Was die DVFA Investment Professionals zur Geldpolitik sagen
Ihre aktuellen Einschätzungen zur Geldpolitik äußerten die DVFA Mitglieder im Rahmen der jüngsten Umfrage. Hintergrund waren die für den Jahresverlauf durchweg klar auf „Expansion“ gerichteten Erwartungen, die bereits mehrfache und in Summe deutliche Leitzinssenkungen der Fed und EZB antizipieren.
Ingo R. Mainert, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der DVFA, erläutert: „Hauptziel der Fed und der EZB ist nach wie vor die Wiederherstellung der angestrebten Preisniveaustabilität. Rund drei Viertel unserer Umfrageteilnehmer halten die bisherigen Schritte der Fed für ausreichend restriktiv. Für die Geldpolitik der EZB sehen das nur 58 Prozent so. Umgekehrt hält jeder Dritte der Befragten die EZB für unzureichend restriktiv, die Fed nur jeder Sechste. Insgesamt wird die Politik der Fed somit als robuster und weniger zögerlich als die der EZB eingestuft. Und die Erwartungen der Befragten zur zeitlichen Reihenfolge sind klar: 86 Prozent sagen, dass die Fed 2024 mit Zinssenkungen starten und die EZB in deren Kielwasser fahren wird.“
Leitzinsen: Prognosen zum Jahresende 2024 für Fed und EZB
Wie schwierig Zinsprognosen in Zeiten erhöhter geopolitischer und wirtschaftlicher Risiken sind, haben die letzten Jahre sehr deutlich gezeigt. Dennoch sind gesamtwirtschaftliche Prognosen wichtige Entscheidungshilfen für institutionelle Marktteilnehmer, Sparer, Kreditnehmer und nicht zuletzt für Politiker. Befragt nach ihren Leitzinserwartungen für das Jahresende 2024, halten immerhin 42 Prozent für am wahrscheinlichsten, dass die Fed bis dahin die Leitzins-Obergrenze um mindestens 100 Basispunkte senken wird. Für die EZB erwarten das nur 15 Prozent, dagegen sehen 70 Prozent den EZB-Einlagensatz am Jahresende zwischen 3,25 und 3,75 Prozent.
Quelle: DVFA e. V.
Bilanzsummen der Zentralbanken: Konterkariert Schrumpfung bald die Zinssenkungspolitik?
Nach den gewaltigen Anleihekäufen der beiden großen Zentralbanken (Quantitative Easing, QE) stehen diese vor der Frage, in welchem Tempo und auf welche Weise sie ihre Bilanzsummen wieder reduzieren sollen oder können. Denn mit QE wurden auch die Kapitalmarktzinsen lange Zeit künstlich gesenkt. Wenn die Notenbanken jetzt nicht nur fällige Anleihen in ihrem Portfolio nicht mehr ersetzen, sondern zusätzlich Bestände aktiv in die Märkte zurückgeben (Quantitative Tightening, QT), würde die damit einhergehende Liquiditätsverknappung die erwartete Zinssenkungspolitik also möglicherweise behindern. Dennoch erwarten fast zwei von drei Befragten (63 Prozent), dass die Bilanzen von Fed und EZB weiterhin schrumpfen werden. Jeder Zehnte erwartet das dagegen nicht, unentschieden äußerten sich 27 Prozent.
Trennung von Zinssenkungen und Liquiditätsverknappung: zumindest kurzfristig sinnvoll
Trotz der skizzierten Gefahr inkonsistenter Geldpolitik halten 31 Prozent der Teilnehmer eine Trennung von Zinssenkungen und Liquiditätsverknappung (QT) für sinnvoll und effizient, immerhin 26 Prozent sprechen sich dagegen aus. Für 17 Prozent ist das zumindest kurzfristig nötig. Mehr als jeder Vierte findet aber, es sei derzeit noch zu früh für eine Beurteilung.
Drohende Notenbankverluste: technisch kein Problem, aber reputationsgefährdend
Als Folge der Anleihekäufe und der stark angehobenen Leitzinsen drohen einigen Zentralbanken nun Jahre mit erhöhtem Zinsaufwand sowie geringeren Gewinnen oder sogar Verlusten, die zu Rücklagenauflösung und Eigenkapitalaufzehrung führen können. Für die Kapitalmärkte sehen 71 Prozent der befragten Investment Professionals allerdings selbst in einem negativen Eigenkapitalkonto der Zentralbank kein Problem.
Ingo R. Mainert stellt dazu fest: „Sollten die Notenbanken als Folge der enormen Anleihekäufe und den daraus entstehenden Zinsaufwendungen Verluste machen, die ihre Rücklagen respektive das Eigenkapital übersteigen, können sie dennoch nachhaltig operieren. Nur im Fall anhaltender Verluste und gleichzeitiger mehrfacher Verfehlung ihres Hauptziels Preisstabilität könnte für die Währungshüter ein Reputations- und Vertrauensproblem entstehen – Vertrauen kommt bekanntlich zu Fuß und geht zu Pferde.“ (kb)