Umfrage unter Top-Ökonomen: Das könnte die EZB liefern
Eine Umfrage von Bloomberg unter Volkswirten zeigt, welche Erwartungshaltung betreffend die weitere Zinspolitik im Euroraum besteht. Im Ergebnis können Investoren mit zwei Zinssenkungen in den nächsten Wochen und Monaten rechnen.
Laut einer Bloomberg-Umfrage unter Ökonomen werden die Währungshüter der Europäische Zentralbank die Zinsen wahrscheinlich noch zweimal senken, sich dabei aber letztlich von den Entscheidungen des US-Präsidenten Donald Trump leiten lassen.
Die Befragten erwarten laut einem Bloomberg-Bericht aufeinanderfolgende Senkungen um einen Viertelpunkt im April und Juni, bevor der Einlagensatz dann mindestens bis Ende 2026 bei 2,0 Prozent verharrt. Sie weisen darauf hin, dass die US-Politik erhebliche Risiken birgt und das Wirtschaftswachstum im Euroraum zu untergraben droht.
Sie machen dafür vor allem den unberechenbaren Versuch des US-Präsidenten verantwortlich, die Weltordnung neu zu gestalten. Sein Handelskrieg hat Unruhe in die Finanzmärkte gebracht, die Angst vor einem großen wirtschaftlichen Zusammenbruch geschürt und die internationalen Entscheidungsträger ratlos zurückgelassen.
“Die Geldpolitik wird jetzt von Trump bestimmt“, sagte Arne Petimezas, Analyst bei AFS Interest in Amsterdam. “Die EZB wird vergeblich auf mehr Klarheit bei den Zöllen warten.“
Viele Faktoren sind zu berücksichtigen
Aktuell haben es die Währungshüter mit einem brüchigen Waffenstillstand zu tun, nachdem Trump die meisten seiner vergangene Woche angekündigten Zölle für 90 Tage ausgesetzt hat, um Zeit für Verhandlungen zu gewinnen, und die Europäische Union ihre Gegenmaßnahmen auf Eis gelegt hat. Unterdessen hat sich die Pattsituation mit China weiter zugespitzt.
Die größte Herausforderung für die EZB in dieser Situation besteht laut Alastair Winter von Argyll Europe darin, “den Anschein zu erwecken, als wüssten sie, was angesichts von Trumps Launen zu tun ist.“
“Die EZB sieht sich mit einer radikal anderen Welt konfrontiert als bei ihrer letzten Sitzung, da die US-Zölle Realität werden und die Geldpolitik für den Euroraum sich anpassen muss. Wir gehen davon aus, dass der EZB-Rat auf seiner Sitzung am 17. April die Zinssätze erneut um 25 Basispunkte senken wird und im Verlauf des Jahres weitere Zinssenkungen folgen werden", sagt David Powell, Senior Euro-Area Economist bei Bloomberg Economics.
Was die bevorstehende EZB-Sitzung betrifft, so hat Trumps Handelskrieg den Währungshütern die Entscheidung wahrscheinlich sehr erleichtert, so Andrzej Szczepaniak von Nomura.
Aus einem Protokoll ihrer letzten Sitzung geht hervor, dass sie entweder für eine Pause im April oder für eine weitere Zinssenkung offen sind, wobei es auf beiden Seiten starke Überzeugungen gibt. Angesichts des durch Trumps Maßnahmen ausgelösten Ausverkaufs an den Märkten - der Stoxx Europe 600 Index ist seit der Einführung der globalen Zölle um etwa acht Prozent gefallen - hat sich die Dynamik für eine Senkung verstärkt.
“Die EZB-Entscheidung vom April hat Trump getroffen“, sagte Szczepaniak. “Die Frage ist nun, ob die EZB ihre Zinsen unter den neutralen Wert senken muss, um die Wirtschaft zu stützen.“
Zinserwartungen unter der Lupe
Die Mehrheit der Umfrageteilnehmer sieht die Zinssätze bis zum dritten Quartal im akkommodierenden Bereich. Während genau die Hälfte der Befragten den Wert, der das Wachstum weder bremst noch anregt, bei 2,0 Prozent ansetzt, gehen fast ebenso viele Ökonomen davon aus, dass er höher liegt.
Ein Rückgang unter das sogenannte neutrale Niveau könnte die Wirtschaft der Eurozone unterstützen. Ökonomen sehen für dieses und das nächste Jahr Abwärtsrisiken für das Wachstum, bevor höhere Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben, insbesondere in Deutschland, die Nachfrage spürbar stützen.
Weniger eindeutig ist die Einschätzung, ob die Inflation wie prognostiziert weiter sinken wird. Die Befragten sind sich gleichermaßen uneinig, ob ein Über- oder Unterschreiten des Ziels nun das größere Risiko darstellt.
“Die Konjunkturaussichten bleiben so unsicher, dass nur ein sehr vorsichtiger Ansatz möglich ist - ohne sich im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad festzulegen“, sagte Ulrike Kastens, Volkswirtin Europa bei der DWS. (aa)
Mehrere Risiken beschäftigen die Volkswirte