Auswirkungen der neuen Anlageverordnungsquoten auf die Anlagestrategie
Die Neuerungen in der Anlageverordnung (AnlV) erweitern den Investitionsspielraum VAG-regulierter Investoren. Das Investment Consulting von Berenberg analysiert die daraus sich eröffnenden Möglichkeiten in der Anlagestrategie (SAA) sowie die damit einhergehenden Auswirkungen.
Die seit dem 7. Februar 2025 geltenden Anpassungen der regulatorischen Mischungsquoten in der AnlV erhöhen den Handlungsspielraum von Investorengruppen wie Pensionskassen, kleinen Versicherungen und Versorgungswerken. Für diese Anleger ergeben sich laut Michael Kreibich, Leiter Investment Consulting bei Berenberg, zwei1 konkrete Neuerungen:
- Eine neue Infrastrukturquote in Höhe von fünf Prozent für Eigen- und Fremdkapital-Positionen zur Finanzierung von Infrastrukturunternehmen und Infrastrukturanlagen
- Eine Erhöhung der Risikokapitalquote von 35 auf 40 Prozent des Sicherungsvermögens
Die separate Infrastrukturquote führt laut Berenberg dazu, dass entsprechende Investitionen bis zu dieser Grenze keine anderen Mischungsquoten belasten und somit nicht mehr mit anderen, höher-rentierlichen Anlagen, wie beispielsweise Private Equity, konkurrieren. Beide Neuerungen führen zu einer zusätzlichen Flexibilität in Allokationsentscheidungen.
In der Konsequenz ließe sich die SAA um zehn Prozentpunkte in - aus regulatorischer Sicht - riskantere Anlagen erhöhen, weshalb betroffene Investoren ihre Anlagestrategie überprüfen und eventuell auch anpassen sollten.
Hierbei sind jedoch Kreibich zufolge die Wechselwirkungen relevanter Ziele und Restriktionen zu beachten. Dazu zählen das Erreichen des angestrebten langfristigen Anlageerfolgs beziehungsweise die Zielverzinsung zu erwirtschaften, die Risikotragfähigkeit aus eigener bilanzieller Perspektive, das Einhalten der regulatorischen Restriktionen und das Bestehen des Stresstests.
Aufgrund der Vielschichtigkeit ist eine Effizienzgewinnanalyse auf Rendite-Risiko-Ebene nicht ausreichend. Kreibich zufolge ist eine differenzierte und adäquate Asset-Liability-Management-Betrachtung notwendig.
Praxisbeispiel
Als Beispiel dient die Analyse der SAA einer deutschen Pensionskasse. Der zugrunde liegende Rechnungszins beträgt 2,7 Prozent und die anfängliche Reservequote sieben Prozent. Mittels zukunftsgerichteter Simulationen werden folgende Eckpunkte über die nächsten zehn Jahre beleuchtet:
- eine mittlere Reservequote
- eine Sleep-Well-Wahrscheinlichkeit, die angibt, wie häufig die Pensionskasse in jedem der simulierten Jahre ihre Leistungen selbst decken kann, ohne Inanspruchnahme von Leistungskürzungen oder Nachfinanzierungen durch den Träger
- die jährliche Median-Rendite
- die jährliche Worst-Case-Rendite (99 Prozent Value-at-Risk)
Quelle: Berenberg
Die Grafik stellt die simulierten, optimalen Allokationen eines Anlageuniversums bestehend aus Euro-Anleihen (Staatsanleihen, Unternehmensanleihen Investment Grade und High Yield), Aktien (Europa, USA, Schwellenländer), Immobilien, Private Debt, Private Equity und Infrastruktur Equity dar.
Die schwarz umrandeten Allokationen sind konform unter den alten AnlV-Mischungsquoten. Die Allokationen ohne schwarze Umrandung nutzen die neuen Restriktionen. Diese vierdimensionale Betrachtung der oben definierten Anlegerziele (X-/Y-Wert, Farbe, Größe) ermöglicht eine umfassende Analyse des durch die Regulierungsanpassung entstandenen Effizienzgewinns.
Lauter zielführende Ergebnisse
Grundsätzlich führen alle betrachteten SAAs laut Berenberg zu zielführenden Ergebnissen. Dies liegt an der auskömmlichen Höhe des aktuellen und zukünftig projizierten Zinsniveaus, das einen deutlichen Kontrast zur Niedrigzinsphase der 2010er Jahre darstellt.
Für einen Großteil der konservativen Allokationen, etwa mit sehr hohen Sleep-Well-Wahrscheinlichkeiten, ergeben sich durch die Neuerungen keine spürbaren Vorteile, weil die Risikokapitalquote nicht ausgeschöpft werden muss, um den Rechnungszins zu erreichen.
Anleger, die jedoch höhere Reservequoten oder Renditeziele deutlich über fünf Prozent anstreben, um etwa höhere Überschusszuteilungen zu erzielen, müssen laut Kreibich die Risikokapitalquoten stärker ausreizen, wodurch der Effekt der neuen Flexibilisierung sichtbar wird: "So lässt sich beispielsweise bei einer angestrebten Reservequote von 45 Prozent zum einen die Sleep-Well“-Wahrscheinlichkeit von 81 auf 87 Prozent steigern und zum anderen die Median-Rendite um 27 Basispunkte erhöhen. Darüber hinaus verbessert sich die jährliche Worst-Case-Rendite von 0,7 auf 1,6 Prozent." (siehe rot-grüne Markierung in der Grafik).
Ausreichende Risikotragfähigkeit erforderlich
Neben den Anlegerzielen müssen auch die Auswirkungen auf regulatorische Stresstests betrachtet werden. Solange die Anlageklasse Infrastruktur nicht gesondert behandlelt wird, sind die Vorteile der Neuerungen nur den Investoren mit ausreichender Risikotragfähigkeit vorbehalten. Gerade nach dem vergangenen Zinsanstieg dürften geschrumpfte Risikobudgets viele regulierte Investoren jedoch hemmen.
"Unstrittig ist, dass aufgrund divergierender bilanzieller Ausgangssituationen, Zielvorgaben und Verpflichtungsstrukturen jeder Investor individuell betrachtet werden sollte. Die Auswirkungen der neuen regulatorischen Möglichkeiten sind vielschichtig. Daher sollten Anpassungen in der SAA vorab genau analysiert werden, um Potenziale zielführend heben zu können", erklärt Kreibich abschließend. (aa)
[1] Eine dritte Neuerung ermöglicht bei Überschreitung der Streuungsgrenzen das Ausweichen auf die Öffnungsklausel. Da im folgenden Beispiel nur diversifizierte Indizes verwendet werden, wird diese Neuerung nicht weiter berücksichtigt.