Was Investment Professionals von der EZB-Politik erwarten
Spät, aber nun endlich bewegt sie sich doch. Die EZB weicht mit den kürzlich erfolgten Zinserhöhungen von dem noch Ende letzten Jahres kommunizierten Kurs ab. In der DVFA Monatsfrage wurden die Investment Professionals nach ihrer Einschätzung bezüglich der weiteren Vorgehensweise der EZB gefragt.

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Außerdem wollte der Berufsverband DVFA von seinen Mitgliedern wissen, welche Erfolgsaussichten den Handlungen der Zentralbank mit Blick auf die Preisstabilität eingeräumt werden. „Für einen Großteil der DVFA Investment Professionals war es höchste Zeit, dass sich die EZB bewegt und den Leitzins anhebt. Zudem fordert eine deutliche Mehrheit additiv eine Bilanzverkürzung der Notenbank, um die Inflation zu bremsen“, fasst Ingo Mainert, stellvertretender DVFA-Vorstandsvorsitzender, die Ergebnisse zusammen.
Neutraler Leitzins wird bei zwei bis drei Prozent gesehen
Gefragt nach der Höhe des sogenannten „neutralen Leitzinses“ – desjenigen Zinsniveaus also, bei dem die Euroland-Wirtschaft weder stimuliert noch gebremst wird – schätzt ihn annähernd die Hälfte (47 Prozent) der Befragten bei zwei bis drei Prozent. 28 Prozent sehen ihn über 3,0 und 23 Prozent zwischen ein und zwei Prozent.
Terminal Rate muss über dem neutralen Leitzins liegen
Die Terminal Rate – der Zinshöhepunkt in einem geldpolitischen Zyklus – muss nach Meinung der überwiegenden Mehrheit der DVFA Investment Professionals diesmal über (53 Prozent) oder sogar deutlich über (18 Prozent) dem neutralen Zins liegen. 25 Prozent sehen sie auf der Höhe des neutralen Zinses.
Quantitative Tightening wird gefordert
Quantitative Tightening oder Quantitative Straffung ist ein geldpolitisches Instrument der Zentralbanken. Dabei verkürzt die Notenbank die eigene Bilanz und verringert so die Liquidität in der Wirtschaft. Auf die Frage, ob die EZB ähnlich wie Fed und BoE dieses Instrument einsetzen solle, stimmt die überwältigende Mehrheit (63 Prozent) mit ja. 16 Prozent sagen nein, und 21 Prozent wollen sich bei dieser Frage nicht festlegen.
Wann wird die EZB ihren restriktiven Kurs wohl beenden?
Die relative Mehrheit von 43 Prozent meint, dass man das heute nicht sagen kann. 21 Prozent glauben, dass dies im kommenden Sommer der Fall sein wird, 23 Prozent vermuten im Winterhalbjahr 2023/24 und 13 Prozent im Jahresverlauf 2024.
Nachhaltige Preisstabilität um zwei Prozent bis 2025? „Klares“ Jein.
Uneins sind sich die DVFA Investment Professionals bei der Frage, ob wir in Euroland bis 2025 wieder eine nachhaltige Preisstabilität um 2,0 Prozent haben werden können. 32 Prozent sagen ja, 33 Prozent nein und 35 Prozent geben an, eine Vorhersage hierüber ließe sich heute noch nicht machen.
Welcher Leitzins würde die Inflation wieder in den Zielbereich bringen?
Bei dieser Frage konnten die Antworten frei gewählt werden. 52 % halten einen Leitzins von 4,0 Prozent und mehr für notwendig. Der Bereich der genannten Spitzenwerte ging von 7,0 bis 10,0 Prozent.
Vorausschauende Geldpolitik vermisst
Die letzte Frage zielte auf die eigentlich gut untersuchten Wirkungsverzögerungen der Geldpolitik. Wird dieser Sachverhalt von Seiten der EZB richtig eingeschätzt? 73 Prozent beantworten diese Frage mit nein. „Ein aktuell wenig diskutiertes Thema sind die klassischen Verzögerungseffekte der Geldpolitik. Grundsätzlich wirken die Instrumente erst vier bis sechs Quartale später“, so Mainert, „was übrigens in den 1970er Jahren zu dem Einsatz von Zwischenzielen wie Geldmengen geführt hat“. Das Inflation Targeting der letzten Jahre beinhaltet ein permanentes Hinterherlaufen und damit eine grundsätzlich höhere Volatilität bei Wirtschafts- und Marktvariablen. „Geldpolitik muss vorausschauend agieren – das war in der mittleren Vergangenheit immer weniger der Fall gewesen“, konstatiert DVFA-Vorstand Ingo Mainert. (kb)