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Stiftungsrechts-Reform: "Was gut klingt, birgt einiges an Gefahren"

Vor rund einer Woche hat nach dem Bundestag auch der Bundesrat einer Reform des Stiftungsrechts zugestimmt. Wir haben mit zwei Praktikern über die Auswirkungen gesprochen, die sich daraus ergeben.

Die Reform des Stiftungsrechts ist beschlossene Sache.  
Die Reform des Stiftungsrechts ist beschlossene Sache.  © Adobe

Nicht weniger als sieben Jahre hat es gedauert, bis vor kurzem sowohl Bundestag als auch Bundesrat einer Reform des Stiftungsrechts zugestimmt haben. Über die wesentlichen Eckpunkte hatte Institutional Money bereits berichtet. Wir wollten aber wissen, welche Auswirkungen die neuen Rechtsregeln für die Praxis haben werden und haben darüber mit zwei ausgewiesenen Experten des Stiftungsrechts diskutiert. Ein Gespräch mit Stefan Fritz, Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Stiftungen der Erzdiözese München und Freising, und Jörg Seifart, ebenfalls Rechtsanwalt und Gründungsgeschäftsführer der Gesellschaft für das Stiftungswesen.

Herr Dr. Fritz, bereits Ende 2014 wurde die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht mit dem Auftrag eingerichtet, die Möglichkeiten einer Vereinheitlichung und Vereinfachung des Stiftungsrechts zu prüfen. Deren Arbeit mündete jetzt in eine Änderung der betreffenden BGB-Vorschriften. Hat sich das Warten gelohnt?
Stefan Fritz: Aus meiner Praktiker-Perspektive definitiv. Während seiner Entstehung wurde der Gesetzentwurf in Fachkreisen intensiv diskutiert und kritisiert. Für diejenigen, die haupt- oder ehrenamtlich in der Verantwortung stehen, überwiegen aber die Vorteile die verbliebenen Kritikpunkte erheblich. Der Gesetzgeber stärkt die Handlungssicherheit der Stiftungsmanagerinnen und -manager, ohne wie bei anderen institutionellen Investoren einen starren Regulierungsrahmen zu schaffen. Davon dürfte der gesamte Gemeinwohl-orientierte dritte Sektor profitieren.

Was verbessert sich konkret für die Stiftungsvorstände?
Fritz: Ihnen kommt vor allem die bereits aus dem Aktienrecht bekannte "Business Judgement Rule" zugute. Diese soll ein Problem beseitigen, das das Stiftungssegment über Jahrzehnte im Anlagebereich gelähmt und strukturell geschwächt hat: die Angst vor persönlicher Haftung bei Anlageentscheidungen. Hier herrscht nach wie vor eine erhebliche Rechtsunsicherheit, weil vielen Verantwortlichen unklar ist, wann eventuelle Vermögensverluste zur Haftung der Gremienmitglieder führen können. Dadurch hat sich im deutschen Stiftungssektor eine starke Abneigung gegen Volatilität und damit insbesondere gegen Aktien breitgemacht, obwohl Ewigkeitsstiftungen mit ihrem langfristigen Anlagehorizont eigentlich ideale Aktieninvestoren wären. Die Neuregelung stellt nun klar, dass sich das Gremienhandeln (und -unterlassen) bei risikobehafteten Entscheidungen nicht nach ihrem Erfolg beurteilt, sondern danach, ob der betreffende Entscheidungsprozess einwandfrei abgelaufen ist. Dazu gehört insbesondere, dass sich die Gremienmitglieder hinreichend informieren, ökonomisch vernünftig und zum Wohle der Stiftung agieren. Damit werden übrigens nicht nur die ökonomischen Kompetenzen der Stiftungsorgane aufgewertet, sondern auch der Stellenwert der Anlageberatung und der Beratungsdokumentation.

Ab wann können Stiftungen von den Neuregelungen profitieren?
Fritz: Der überwiegende Teil soll statt – wie ursprünglich geplant – zum 1. Juli 2022 nun doch erst zum 1. Juli 2023 in Kraft treten. Ein weiterer wichtiger Punkt, die Einführung eines bundeseinheitlichen Stiftungsregisters ist für den 1. Januar 2026 vorgesehen.

Warum geht das nicht schneller?
Fritz: Einige der weiteren Neuregelungen können im Einzelfall Satzungsanpassungen erfordern. Der Aufschub verschafft den betroffenen Stiftungen die notwendige Zeit für deren Vorbereitung und Abstimmung mit der Stiftungsaufsicht. Auch im Bereich des Vermögensmanagements sollte sie nicht ungenutzt bleiben: Stiftungen sollten ihre Entscheidungs- und Dokumentationsprozesse und die Legitimität der vorhandenen Anlagen unter die Lupe nehmen. Ein schriftlicher Finanzstatus kann helfen, systematisch eventuelle Lücken aufzudecken, um zum Inkrafttreten der Neuregelungen vom vollen Haftungsschutz zu profitieren.

Herr Seifart, sehen Sie die Dinge ähnlich wie Herr Dr. Fritz?
Jörg Seifart: Wie so oft sind wir uns in vielen Punkten einig. Allerdings kam das um noch ein weiteres Jahr verschobene Inkrafttreten des Gesetzes für Viele in der Szene schon überraschend. Wobei ich persönlich den Zeitraum von jetzt etwas mehr als einem Jahr schon für recht großzügig halte, aber das ist sicher Jammern auf hohem Niveau. Ich befürchte eher, dass der letzte Punkt des Kollegen vielleicht von einigen Stiftungen nicht ernst genug genommen wird, auch wenn die Neufassung des Gesetzes die aktuelle Rechtslage manifestiert. Ich habe großes Verständnis dafür, was die Sorge vor der persönlichen Inanspruchnahme betrifft. Was ich allerdings nicht verstehe, ist, warum sich viele Stiftungen nicht absichern. Meine Erwartung an eine Stiftung oder ihren Berater wäre schon, dass der Resilienzfaktor des Vermögens bekannt ist oder geprüft wird. Gleiches gilt für den Legitimationsgrad der Vermögensanlagen. Wie von Dr. Fritz schon angesprochen, tritt das Gesetz erst Mitte 2023 in Kraft. Der Markt wartet aber nicht auf ein solches Gesetz und deshalb sollten sich Stiftungen schon jetzt zum Beispiel mit dem von ihm angesprochenen Finanzstatus absichern.

Ich weiß von Ihnen, dass die Verwendung von Umschichtungsgewinnen immer ein Thema für Stiftungen ist, gibt es dazu eine Neuregelung im Gesetz?
Seifart: In dieser Frage gibt es tatsächlich eine Änderung. Künftig dürfen Stiftungen realisierte Kursgewinne ausschütten, wenn in der Satzung nichts Gegenteiliges geregelt ist und der Erhalt des Vermögens nicht gefährdet ist. Was zunächst gut klingt, birgt aber einiges an Gefahren. Zum einen muss eine Stiftung, wenn sie einen realisierten Gewinn auskehren möchte, immer erst gegenkontrollieren, ob das Vermögen in diesem Moment (noch) erhalten ist. Eine laufende Buchhaltung oder wenigstens eine Schattenbuchhaltung werden deshalb unabdingbar sein, um das jeweils feststellen zu können. Auch kann für viele Stiftungen die Versuchung zu groß werden, schlicht alle Gewinne auszukehren und den Kapitalerhalt, das zweite wichtige Anlageziel, aus den Augen zu verlieren.

Vielen Dank für das Gespräch (hh)


Hintergrundwissen für Stifter und deren Berater im Seminar:

Was bedeutet die Gesetzesreform konkret für Stiftungen und deren Berater? Auf was muss sich der Markt einstellen, und welche Punkte sollten gut beratene Stiftungen im Vorfeld der Reform umsetzen? Antworten auf diese und andere Fragen zur Stiftunsgrechtsreform geben Stefan Fritz und Jörg Seifart in einem kurzfristig einberufenen Workshop zum Thema. Stattfinden wird das zweiteilige Event aus Online-Schulung und anschließendem Einzelcoaching am 30. Juli 2021 ab 15h00. Nähere Infos gibt es über diesen Link, das entsprechende Anmeldformular können interessierte Leser hier als PDF herunterladen.

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