Fundamenta Group-Chef: "Abwarten ist keine Option!"
Nach wie vor sind Immobilienfonds nach Artikel 8 oder 9 in der Minderheit. Für die Zurückhaltung gibt es zahlreiche Gründe – und doch ist sie ein Fehler, meint Christian Paul, Mitgründer und Vorsitzender des Vorstands der Fundamenta Group Deutschland.
Mehr als ein Jahr nach ihrem Inkrafttreten fremdeln viele Anbieter von Immobilienfonds noch immer mit der EU-Offenlegungsverordnung. Viele der am Markt verfügbaren Fonds sind immer noch Produkte nach Artikel 6, berücksichtigen in ihrer Investitionsstrategie also keinerlei Nachhaltigkeitskriterien, moniert Christian Paul, Mitgründer und Vorsitzender des Vorstands der Fundamenta Group Deutschland AG, in einem "Institutional Money" exklusiv vorliegenden Beitrag.
Das steht Paul zufolge in krassem Widerspruch zur Wahrnehmung am Markt, dass Investoren solche Kriterien zunehmend fordern und Artikel-6-Fonds zum Ladenhüter werden. So hat das Investmenthaus Empira in einer im November veröffentlichten Studie festgestellt, dass bis Ende dieses Jahres nur noch ein Viertel der Investoren in diese Art von Fonds investieren will, merkt Paul an.
Stattdessen wünscht die Mehrheit der Investoren Fonds nach Artikel 8, die im Ankauf und der Bestandsentwicklung ökologische und/oder soziale Kriterien berücksichtigen, oder nach Artikel 9, die Nachhaltigkeit als wesentliches Anlageziel verfolgen. Doch sie treffen immer noch auf ein eher mageres Angebot. Was hält die Fondsanbieter ab, ihre Produkte als „hellgrün“ oder „dunkelgrün“ im Sinne der Offenlegungsverordnung zu deklarieren?, fragt Paul.
Gut Ding braucht Weile
Sicher haben dazu einzelne Fälle von „Greenwashing“ beigetragen, bei denen Anbieter ihre Nachhaltigkeitsversprechen nicht eingehalten haben und dafür öffentlich abgestraft wurden. Doch die Angst vor Reputationsschäden ist ein schwaches Argument, nichts zu tun. Denn wer abwartet, wird im Wettbewerb zurückfallen, warnt Paul.
Viele Anbieter unterliegen dem Irrtum, dass erst der Regulator für klare Anforderungen sorgen müsse. Zwar legt die EU-Taxonomie bislang nur vage fest, welche Aktivitäten als nachhaltig eingestuft werden können. Doch es ist normal, dass sich solche Regelwerke erst sukzessive entwickeln müssen. In der Zwischenzeit müssen sich die Unternehmen auf ihre eigenen Analysen verlassen, denn die Unternehmen sollten selbst am besten in der Lage sein einzuschätzen, welche Stellschrauben in ihren Portfolios die besten Effekte in Punkto Nachhaltigkeit bringen.
Die Kriterien für die eigene ESG-Strategie müssen natürlich sorgfältig gewählt werden, damit der Erfolg messbar und nachweisbar ist. Benötigt werden Scoringmodelle, die die Bewertung von Objekten für den Zukauf oder im Bestand unter ESG-Gesichtspunkten ermöglicht. Im Immobilienbereich gibt es viele gut definierbare Kriterien, die eindeutig klimarelevant sind. Da geht es zum Beispiel um den Energieeffzienzstandard von Gebäuden oder den Anteil des Heizenergiebedarfs aus erneuerbaren Quellen, führt Paul aus.
Sind die Kriterien festgelegt, ist Paul zufolge zu bestimmen, wie sie im Ankaufsprozess angewendet werden. Auch die Objekte im Bestand sind im Hinblick auf die festgelegten ESG-Kriterien zu bewerten, und es braucht klare Ziele, in welchem Umfang und innerhalb welchen Zeitrahmens ihr Scoring verbessert werden kann – etwa durch Dämmung oder Heizungswechsel. Zur Strategie können auch Festlegungen zählen, dass Objekte, bei denen keine energetische Sanierung sinnvoll möglich ist, innerhalb eines bestimmten Zeitraums veräußert werden.
Nachhaltigkeit ist nicht nur grün, sondern auch sozial
Ein verbreiteter Irrtum ist laut Paul, dass es bei Nachhaltigkeit nur um Ökologie gehe. Gerade im Immobilienbereich gibt es zahlreiche Anknüpfungspunkte im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit. Denn Gebäude bestimmen die Lebensqualität der Menschen, die in ihnen leben oder arbeiten, wesentlich mit. Offensichtliche Kriterien sind Themen wie Barrierefreiheit für körperbehinderte Menschen, aber auch Mieterauswahl oder die Mietpreispolitik gehören zum Komplex der sozialen Nachhaltigkeit, wenn sie sozial schwächeren Bürgern Zugang zu bezahlbaren Wohnraum geben.
Manche Fondsanbieter scheuen auch die Berücksichtigung von ESG-Kriterien, weil diese die Rendite schmälern kann. Dafür gibt es vielfältige Gründe: Energetische Sanierung oder klimaschonendes Bauen verursachen zusätzliche Kosten, eine soziale Mieterauswahl kann zu einer geringeren Mieterbonität führen, Ankaufsopportunitäten können wegen eines schmaleren Anlageuniversums wegfallen. Das kann sich auf die Rendite von Artikel-8-Fonds spürbar, bei Artikel-9-Fonds signifikant auf die Rendite auswirken.
Und doch ist der zu starke Fokus auf Rendite kurzsichtig. Nachhaltigkeit etabliert sich aus Investorensicht als viertes Anlageziel neben Rendite, Sicherheit und Liquidität. "Wer dem nicht Rechnung trägt, wird auf mittlere Sicht seine Produkte nicht mehr an den Mann bringen", betont Paul abschließend. (aa)