Wenn selbst ein modernes Gebäude nicht mehr nachhaltig genug ist
Anna Bernhart von EPH European Property Holdings erläutert die Probleme, mit denen Immobilienbesitzer und Investoren aus ESG-Sicht konfrontiert sind und spricht einige praktische Empfehlungen aus, um Wertverluste möglichst zu reduzieren.
Eigentümer von Gewerbeimmobilien in Deutschland stehen vor der großen Herausforderung, die Nachhaltigkeit ihrer Gebäude nachzuweisen. Selbst moderne, zertifizierte Immobilien mit Labeln von DGNB, LEED oder BREEAM könnten die strengen Anforderungen der EU-Taxonomie nicht erfüllen. Auf dieses Problem weist Anna Bernhart, Management Member bei EPH European Property Holdings, in einem "Institutional Money" vorliegenden Beitrag hin.
Das Problem der Nachweisführung in Deutschland
Denn die EU-Taxonomie-Verordnung sieht vor, dass Gebäude, die vor dem 31. Dezember 2020 errichtet wurden, entweder die Energieeffizienzklasse A aufweisen oder hinsichtlich ihres Primärenergiebedarfs zu den besten 15 Prozent des nationalen oder regionalen Gebäudebestands gehören müssen, hält Bernhart fest.
In Deutschland fehlen Bernhart zufolge allerdings die notwendigen Definitionen des Gesetzgebers zur Berechnung der Energieeffizienzklasse A für Gewerbeimmobilien sowie eine öffentlich zugängliche Datenbank für den Gebäudebestand zur Bestimmung des Top-15-Benchmarks. "In anderen Ländern, wie Großbritannien, Spanien und den Niederlanden, existiert eine solche nationale Datenbank längst", betont Bernhart.
Zwar sei auch Deutschland durch die neue EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie dazu verpflichtet, eine entsprechende Datenbank aufzubauen und öffentlich zugänglich zu machen. Die nationale Umsetzung ist jedoch erst voraussichtlich im Jahr 2027 vorgesehen. "Bis eine entsprechende Datenqualität, Datensicherheit und Repräsentativität erreicht ist, gehen wertvolle Jahre für die Transformation des Gebäudebestands verloren. Auch wird die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Immobilien auf dem europäischen Markt bis dahin gefährdet", warnt die EPH-Managerin.
Auswirkungen auf Immobilienunternehmen
Das ist Bernhart zufolge in Deutschland deshalb so relevant, weil viele Unternehmen dazu verpflichtet sind, ihre Nachhaltigkeitsleistungen nach einem einheitlichen EU-Berichtsstandard transparent zu machen. Bereits Anfang 2023 ist die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) in Kraft getreten und muss innerhalb von 18 Monaten in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden.
Sobald ein Unternehmen berichtspflichtig ist, muss es den Anteil der taxonomiekonformen Gebäude, die sogenannte Green Asset Ratio (GAR), ausweisen. Kann ein Unternehmen diesen Nachweis nicht erbringen, könnten große Teile des Immobilienbestandes aus der Green Asset Ratio herausfallen. Dann wäre für diesen Teil die Taxonomiequote null Prozent. "Dies kann Auswirkungen auf den Marktwert der Immobilien haben und Finanzierungskonditionen beeinflussen, da Banken Nachhaltigkeitskriterien zunehmend bei der Kreditvergabe berücksichtigen", warnt Bernhart.
Erfassung und Analyse der Verbrauchsdaten als Basis
Um den Herausforderungen der EU-Taxonomie gerecht zu werden und der steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Immobilien nachzukommen, müssen Marktteilnehmer Bernhart zufulge schon jetzt aktiv werden. Auch wenn es in Deutschland noch keine offizielle Datenbank zur Bestimmung der oberen 15 Prozent der energieeffizientesten Gebäude gibt, existieren bereits Analysen zur Einschätzung des Marktstandards zum Beispiel von Drees & Sommer im Rahmen einer gemeinsamen Studie mit dem Verband deutscher Pfandbriefbanken. Diese geben eine Orientierung, wie „grün“ das Immobilienportfolio überhaupt ist.
Die Voraussetzung jedoch, um Immobilien zu klassifizieren und um geeignete Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und Reduzierung des CO?-Fußabdrucks einzuleiten, ist die Erfassung und zentrale Analyse der Verbrauchsdaten.
Eine Herausforderung besteht allerdings auch darin, an die entsprechenden Daten zu gelangen. Hilfreich können zum Beispiel sogenannte grüne Mietverträge („Green Leases“) sein, mit denen sich Mieter vertraglich dazu bereit erklären, ihre Verbrauchsdaten zu übermitteln.
Resümé
Die EU-Taxonomie und ihre Klimaziele stellen die Immobilienbranche vor erhebliche Herausforderungen, bieten Bernhart zufolge aber auch klare Chancen: "Unternehmen, die frühzeitig auf die Anforderungen reagieren, wenn sie Transparenz über die Nachhaltigkeit ihrer Portfolios schaffen und gezielt Maßnahmen zur Effizienzsteigerung ergreifen, sichern sich Wettbewerbsvorteile und profitieren von der wachsenden Nachfrage nach nachhaltigen Immobilien. Denn auch bei den Nutzern der Immobilien steigt der Stellenwert von nachhaltigen Flächen, während veraltete Objekte an Attraktivität verlieren. So gehören nicht nur geringere Bewirtschaftskosten zu den Vorteilen nachhaltiger Immobilien, sondern auch eine hohe Vermietungsquote und damit ein stabiler Cashflow." (aa)