DVFA beteiligt sich an ESMA-Konsultation zum ESAP
Am 8. März 2024 wurde die Konsultation der ESMA (European Securities and Market Authority) zum Thema ESAP (European Single Access Point) beendet. Die DVFA hat sich als Verband der Investment Professionals in Deutschland aktiv an der Konsultation beteiligt.
"Die DVFA steht hinter dem Konzept des ESAP, aber wir sehen einen dringenden Bedarf, ein Qualitätssicherungssystem zu ergänzen", sagt Thorsten Müller, Vorstandsvorsitzender der DVFA.
Fehlendes Qualitätssicherungssystem gefährdet Kapitalmarktunion
Auf dem ESAP sollen alle kapitalmarktrelevanten Daten sämtlicher kapitalmarktnotierter Unternehmen der 27 EU-Mitgliedsländer bereitgestellt werden. Es handelt sich um Finanzdaten, ESG-Daten sowie zum Beispiel MiFID- oder MAR-Daten. Diese sollen über eine zentrale Datenbank (ESAP) der ESMA publiziert werden. Ein riesiges Projekt mit mehr als 200 unterschiedlichen Reportingverpflichtungen und mehr als 150.000 betroffenen rechtlichen Einheiten. Dabei soll der ESAP in unterschiedlichen Phasen zunehmend mehr Daten aufnehmen. Der Start ist für 2024 und der Beginn der Datenpublizierung für 2027 vorgesehen. Das Projekt soll dann bis 2030 abgeschlossen sein.
Die komplexe Konsultation umfasst mehr als 80 Seiten
Die vorgeschlagenen technischen Regelungen betreffen erstens die Datenlieferungen der nationalen Behörden (collection bodies) an den ESAP und zweitens die Bereitstellung der Daten des ESAP an natürliche Personen sowie automatisiert an die IT-Systeme Dritter, etwa an Investment Professionals und ihre Dienstleiter.
ESAP entscheidend für die Erreichung der Europäischen Kapitalmarktunion
Die zentrale Datenbank ESAP ist dabei eine fundamentale Maßnahme, um das Ziel einer Kapitalmarktunion in Europa zu erreichen. Die Transparenz der Kapitalmarktdaten soll erhöht werden, die Informationskosten für Datennutzer reduziert und so der Kapitalzufluss auch an die vielen europäischen Small- und Mid-Cap-Unternehmen verbessert werden.
Schwachpunkt im Vorschlag: keni einheitliches Qualitätssicherungssystem
Der vorliegende Vorschlag der ESMA enthält, wie auch schon die zugrunde liegende EU-Richtlinie (EU 2023/2859 vom 13.12.2023), einen fundamentalen Schwachpunkt: es fehlt ein EU-weit einheitliches Qualitätssicherungssystem zur technischen Gewährleistung von Mindeststandards für die Ermittlung von Daten komplexer elektronischer Berichte, wie etwa IFRS-Konzernabschlüsse. Thorsten Müller sagt dazu: „Im Zeitalter von Automatisierung, KI und komplexen elektronischen Berichten der Emittenten, wie etwa den IFRS-Konzernabschlüssen und den zukünftigen Berichten nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS), ist es ein konzeptioneller Fehler, kein EU-weit einheitliches Qualitätssicherungssystem vorzusehen. Ohne solch ein Qualitätssicherungssystem ist die Gefahr der Produktion von Daten-Schrott sehr hoch!“
Gefahr von Datenschrott ist hoch
Volker Sack, Leiter der DVFA-Kommission Unternehmensanalyse, ergänzt: „Diese Qualitätsproblematik wird uns auch bei der maschinellen Analyse treffen, etwa bei Fehlern in der Addition numerischer Werte. Zudem ist die pure Anzahl und die gegenseitige Abhängigkeit der zu berichtenden maschinenlesbaren Datenfelder hoch. Wir brauchen daher eine EU-weit einheitliche, technisch gesicherte Mindestqualität derart komplexer Datenmengen“.
Daten-Qualitätsprobleme 2009 bei der SEC als mahnendes Vorbild
Die US Securities and Exchange Commission (US SEC) hat erhebliche Daten-Qualitätsprobleme bei der Einführung der strukturierten Berichterstattung für Finanzberichte börsennotierter Unternehmen ab dem Jahr 2009 erfahren müssen. Im Gegensatz zum Vorgehen der EU gibt es in der Einreichungsschnittstelle der US SEC mittlerweile umfassende Datenvalidierungsregeln, mit der die Daten bei der Einreichung zwangsweise überprüft werden. Im Vergleich zu den USA ist die Datenqualitäts-Situation in Europa aufgrund der Vielzahl von nationalen Einreichungsstellen mit eigenen Rechtsnormen eher noch herausfordernder.
Europa braucht etwas Gleichwertiges wie die Validation-Engine in den USA
Dr. Bodo Kesselmeyer, Digitalisierungsexperte in der DVFA-Kommission Unternehmensanalyse, ergänzt: „Wir sollten dringend aus den Erfahrungen der US SEC mit unzureichender Datenqualität maschinell lesbarer Daten lernen. Analog zur Validation-Engine in den USA sollte ESMA eine Software für ein einheitliches Qualitätssicherungssystem entwickeln lassen, die den nationalen Einreichungsbehörden mittels einer Open-Source-Lizenz zur verpflichtenden Implementierung in die Einreichungsschnittstellen zur Verfügung gestellt wird“.
Daten für alle Interessenten gleichberechtigt, kostenlos und automatisiert abrufbar
Einige andere kritische Erfolgsfaktoren zur Erreichung der vom Europäischen Parlament formulierten Ziele für den Europäischen Kapitalmarkt werden von der DVFA umfänglich unterstützt. Beispielsweise sollen die Daten für alle Interessenten gleichberechtigt, kostenlos und für automatisierte Abrufe aus dem Internet zur Verfügung stehen.
ESMA will vielleicht später Gebühren erheben
Nachvollziehbar ist, dass die ESMA sich bei möglicherweise extensiven Abrufvolumen das Recht vorbehält, zukünftig Gebühren dafür zu erheben. Die Nutzungsrechte der Daten sollen so gestaltet werden, dass Datennutzer und ihre Dienstleister diese lizenzfrei abrufen, weiterverarbeiten und in weitere Informationsdienstleistungen an Investoren und Investment Professionals integrieren können.
Automatisches Qualitätssicherungssystem eine conditio sine qua non
"Ohne die Einführung eines automatischen Qualitätssicherungssystem gefährden wir jedoch die Datenqualität und wir gefährden damit das Fundament der Kapitalmarktunion", fasst Thorsten Müller das DVFA-Ergebnis der ESMA-Konsultation kritisch zusammen. (kb)