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Tech-Werte im Spannungsfeld von KI, Geopolitik und Schumpeter

Die Welt der Technologieaktien ist in Bewegung – und das nicht nur wegen der rasanten Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI), sondern auch aufgrund geopolitischer Spannungen, struktureller Verschiebungen und wachsender Zweifel an alten Gewissheiten, meint eine Managerin von Eyb und Wallwitz.

Dr. Kristina Bambach, Portfoliomanagerin bei Eyb & Wallwitz
Dr. Kristina Bambach, Portfoliomanagerin bei Eyb & Wallwitz© Eyb und Wallwitz

Institutionelle Investoren, die heute in Tech-Werte investiert, müssen nicht nur technologische Trends verstehen, sondern auch politische Risiken abwägen und strategische Weitsicht mitbringen, empfiehlt Dr. Kristina Bambach, Portfoliomanagerin bei Eyb & Wallwitz, in einem "Institutional Money" exklusiv vorliegenden Beitrag.

Aktuell scheint es, als wäre der Begriff „Tech“ ein Synonym für KI geworden – laut Dr. Bambach zu Unrecht: "Technologie umfasst weit mehr: Cloud-Infrastrukturen, Halbleiter, Cybersicherheit, Plattformökonomie, Automatisierung und vieles mehr."

Entscheidend ist laut Dr. Bambach nicht nur, wer die Technologie entwickelt, sondern auch, wer sie effizient einsetzt. Unternehmen, die KI nicht nur besitzen, sondern produktiv nutzen – etwa zur Senkung von Personalkosten oder zur Optimierung von Lieferketten – könnten sich als die wahren Gewinner herausstellen: "Daher sollten Investoren bei der Suche nach attraktiven Tech-Werten ihre Blicke durchaus durch das gesamte Tech-Ökosystem schweifen lassen, statt sich zu sehr auf die großen KI-Namen zu konzentrieren. Und auch geografisch kann sich ein Blick über den amerikanischen Tellerrand lohnen."

USA: Dominanz mit Rissen
Die USA bleiben in vielen Tech-Sektoren führend – nicht zuletzt dank ihrer First-Mover-Vorteile und der Fähigkeit, globale Skaleneffekte effektiv zu nutzen. Doch auch andere Regionen schließen auf.

Zudem zeigt sich Bambach zufolge: Nicht jeder Hype hält, was er verspricht. Der sogenannte „Hype Cycle“ – von der Euphorie über die Ernüchterung bis zur Reife – trennt langfristig die Spreu vom Weizen. Unternehmen wie Microsoft haben in etablierten Bereichen wie Bürosoftware eine monopolartige Stellung erreicht. In neuen Feldern wie KI hingegen ist das Rennen noch offen – trotz hoher Bewertungen.

China: Vom Risiko zur Option
Lange Zeit galten chinesische Tech-Werte als politisch zu riskant. Doch mit dem Aufstieg von Unternehmen wie DeepSeek werde deutlich: Auch in China entstehen innovative, skalierbare Geschäftsmodelle – oft mit weniger Kapitaleinsatz. Die politische Unsicherheit bleibt, doch gleichzeitig verlieren die USA durch erratische politische Entscheidungen an Attraktivität. Die Folge: Die Lücke zwischen den beiden Tech-Ökosystemen schließt sich – von beiden Seiten.

Europa: Der zögerliche Dritte
Europa droht nach Einschätzung von Bambach zwischen den Blöcken zerrieben zu werden. Dabei wäre der Markt groß genug, um eine eigenständige dritte Kraft zu bilden. Doch dafür braucht es politischen Willen, massive Investitionen und regulatorische Offenheit – etwa beim Datenschutz. Nur wenn Unternehmen Zugang zu großen Datenmengen haben und diese auch verwerten dürfen, können sie im globalen Wettbewerb bestehen. Derzeit fehlt es der EU an strategischer Klarheit und Mut zur Priorisierung.

Zwei Systeme, zwei Welten
Die Welt steuert nach Ansicht von Bambach auf eine technologische Bipolarität zu. Die USA und China bauen zunehmend parallele Ökosysteme auf – mit eigenen Chips, Plattformen, Standards und Lieferketten. Das liegt daran, dass hier neben den Kräften des freien Marktes sehr viel politischer Wettbewerb am Werk ist. Der Kampf um die technologische Vorherrschaft ist auch ein Wettstreit der politischen Systeme, nicht nur der Unternehmen.

"Innovation und schöpferische Zerstörung findet daher zunehmend innerhalb der Systeme statt, nicht mehr zwischen ihnen", betont Bambach.

Investieren mit Schumpeter im Hinterkopf
Wer als Anleger in Tech-Werte investieren möchte, sollte sich nicht von kurzfristigen Hypes blenden lassen, sondern mit einem scharfen Blick auf die langfristige Substanz eines Geschäftsmodells achten – ganz im Sinne Schumpeters. Drei zentrale Kriterien helfen dabei, tragfähige Investitionsentscheidungen zu treffen.

  1. Realer Mehrwert. Ein Unternehmen sollte ein konkretes Problem lösen oder einen klaren Nutzen für seine Kunden schaffen – bloße Technologiebegeisterung und eine große Vision reichen nicht aus.
  2. Skalierbarkeit. Nur Geschäftsmodelle, die sich über Ländergrenzen hinweg effizient ausrollen lassen, können das volle Potenzial globaler Märkte ausschöpfen.
  3. Monetarisierung und Schutz vor Nachahmern. Hier kommen sogenannte Eintrittsbarrieren ins Spiel – etwa durch Patente, starke Marken, Netzwerkeffekte oder technologische Vorsprünge. Diese Faktoren schaffen einen „Burggraben“, der das Geschäftsmodell vor Konkurrenz schützt und langfristige Wettbewerbsvorteile sichert.

"Wer diese Kriterien konsequent anlegt, erhöht die Chance, nicht nur kurzfristige Kursgewinne zu erzielen, sondern an nachhaltigem Wachstum teilzuhaben", merkt Bambach an.

Burggräben und schöpferische Zerstörung
Gerade im KI-Bereich ist der „Burggraben“ aber oft noch unklar. Wer sich durchsetzt, ist offen – sowohl in den USA als auch in China. Marken wie GPT mögen bekannt sein, doch auch in China entstehen Alternativen, die sich schnell durchsetzen können – wie das Beispiel DeepSeek zeigt.

"Der Prozess der „schöpferischen Zerstörung“, wie ihn Joseph Schumpeter beschrieben hat, ist lebendiger denn je. Die Innovationszyklen werden kürzer, die Disruptionen tiefgreifender. Doch sie verlaufen nicht mehr nur innerhalb von Branchen, sondern systemübergreifend – mit politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Implikationen", betont Bambach.

Interessant sei dabei: Die größten Chancen liegen oft nicht bei den Entwicklern der Technologie, sondern bei deren Nutzern. Unternehmen die KI zur Optimierung ihrer Plattformen einsetzen, könnten langfristig stärker profitieren als reine KI-Anbieter. Gleiches gilt für Logistik, Energie, Mobilität oder industrielle Wartung – überall dort, wo Daten und Personaleinsatz eine große Rolle spielen und das Potenzial für Effizienzsteigerungen hoch ist.

Bambachs Fazit: Chancen erkennen, Risiken verstehen
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Tech-Werte bleiben ein spannendes, aber herausforderndes Feld. Wer investiert, sollte nicht nur auf die großen Namen schauen, sondern auf die Geschäftsmodelle hinter der Technologie. Die Zukunft gehört nicht unbedingt denen, die am lautesten „KI“ rufen – sondern denen, die sie am klügsten einsetzen", erklärt die Portfoliomanagerin abschließend. (aa)

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