Warum sich AMs nicht von ESG-Daten-Kosten zurückhalten lassen sollten
Die EU-Nachhaltigkeitsreform verursacht einen massiven Mangel an ESG-Daten. Wie beurteilen Asset Manager (AMs) in Zukunft Grüne Investments? Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich Kevin Naumann, Partner bei KPMG FS. Derzeit heißt es Warten auf die endgültige Version der EU-Omnibus-Richtlinie.
Am 26. Februar 2025 veröffentlichte die EU-Kommission ihren Vorschlag zur sogenannten Omnibus-Richtlinie. Die Integration von Nachhaltigkeitsberichterstattung, Lieferketten-, Taxonomie- und Offenlegungsverordnung soll für Bürokratieabbau sorgen und vor allem mittelständische Unternehmen entlasten. Ein zentraler Bestandteil: Nur noch Firmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und mindestens 50 Millionen Euro Jahresumsatz sind künftig zum Nachhaltigkeitsreporting im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtet. Das ist ein wichtiges Signal für den Mittelstand und freut vor allem kleinere Unternehmen. Im Bereich ESG-Investments aber sorgt die geplante Anpassung für ein massives Datendefizit. Wie Fondsverwalter und Asset Manager das kompensieren und auch in Zukunft präzise die Nachhaltigkeit ihrer Portfolios bewerten wollen, weiß Kevin Naumann, Partner im Bereich Financial Services bei KPMG AG. Im Folgenden findet sich sein Kommentar.
Ob Zulieferer, Technologie-Innovator, IT-Dienstleister oder FinTech: Auch kleine und mittelständische Unternehmen sind entscheidend, für die geplante Transformation zur emissionsfreien Energiegewinnung: Die Verkehrswende verlangt neben Elektroautos auch smarte Akkutechnologie und gute Ladeinfrastruktur. Ohne KI-basierte Smart Grids ist ein dezentrales Stromnetz aus vielen tausend Windrädern und Solaranlagen nicht funktionsfähig. Automatisierungs-IT, Cloud Provider und Online Tools bilden heute das Rückgrat fast jedes Unternehmens, besonders in der stark digitalisierten Technologiebranche.
40.000 Berichte weniger
Was das alles mit Investments zu tun hat? Beschäftigt eine solche „transformationskritische“ Firma weniger als 1.000 Mitarbeitende oder erzielt sie weniger als 50 Millionen Euro Jahresumsatz (beziehungsweise eine Bilanzsumme von weniger als 25 Millionen Euro), fällt sie nach der EU-Omnibus-Reform nicht länger unter die Reportingpflicht der CSRD. Auch wenn das die Bürokratielast erheblich senkt: Asset Managern wird dieser Nebeneffekt nicht gefallen, wenn sie sich mit nachhaltigen Investments auseinandersetzen – etwa gemäß Artikel 8 und 9 der EU-Offenlegungsverordnung klassifizierten Fonds. Denn wie sollen sie die Nachhaltigkeit eines Konzerns, dessen Ziele, Zukunftsstrategien und Transformationsstatus auf dem Weg zur großen Netto-Null im Jahr 2050 beurteilen, wenn plötzlich die Daten seiner wichtigsten Zulieferer und Geschäftspartner fehlen?
Die gute Nachricht ..... und die schlechte
Auch in Zukunft sind Vermögensverwalter nicht aufs Spekulieren angewiesen, wenn es um die Erhebung aussagekräftiger und umfassender ESG-Daten geht. Die schlechte: Die bevorstehende Richtlinienreform wird Asset Managern künftig mehr Eigeninitiative abverlangen. Und gewisse Investitionen. Die CSRD-Reform reduziert die Anzahl der berichtspflichtigen Unternehmen um rund 80 Prozent: Von ursprünglich knapp 50.000 fallen demnach bald etwa 40.000 durchs Raster. Das bedeutet: 40.000 Nachhaltigkeitsberichte weniger pro Jahr. In der Summe ergibt das Abermillionen von Statistiken, Fakten, Kennzahlen und Werten, die erst gar nicht erstellt werden.
Drei Quellen für neue Daten
Die Lösung ist einfach, aber nicht banal: Die Daten müssen woanders herkommen. Asset Manager haben in Zukunft drei Möglichkeiten. Schon heute sind junge Dienstleister auf dem Markt, die mithilfe von Webcrawlern das Netz nach öffentlich zugänglichen Informationen durchforsten. Dazu gehören Daten und Fakten, etwa aus Geschäftsberichten, aber auch Soft Facts als Resultat der Sentimentanalyse. Denn nicht nur nackte Zahlen, auch die gesellschaftliche Wahrnehmung eines Unternehmens kann entscheidend für dessen Nachhaltigkeitsfortschritt sein. Die Erfahrung zeigt: In der Regel bilden diese meist KI-basierten Webanalysen die tatsächliche Nachhaltigkeitsklassifizierung eines Fonds nahezu exakt ab – und zwar sechs bis neun Monate im Voraus.
Die zweite Option ist die Auswertung anderer öffentlich zugänglicher, bereits vorhandener Daten – von Geschäftsberichten und Bilanzen, über freiwillig erstellte Statistiken bis zu (Presse-) Berichten über Unternehmen und Informationen von deren eigenen Websites sowie von Seiten Dritter. Wie so oft spielen IT-Tools und KI eine wichtige Rolle bei der Digitalisierung, Integration, Interpretation und Auswertung dieser meist dezentralen und analogen Datensätze. Auch bei der Hochrechnung dieser Daten auf die Zukunft leistet KI bereits Erstaunliches.
Zu guter Letzt kommt der dritte Faktor ins Spiel, der zunächst nach einem Anachronismus klingt: Der persönliche Kontakt. Unternehmen wie KPMG Financial Services stehen in ständigem Kontakt zu Finanzdienstleistern, führen repräsentative Umfragen durch und evaluieren die Aussagen von Mitarbeitern und Führungskräften. Viele Fondsanbieter und Asset Manager nutzen heute ebenfalls diesen Kanal, allerdings werden sie ihre Kommunikation mit Unternehmen nach der CSRD-Reform deutlich intensivieren müssen, um den Wegfall der Nachhaltigkeitsberichte vollständig zu kompensieren. Eine andere Herangehensweise – doch auch hier helfen moderne IT-Tools: KI-gestützte Telefonbots können etwa Ansprache, Datenerhebung und Evaluierungsprozess fast vollständig automatisiert übernehmen. Das steigert die Effizienz und reduziert Fehlerquellen.
Nur eine Frage der Zeit
Nachhaltige Investments, ESG-Kriterien, Energiewende? Ist das nicht alles Schnee von gestern, seit die neue US-Regierung energiepolitisch zurück in die Vergangenheit steuert? Nein. Die Grüne Geldanlage ist genauso ein langfristiges Projekt wie die Energiewende selbst. Ganz klar: Die aktuelle Entwicklung in den USA wird vermutlich dazu beitragen, dass globale Klimaziele wie die Agenda 2050 der UN verfehlt bzw. verzögert erreicht werden. Die weltweiten Schäden durch den Klimawandel sind jedoch zu groß, als dass eine dauerhafte Korrektur dieses Kurses wirklich vorstellbar wäre. Die Öl- und Gasreserven des Planeten sind endlich, die vom Klimawandel verursachten Kosten steigen jedes Jahr, während emissionsfreie Energiegewinnung und die entsprechenden Technologien immer billiger werden. Auch die EU hält an ihrer Agenda 2050 fest.
Grüne Investments bleiben mittelfristig attraktiv
All das führt dazu, dass Grüne Investments mittelfristig attraktiv bleiben. Genau wie Anleger brauchen Asset Manager derzeit einen langen Atem. Sie können die Übergangsphase aber auch effizient nutzen: Für ihre Evaluierung Grüner Investments sollten sie frühzeitig in die umfassende Akquise detaillierter und korrekter ESG-Datensätze investieren. So verschaffen sie sich einen Wettbewerbsvorteil und profitieren in einigen Jahren vom Durchbruch der Grünanlage. Denn dieser sei nur eine Frage der Zeit, findet Kevin Naumann. (kb)
Zur Person: Kevin Naumann ist Partner im Bereich Financial Services bei KPMG und leitet das Consulting Geschäft im Asset Management sowie die ESG-Practice für AM in Deutschland und EMA.