Wolfram Gerdes: "Politische Börsen haben kurze Beine"
Der Vorstand für Kapitalanlage und Finanzen der KZVK und VKPB erklärt im Gespräch mit „Institutional Money“, warum sich für institutionelle Investoren an den Finanzmärkten trotz aller Störgeräusche auf lange Sicht eine Politik der ruhigen Hand lohnt.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass es große Kapitalsammelstellen in Deutschland gibt, die wegen der Präsidentschaft von Donald Trump bei ihren Anlagestrategien große Veränderungen vornehmen. Das ist im institutionellen Investmentgeschäft nicht üblich. Die Gelder der institutionellen Altersversorgung werden langfristig angelegt mit Anlagehorizonten von 40 bis 50 Jahren. Da ändert auch eine Legislaturperiode von vier Jahren eines US-Präsidenten nichts daran“, erklärte Dr. Wolfram Gerdes in einem Interview mit „Institutional Money“, das die Fragestellung hatte, ob und inwieweit die Wiederwahl von Donald Trump die eigene institutionelle Anlagestrategie beeinflusst.
Mut zur Risikoprämie
Dr. Gerdes ist als Vorstand in Personalunion verantwortlich für die Kapitalanlagen und Finanzen der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse Rheinland-Westfalen (KZVK), einer Altersversorgungseinrichtung der Evangelischen Kirche mit Sitz in Dortmund, sowie der Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Lippischen Landeskirche (VKPB).
Die in Summe rund 20 Milliarden Euro an Assets allokierten Gerdes und sein Team zu zirka 30 bis 35 Prozent in Anleihen, 30 Prozent in Aktien und 15 Prozent in Private Equity. Der Rest entfällt auf Immobilien. Dahinter steht die Überzeugung, dass Eigenkapitalinvestments in der Regel auf lange Sicht höhere Renditen als Fremdkapitalanlagen bringen. „Die Aktien und Private Equity inne wohnenden Risiken sowie die damit einhergehende Volatilitäten können wir tragen“, betonte Gerdes im Gespräch.
Checks and Balances
Bezugnehmend auf die einleitende Frage erinnert Gerdes daran, dass auch während der ersten Präsidentschaft von Trump (2017-2021) die „Welt nicht untergegangen“ sei - wie auch nicht bei seinem Nachfolger Joe Biden. Also wird auch in der zweiten, wohl „unkonventionellen“ Amtsperiode von Trump „die Welt nicht aus den Angeln gehoben“. Dafür sei auch Trump nicht mächtig genug.
Gerdes hat früher viele Jahre in den USA gelebt. Er ist überzeugt davon, dass die „Checks und Balances“ der US-Institutionen (zB: Kongress, Justiz, Verwaltung) aber auch Corporate Amerika weiterhin funktionieren und Trump gegebenenfalls in die Schranken weisen würden. Die USA wird daher innerhalb von vier Jahren nicht zu einer Autokratie werden. „Trump zieht lediglich viel mediale Aufmerksamkeit auf sich“, merk Gerdes an.
US-Markt ist aus gutem Grund die Weltleitbörse
Der US-Kapitalmarkt ist und bleibt aufgrund seiner vielen guten Unternehmen immer attraktiv, das wird sich Gerdes zufolge selbst durch einen Präsident Trump nicht ändern. Der Grund dafür: Die sehr anpassungsfähigen US-Unternehmen gewinnen bei Disruptionen im internationalen Vergleich in der Regel schnell wieder an Fahrt.
Einzig störend empfindet Gerdes die mittlerweile sehr hohe Gewichtung des US-Aktienmarkts am Weltaktienindex in Höhe von etwa 70 Prozent. Dieser Wert betrug früher lediglich 50 bis 60 Prozent. Das könnte und sollte sich zukünftig wieder um ein paar Prozentpunkte reduzieren, meint Gerdes.
Politik ist auf lange Sicht irrelevant für die Börsen
Gerdes erinnert daran, dass der Blick zurück in die Kapitalmarkthistorie der letzten 150 Jahre zeigt, dass es für die Märkte meistens egal sei, ob es einen demokratischen oder republikanischen US-Präsidenten gab. In der langen Historie machte es keinen Unterschied. Gerdes merkt an: „Auch wenn es Trump vielleicht nicht gerne hören möchte: Es gibt stärkere Kräfte als er“. Gerdes führt exemplarisch den technologischen Fortschritt und innovative Kräfte wie beispielweise die Künstliche Intelligenz an.
Investoren brauchen daher Gelassenheit, sollen bei ihrer Strategie bleiben und können sich auf die Börsenregel verlassen: „Politische Börsen haben kurze Beine“. Auf kurze Sicht sei es Gerdes zufolge fraglich, ob die durch die Trump ausgelöste Euphorie an den Märkten mittelfristig andauern werde oder ob wieder Normalität Einzug hält.
Kurzfristige Investments gehen oftmals schief
Trotz einer langfristigen strategischen Asset Allokation könnten Anleger das Bedürfnis zu verspüren, davon aus taktischen Gründen temporär abweichen. Das erfordert laut Gerdes aber einen hohen Überzeugungsgrad, dass man als Anleger einerseits mit seinen Einschätzungen zu kurzfristigen Marktentwicklungen präzise die Marktrichtung errät und andererseits auch beim Timing richtig liegt. „Erfahrungsgemäß gehen aber solche Marktwetten oft schief und man handelt sich für sein Portfolio nur eine höhere Volatilität und unnötige Handelskosten ein“, warnt Gerdes. Eingedenk dessen greifen nur die wenigsten Institutionellen aufgrund kurzfristiger Überlegungen in die eigene Langfriststrategie ein.
„This time is different“ kommt meistens teuer
Investoren sollten Gerdes zufolge die wahrscheinlichsten teuerste Einschätzung respektive Überzeugung am Kapitalmarkt möglichst vermeiden. Diese lautet: „This time is different“ – „Dieses Mal ist alles anders“.
Dieser Spruch begleitet laut Gerdes fast alle Kapitalmarktkrisen. „Dabei ist es (fast) nie anders! Fast alle Alarme an den Kapitalmärkten waren in der Vergangenheit Fehlalarme. Zumindest in neun von zehn Fällen“, blickt Gerdes zurück.
Gerdes erinnerte im Interview an die späten Zehnerjahre mit den extrem niedrigen Zinsen, als die meisten Marktexperten ebenfalls sagten „Diese Mal ist alles anders“ und Anleihen mit fast keinen Zinskupons kauften, da sie ein sehr, sehr lang andauerndes Niedrigzinsniveau erwarteten. Doch dann stiegen die Zinsen ab 2022 stärker als vielfach erwartet und vor allem sehr lang laufende Anleihen erlitten starke Kursverluste. Beispielsweise die 100-jährige Anleihe von Österreich. Wieder einmal war es doch nicht anders....
Realzinsen noch immer sehr niedrig
Auf die Frage, wie es an der Zinsfront weitergehen könnte, erklärte Gerdes, dass dies schwierig zu prognostizieren sei. Falls aber die Zinsen erneut stark steigen sollten, würden die meisten Vermögenswerte leiden und eine Art Deflation erleben. „Im Falle stark steigender Zinsen könnte sich das Jahr 2022, in dem die „Mutter aller Zins-Crashes“ zu beobachten war, durchaus wiederholen. Dann könnten sowohl die Kurse von Anleihen, als auch von Aktien fallen“, warnt Gerdes.
Hinsichtlich der US-Zinsen glaubt Gerdes auf Sicht von vier bis fünf Jahren, dass die Zinsen eher steigen denn fallen werden. Das liegt an der noch immer hohen Inflation und den extrem niedrigen Realzinsen, die derzeit nahe null sind. Viele Anleiheninvestoren könnten zukünftig zur Inflationsabgeltung höhere (Real-)Zinsen fordern. Das gilt für die USA und insbesondere für Europa.
Gerdes erinnerte daran, dass auf sehr lange Sicht sich die Zinsen in die gleiche Richtung wie die Inflation entwickeln. „Da ich auf lange Sicht höhere Inflationsraten erwarte, werden höchstwahrscheinlich auch die Zinsen steigen. Vor diesem Hintergrund erachte ich das Zinssegment derzeit nicht als attraktiv.“
Vor diesem Hintergrund hat Gerdes in seinem Portfolio relativ wenig an festverzinslichen Wertpapieren und im Gegenzug eine relativ hohe Gewichtung von Eigenkapitalbeteiligungen wie Aktien, Private Equity oder Immobilien. (aa)
Dr. Wolfram Gerdes, moderiert am kommenden Institutional Money Kongress, der am 1. und 2. April 2025 im Frankfurter Congress Center stattfindet, ein "Gruppengespräch" zum Thema "Asien unter der Lupe". Ihm gegenüber sitzt Qian Zhang von Baillie Gifford, die alle Fragen von Gerdes und den anderen vier institutionellen Gruppengesprächsteilnehmern ausführlich beantworten wird.
Mehr Informationen und eine Anmeldemöglichkeit dazu finden Sie nachfolgend: