Willis Towers Watson Pensionskassentag 2022 erstmals wieder in Präsenz
Der WTW Pensionskassentag 2022 zeigt: Hochgradig volatile Märkte, ein Krieg und die hohe Teuerungsrate halten die Pensionskassen in Atem. Auch angesichts des anstehenden EIOPA-Stresstests, der eigenen Risikobeurteilung (ERB) und weiterer Regulatorik wird es den EbAV sicher nicht langweilig.
Seit der Corona-Krise erstmals wieder in Präsenz fand am 30. Juni der Pensionskassentag 2022 von Willis Towers Watson (WTW) statt. Nach der Begrüßung durch Managing Director Nikolaus Schmidt-Narischkin moderierte Volker Meusers, Head of Funding Vehicles, die WTW-Veranstaltung in Frankfurt.
Stimmungsbild der teilnehmenden Pensionskassen gemischt
Die Präsenz-Umfrage unter den Teilnehmenden gibt ein Stimmungsbild der Pensionskassen-Vertreter wieder.
Frage 1: Wie entwickelt sich Ihrer Meinung nach das Zinsniveau?
Gut die Hälfte der Teilnehmenden meint, dass das Zinsniveau deutlich steigen wird. Knapp zehn Prozent sind sich nicht sicher, und der Rest ist der Meinung, dass sich die Zinsen auf dem jetzigen Niveau stabilisieren werden.
Frage 2: Ist Ihr derzeitiger Gestaltungsspielraum ausreichend groß für ein Hoch-Inflations-Szenario?
Etwa die Hälfte der Teilnehmenden meint, dass ihre Pensionskasse über genügend Instrumente verfügt, um auf hohe Inflation reagieren zu können. Knapp 30 Prozent meinen, dass Inflation für ihre Pensionskasse nicht relevant ist, und gut ein Fünftel findet, dass der Handlungsspielraum seiner Pensionskasse zu klein ist, um die Einrichtung auf ein hohes Inflationsszenario einstellen zu können.
Frage 3: Braucht es ein eigenes VAG für EbaV?
Rund drei Viertel der Teilnehmenden bejaht diese Frage, und finden, dass die Besonderheiten der bAV eine eigenständige rechtliche Grundlage rechtfertigen. Lediglich ein Viertel meint, dass das jetzige VAG völlig angemessen ist.
Eigene Risikobeurteilung (ERB) beschäftigt Pensionskassen
Weiter ging es mit den regulatorischen Neuerungen. Günther Weißenfels, Leiter des Grundsatzreferats für EbAV bei der BaFin, berichtete über die aktuellen Entwicklungen bei Pensionskassen aus Sicht der Aufsichtsbehörde. Was die Kassen derzeit beschäftigt, ist die eigene Risikobeurteilung (ERB), die teilweise ein Äquivalent zum ORSA (Own Risk and Solvency Assessment) für Versicherungsunternehmen darstellt: Pensionskassen müssen sich mit den eigenen Risiken beschäftigen, sie benennen und beurteilen. Über eine ERB ist ein Bericht zu erstellen, der auch der BaFin vorzulegen ist. Weißenfels machte klar, dass die Aufsicht Wert darauf legt, dass die ERB von der jeweiligen Geschäftsführung aufgenommen wird. Die erkannten Risiken sollen angemessen gemanagt und in die Entscheidungsprozesse integriert werden.
Verbesserungshinweise seitens der BaFin an die Branche
Die erste Berichtswelle, bei der rund die Hälfte der EbAV in Deutschland ihren ERB-Bericht bei der BaFin eingereicht hatte, wurde von der Aufsicht zwischenzeitlich analysiert. In nahezu allen Fällen hat die BaFin Verbesserungshinweise gegeben. „Wir wollen, dass hier eine Entwicklung stattfindet, dass sich die Berichterstattung in der Anlaufphase kontinuierlich verbessert“, mahnt Weißenfels an.
EIOPA EbAV Stresstest
Nachdem der EIOPA-Stresstest für EbAV zuletzt 2019 stattfand, ist 2022 wieder ein Stresstest-Jahr. Während es 2019 in erster Linie um die Asset-Liability-(ALM)-Konzepte ging, handelt es sich dieses Jahr um einen Klima-Stresstest, an dem insgesamt 21 EbAV teilgenommen haben. Die Teilnehmer wurden Anfang des Jahres informiert. Die von den EbAV eingereichten Ergebnisse werden derzeit ausgewertet.
Kostenbestandsaufnahme
Weißenfels stimmte die Teilnehmer auch darauf ein, dass die BaFin in Deutschland erstmals eine nationale Bestandsaufnahme zu den Kosten und Gebühren bei EbAV durchführen wird. Ein regelmäßiges Kostenberichtswesen gibt es bisher nur in einigen EU-Ländern, beispielsweise den Niederlanden und Italien. Allerdings erscheine es sinnvoll, mit dem Start dieser Erhebung zu warten, bis die Fonds-Industrie die PRIIPS-Verordnung umgesetzt hat und die EbAVs mit den entsprechenden Zahlen versorgen kann. Basis ist die EIOPA-Opinion zu „Costs and Charges“, die zwar keinen Rechtscharakter hat, aber klar macht, wo die Reise hingehen soll. Besonders herausfordernd dürfte die Ermittlung aller Kapitalanlagekosten und aller Transaktionskosten sein.
Anzeigenverordnung
Weitergehen wird es auch mit der VAG-Anzeigevorordnung zu Ausgliederungen. „Dieses Jahr wird dazu etwas kommen“, kündigte Weißenfels an. Ziel der systematischeren Erfassung sei es unter anderem sicherzustellen, dass die BaFin im Falle von IT-Vorfällen schnell die betroffenen (Sub-) Dienstleister kontaktieren kann.
Steigende Zinsen
Wie die EbAV mit den steigenden Zinsen zurechtkommen, muss sich noch zeigen. Von den rund 30 Milliarden Euro an stillen Reserven, die sie aufgebaut hätten, sei in den letzten Monaten bereits die Hälfte abgeschmolzen, gab Weißenfels zu bedenken. Zinsinduzierte Unterdeckungen zu Zeitwerten im Sicherungsvermögen würden jedoch von der BaFin akzeptiert, wenn die Unternehmen die Papiere bis zur Endfälligkeit halten können und wollen. Abschreibungen alleine aufgrund des Zinsanstiegs seien nach Kenntnis der Aufsicht nicht erforderlich. „Diese Frage müssen die Unternehmen aber mit ihrem Wirtschaftsprüfer klären“, so Weißenfels. Aufgrund der bisherigen Kapitalmarktentwicklung im Jahr 2022 sei davon auszugehen, dass einige Szenarien aus dem Stresstest 2021 sich bereits realisiert hätten. Bei Fortdauer der Entwicklung drohe Ende 2022 eventuell ein BaFin-Stresstest auf die ohnehin gestresste Bilanz. Die Zahl der Unternehmen, die im Stresstest Schwierigkeiten bekomme, könne dann ansteigen. „Natürlich ist das Bestehen des Stresstests und damit eine ausreichende Risikotragfähigkeit sehr wichtig“, stellte Weißenfels klar. Probleme im Stresstest bedeuteten aber nicht sofortige Maßnahmen durch die BaFin. Die Situation werde mit dem Unternehmen analysiert und das weitere Vorgehen abgestimmt.
Kleine Pensionskassen
„Für kleinere Pensionskassen wird es vermutlich schwierig den in den letzten Jahren nicht nur an den Kapitalmärkten gestiegenen Anforderungen zu begegnen“, so Weißenfels. Dabei verwies der Aufseher auf den Konsolidierungsprozess in Deutschland, der bereits mit Auflösungen einiger Pensionskassen und entsprechenden Bestandsübertragungen im Gange sei. Dieses Jahr würden vermutlich fünf weitere Pensionskassen aufgelöst. „Sollte auch Ihre Kasse in diese Situation kommen, sprechen Sie Ihren Aufseher oder auch mich an“, empfahl Weißenfels den Unternehmen. Die BaFin begleite Auflösungsvorhaben eng und stelle auch Kontakt zu aufnahmewilligen anderen Pensionskassen her. „Beim derzeitigen Zinsniveau lässt sich jedoch nicht vermeiden, dass gegebenenfalls noch negative Kaufpreise für die Bestände nötig werden“, schätzte Weißenfels die Lage ein.
Niederlande: Der Trend geht Richtung DC
Im Anschluss an den regulatorischen Ausblick berichtete Wichert Hoekert, WTW-Experte zu Pensionen in den Niederlanden, über die anstehende Pensionsreform in den Niederlanden. Obwohl die Niederlande über ein sehr reifes Pensionssystem verfügen, wird es hier in den nächsten Jahren zu einem massiven Transformationsprozess kommen. Die Transformation führt weg vom derzeitigen DB-System mit Garantien zu einem reinen DC-System, das auch in bestehende Verträge eingreifen wird.
Der Systemwechsel soll den Interessen aller Mitglieder zugutekommen und insbesondere für mehr Generationengerechtigkeit sorgen. „Der Transformationsprozess wird komplex, aber wir hoffen, dass das neue System dann weniger Komplexität aufweisen wird und insgesamt flexibler und transparenter ist“, meint Hoekert. Der niederländische Gesetzgeber diskutiere aktuell mit allen Beteiligten, darunter auch mit den Gewerkschaften, über die genaue Ausgestaltung der Übergangs- und Transformations-Regelungen.
Angesichts des anstehenden System-Wechsels kommt es derzeit auch in den Niederlanden zu einer Konsolidierung unter den Pensionskassen, da insbesondere die kleineren den Systemwechsel nicht mehr aktiv mitmachen wollen. Mit den „General Pension Fund“ stehen in den Niederlanden große Konsolidierer bereit.
Besprechung einiger Praxis-Beispiele
Im Anschluss an diesen Ausblick ins Nachbarland berichteten bei der Veranstaltung einige Pensionskassen über Beispiele aus ihrer Praxis. Sabine Mahnert, Abteilungsleiterin Kapitalanlagen bei der Evangelischen Zusatzversorgungskasse, brachte ein Praxisbeispiel zur Nutzung von Wertsicherungskonzepten. Kamil Sander, Abteilungsleiter Risikomanagement bei der SOKA-Bau, berichtete über das Zusammenspiel von Risikomanagement und Asset-Liability-Management bei seiner Kasse.
Dr. René Zimmermann, Director Retirement bei WTW, sprach dann mit den Teilnehmern über ihre Erfahrungen zur Eigenen Risikobeurteilung. Nach einer kurzen Zusammenfassung der Ergebnisse verabschiedete Volker Meusers die Teilnehmer. (ad)