werning.
Vertretung ureigener Interessen ist unerwünscht
Auch bei RWE sieht Union Investment Fortschritte. Das Unternehmen bekennt sich zwar um Klimaschutz, setzt aber aus Eigeninteresse und zum Wohle der Aktionäre auch auf einschlägiges Lobbying, um schärfere Regulierungen zu vermeiden. Das war bzw. ist Union Investment ein Dorn im Auge. Denn über dieses klassisches Lobbying würde konsequenter Klimaschutz untergraben. Nachdem Union Investment für mehr Bewusstsein bei RWE sorgte, willigte der Konzern zumindest ein, zu prüfen, ob die eigene Lobbyarbeit im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzvertrag steht.
Menschenrechte nicht vergessen
Als weiteres Beispiel für den Erfolg von Engagement nannte Werning Daimler. Die strategischen Investitionen in die Elektrifizierung sei der richtige Schritt. Mit Kobalt gebe es aber ein neues Probleme in der Lieferkette von Batterien. Immerhin stammen ca. 60 Prozent des weltweiten Kobaltbedarfs aus den Kobalt-Minen im Kongo, wo häufig Verletzungen von Umwelt- und Menschenrechtsstandards erfolgten. Aufgrund der Engagement-Bemühungen von Investoren wie Union Investment versprach Daimler, verpflichtende Menschenrechtstandards für Lieferanten bis 2020 einzuführen und einen Nachweis auf den Verzicht von Konfliktmineralien zu fordern. Werning betonte an dieser Stelle, dass Union Investment nicht nur der Klimaschutz wichtig sei, sondern auch das „S“ in „ESG“, also das „Soziale“ und damit insbesondere die Einhaltung von Menschenrechten.
Darüber hinaus will Daimler über die Strategie „Ambition 2039“ bis zum genannten Jahr die Flotte komplett CO2-neutral machen, die Zulieferer zur CO2-Reduktion verpflichten. In Europa soll die Mercedes-Produktion sogar bis 2020 CO2-neutral werden. „Daimler hat am deutschen Automobilmarkt aus Klimaschutz-Sicht eine Vorreiterrolle übernommen“, erklärte Werning abschließend. (aa)