Vom Nischenprodukt zum Trendinvestment: Gesundheitsimmobilien
Belgreen Capital hat sich als banken- und konzernunabhängiger Real Estate Investment Manager auf Sozial- und Healthcare-Immobilien spezialisiert. Der Gesundheitsimmobilie sagen die Hamburger Experten eine für institutionelle Investoren lukrative Zukunft voraus.

Die Themen Gesundheit und Vorsorge begleiten den Menschen sein Leben lang. Insofern kann es kaum verwundern, dass aktienorientierte Anleger sich bereits seit Jahren mit dem Segment beschäftigen. Bei Aktienanlagen sind gesundheitsbasierte Titel bereits in fast allen Wertpapierdepots vertreten, und werden insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt von ESG-Anforderungen beleuchtet. Anders bei Gesundheitsimmobilien, denn sie fristen bisher eher ein Nischendasein. Zu Unrecht, wie Margret Schulenburg und Joseph H. Schrull III, beide in der Geschäftsführung des Real Estate Investment Managers Belgreen Capital, im Gespräch erläutern.
Warum macht es aus Ihrer Sicht für institutionelle Investoren durchaus Sinn, ein Investment wie Gesundheitsimmobilien ins Auge zu fassen?
Margret Schulenburg: Weil gerade Investments in Gesundheitsimmobilien auf dem Weg sind von einer Nischenanlage zu einem echten Trendinvestment zu entwickeln. Wenn man sich bewusst macht, dass bereits 2018 rund 5,7 Millionen Beschäftigte im Gesundheitswesen tätig waren, liegt es nahe, sich mit Gesundheitsimmobilien im weitesten Sinne zu beschäftigen. Zumal die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen aufgrund der demographischen Entwicklung langfristig noch steigen wird. Nach der OECD Studie "Health at a Glance 2019" werden bis 2030 die OECD-Länder im Schnitt voraussichtlich rund 10,2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Gesundheitskosten aufwenden, 1,4 Prozentpunkte mehr als bisher. Damit wachsen die Gesundheitsausgaben schneller als die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der OECD-Länder.
Sie gehen sogar davon aus, dass sich Healthcare-Immobilien immer mehr zu so etwas wie einem "sicheren Hafen” im Portfolio entwickeln. Warum?
Joseph H. Schrull III: In Deutschland stellen rund 172.000 Ärzte und Psychotherapeuten die ambulante vertragsärztliche Versorgung sicher. Hinzu kommen weitere 2.000 Krankenhäuser, rund 1.200 stationäre Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen für die stationäre Versorgung sowie weitere rund 14.480 Pflegeeinrichtungen. Sie alle nutzen eine Healthcare-Immobilie, um die Bevölkerung mit Gesundheitsdienstleistungen zu versorgen. All diesen Immobilien ist gemeinsam, dass in der Regel sehr lange Mietvertragslaufzeiten von bis zu 20 Jahren, teilweise mit diversen Verlängerungsoptionen, abgeschlossen werden. Für die Mieter sind diese Immobilien meist Bestandteil des jeweiligen Geschäftsmodells, so dass es generell kaum Standortwechsel gibt. In einem auf Langfristigkeit ausgerichteten Portfolio kommt ihnen damit im Prinzip der Status eines "sicheren Hafens" zu.
Womit lässt sich eine Spezialität wie eine Gesundheitsimmobilie denn am besten vergleichen?
Schulenburg: Unter Investmentgesichtspunkten handelt es sich um Immobilien, die oft den klassischen Büro- oder Wohnimmobilien nahekommen, so dass im Hinblick auf das Gebäude an sich die üblichen Kriterien zum Tragen kommen. Ausnahmen bestehen lediglich für Spezialimmobilien wie Krankenhäuser und Pflegeheime, wenngleich auch bei Kliniken im Hinblick auf die Spezialisierung zu differenzieren ist. So sind beispielsweise die baulichen Anforderungen an eine psychosomatische Klinik deutlich niedriger, als bei einer vollumfänglichen Ambulanz. Ärztehäuser zum Beispiel sind Büroinvestments recht ähnlich was die Gebäudevoraussetzungen angeht. Darüber hinaus profitieren Ärzte verschiedener Fachrichtungen unter einem Dach von Synergieeffekten und einer deutlich besseren Wahrnehmbarkeit der Praxis innerhalb eines Gesundheitszentrums, das teilweise um weitere Dienstleister aus dem Gesundheitsbereich wie Apotheken, Sanitätshäuser, Optiker oder Hörgeräteakustiker ergänzt wird.
Schrull: Beim Seniorenwohnen wiederum kristallisieren sich aus dem wachsenden Bedarf jenseits der bekannten rund 14.480 Pflegeheime neue Wohnformen heraus. Eine starke und auch politisch gewollte Entwicklung ist, dass es Menschen ermöglicht wird, in den eigenen vier Wänden zu leben und größtmögliche Selbständigkeit zu bewahren. Große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem "betreuten Wohnen" zu, bei dem die Bewohner vollkommen autark im eigenen Apartment leben, aber über eine angegliederte Tagespflege oder ambulante Versorgung den Bedürfnissen entsprechend jederzeit Unterstützung erhalten können.
Was sind aus Ihrer Sicht dabei die wesentlichen Erfolgsfaktoren für eine Investition in Gesundheitsimmobilien?
Schulenburg: Eine wesentliche Voraussetzung ist zunächst ein Investment Manager, der fundierte Erfahrung mit den Besonderheiten der verschiedenen Gesundheitsimmobilien hat und sich auch mit dem Betreibermarkt und den regulatorischen Voraussetzungen gut auskennt. Sollte ein Betreiber trotz zunächst guter Bonität und geleisteter Sicherheiten einmal schwächeln, muss gleich Plan B auf dem Tisch liegen und ein alternativer Betreiber parat stehen. Dafür ist ein gewachsenes und belastbares Netzwerk erforderlich, nicht zuletzt auch für die Akquisition neuer Projekte im Bereich der Gesundheitsimmobilien, um einen werthaltigen Bestand aufzubauen. Wichtig ist zudem, unabhängig von den regelmäßig sehr langen Mietvertragslaufzeiten, in Bezug auf Lage und Gebäude auch auf eine Drittverwendungsfähigkeit zu achten. Ärztehäuser können meistens problemlos auch als Büros genutzt werden, Seniorenimmobilien oftmals auch als normale Wohnimmobilien.
Und welche Standorte sollte ein Investor bevorzugen?
Schrull: Aufgrund der hierzulande vorherrschenden dezentralen Versorgungsstrukturen — in Deutschland lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung beziehungseise über 40 Millionen Bürger in Mittel- und Kleinstädten unter 100.000 Einwohnern – stehen zentrale Lagen an regionalen Standorten jenseits der Top-7-Städte im Fokus. Eine gründliche Bedarfsanalyse identifiziert die Standorte mit langfristiger Nachfrage. Dabei ist die Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Kommunen von besonderer Bedeutung, da hier die Verpflichtung zur Gewährleistung der Daseinsvorsorge liegt. Das beginnt bereits bei der Frage, welche Flächen für eine Nutzung im Healthcare-Bereich ausgewiesen werden und wie eine frühzeitige Einbeziehung in den Genehmigungsprozess vonstatten gehen kann.
Was können Healthcare Immobilien im Hinblick auf das inzwischen ominpräsente Thema Nachhaltigkeit im institutionellen Portfolio leisten?
Schulenburg: Grundsätzlich benötigen institutionelle Anleger natürlich eine auskömmliche Rendite. Dabei sind spekulative Überlegungen bei Gesundheitsimmobilien nicht angebracht, da die langen Vertragslaufzeiten in der Regel über Indexierungsklauseln lediglich einen Wertausgleich vorsehen. Der Gedanke, mit den zu investierenden Mitteln zugleich einen Impact zu leisten, also die Wirksamkeit im Hinblick auf soziale und ökologische Aspekte in die Investitionsentscheidung mit einzubeziehen, lässt sich mit Healthcare-Immobilien hingegen gut umsetzen. Insofern geht es hier um einen doppelten Nutzen, da der Investor von einer werthaltigen Immobilienanlage und die Allgemeinheit von einer Investition in die Daseinsvorsorge profitiert.
Schrull: Zudem wird der wachsende Bedarf an seniorengerechten Wohnformen in den nächsten Jahrzehnten aufgrund der demographischen Entwicklung weiter steigen. Nach Schätzung des Statistischen Bundesamts steigt die Zahl der über 67-jährigen Menschen von 16,2 Millionen im Jahr 2020 auf 21 Millionen bis 2060. Bereits heute gibt es Regionen in Deutschland, wo akuter Mangel herrscht. Gleiches gilt für die Versorgung durch Fachärzte. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat eine Abnahme von rund 6.350 Ärztinnen und Ärzten bis 2030 prognostiziert. Gleichzeitig entstehen zunehmend sogenannte MPOS — Medical Points of Sale —, um den Verlust an medizinischem Fachpersonal zu kompensieren. Insofern kann die Investition in Gesundheitsimmobilien in erster Linie einen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung leisten und damit einer Vergrößerung der Versorgungslücke vorbeugen.
Inwiefern können ESG-Aspekte denn schon in der Planungsphase berücksichtigt werden?
Schulenburg: Ökologische Aspekte des Bauens können natürlich insbesondere bei frühzeitigem Einstieg in Neubauprojekte noch berücksichtigt werden. Hierfür stehen teilweise sogar Fördermittel zur Verfügung, die eine Investition in klimaschonende Technologien wirtschaftlich machen. Nicht nur deshalb zahlt sich eine Investition in Nachhaltigkeit auf lange Sicht aus, auch die Vorbereitung auf die EU-Klimaziele 2050 muss bereits jetzt beginnen. Von daher können langfristige und auf das Gemeinwohl bedachte Investoren einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, indem sie ökologische und soziale Ziele in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen.
Wir bedanken uns für das Gespräch. (hh)