Winter am Halbleitermarkt: Wie lange werden die Umsätze noch fallen?
Momentan schrumpfen die weltweiten Halbleiter-Umsätze. Das Momentum war im Dezember 2022 immer noch negativ, die weltweiten Verkäufe fielen um 4,4 Prozent pro Monat, der stärkste Rückgang im aktuellen Abwärtszyklus seit Juni 2022. Wann wird die Rezession enden?
"Mehrere Entwicklungen deuten auf einen anhaltenden Abwärtszyklus hin – zumindest für die nächsten Quartale. Da der Absatz von Halbleitern stark mit dem Welthandel korreliert, gehen wir davon aus, dass die Nachfrage wieder anziehen wird, sobald sich die Aussichten für die globale Wirtschaft allmählich verbessern", sagen Jochen Möbert (links) und Hermann P. Rapp (rechts) von DB Research.
Die Halbleiterindustrie ist trotz ihres langfristigen Aufwärtstrends extrem zyklisch
Mit Bezug auf die Verkäufe von Halbleitern zeigen die Berechnungen von DB Research, dass die letzte Boomphase im Oktober 2019 begann und bis Mai 2022 andauerte. Dies war der längste Zyklus seit 2008. Während des aktuellen Abwärtszyklus verlangsamten sich die weltweiten Verkäufe im zweiten Halbjahr 2022 und fielen um zirka 16 Prozent von ihrem Höchststand ab. Die Dynamik im Dezember 2022 war immer noch negativ, da die weltweiten Verkäufe um 4,4 Prozent pro Monat zurückgingen. Das entspricht dem stärksten Rückgang im aktuellen Abwärtszyklus.
Globale Halbleiterumsätze: Abwärtszyklen
Quellen: Deutsche Bank Research, SIA
Wie lange wird die Rezession noch dauern?
Mehrere Entwicklungen deuten auf einen anhaltenden Abwärtszyklus hin –zumindest für die nächsten Quartale. Da die europäischen Volkswirtschaften mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert sind, sind die Umsätze seit April 2022 zurückgegangen, als der Covid-bedingte Nachfrageschub für Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) und damit verbundene Infrastrukturinvestitionen zu Ende ging.
Marktanteil Europas am weltweiten Halbleiterumsatz betrug 2022 jedoch nur 9,2 Prozent
Die USA bilden mit einem Marktanteil von 24,5 Prozent einen wesentlich größeren Markt. Es wird allgemein erwartet, dass die US-Wirtschaft insgesamt ab Mitte 2023 deutlich schwächer sein wird und sie im vierten Quartal 2023 schrumpft. "Dies lässt vermuten, dass die private Verbrauchernachfrage nach Computern und Smartphones in beiden Regionen zurückgehen wird. Auch die Industrienachfrage wird voraussichtlich stark betroffen sein. So hat sich beispielsweise die Nachfrage nach Cloud-Diensten verlangsamt, was dazu führt, dass die Aufträge für Cloud-Infrastrukturen von Unternehmen zurückgegangen sind", so die beiden Experten von DB Research.
Weiterer negativer Faktor für die weltweite Nachfrage sind geopolitische Spannungen Besonders betroffen sei der Halbleiterabsatz in China. Nach der Einführung von US-Exportkontrollen im Oktober 2022 sanken die Verkäufe im November und Dezember um insgesamt 10,9 Prozent. Bezogen auf den Höchststand im Dezember 2021 belaufe sich der Rückgang auf 26,4 Prozent. Zusammengenommen würden diese Faktoren wahrscheinlich Folgeeffekte in der gesamten Weltwirtschaft auslösen, vermuten Möbert und Rapp.
Globale Halbleiterumsätze: Aufwärtszyklen
Quellen: Deutsche Bank Research, SIA
Es gibt aber auch einige positive Impulse
Die Engpässe in der Lieferkette wurden weitgehend behoben – mit der Ausnahme von diskreten Bauteilen und Sensoren. Wir erwarten, dass auch diese Engpässe im Laufe des Jahres beseitigt werden. Ein weiterer positiver Effekt wird von der Wiedereröffnung Chinas nach seiner Null-Covid-Politik ausgehen. Sie dürfte den Absatz auf dem größten Halbleitermarkt mit einem Marktanteil von 31,7 Prozent ankurbeln. Der strukturelle Nachfrageschub, der sich durch die digitale Transformation ganzer Gesellschaften abzeichnet, wird nach Angaben der Semiconductor Industry Association (SIA) ein Treiber für steigende Umsätze in der Zukunft und voraussichtlich über das gesamte Jahrzehnt hinweg sein. Insbesondere die hohe Nachfrage nach Cloud Computing, Advanced Analytics, KI-Anwendungen, autonomen Systemen und Elektrofahrzeugen dürfte in naher Zukunft zu einer Trendwende bei den Umsätzen beitragen. Sie hat sogar das Potential, die Halbleiterproduktion in den kommenden Jahren zu beschleunigen. Aus wirtschaftlicher Sicht dürften auch die hohen Inflationsraten dazu beitragen, die nominalen Verkaufszahlen zu stabilisieren.
Schwierige Quantifizierung der verschiedenen positiven und negativen Auswirkungen
Der Halbleiterabsatz ist jedoch stark mit dem Welthandel korreliert. Möbert und Rapp unisono: "Es ist zu erwarten, dass die Nachfrage wieder zunehmen wird, sobald sich die Aussichten für die Weltwirtschaft allmählich verbessern. Während sich die US-Wirtschaft voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2024 erholen wird, dürfte das Wachstum im Euroraum und in Asien im ersten Halbjahr 2024 an Fahrt gewinnen. Dies könnte darauf hindeuten, dass Mitte 2024 ein neuer Halbleiterzyklus beginnen wird. Mit anderen Worten: Ein längerer Halbleiter-Winter ist damit unwahrscheinlich." (kb)