Logo von Institutional Money
| Märkte

Überraschung: Clean-Tech-Aktien feiern wieder "Glory Days"

Ein spektakulärer Kursaufschwung bei Clean-Tech-Aktien lässt Anleger in der grünen Wirtschaft hoffen, endlich die Phase jahrelanger Underperformance hinter sich lassen zu können. Dahinter stehen mehrere Faktoren, die für Rückenwind sorgen. Einige Marktteilnehmer sehen jedoch eine Blase.

Bei vielen Green-Tech-Aktien ist wieder Partystimmung. 
Bei vielen Green-Tech-Aktien ist wieder Partystimmung. © Michael / stock.adobe.com

Nicht nur die Rally, sondern auch deren Zeitpunkt kommt für viele Marktteilnehmer wohl überraschend: Obwohl Präsident Donald Trump zahlreiche US-Regierungsprogramme zur Förderung von Wind-, Solar- und Elektromobilität gestrichen hat, zählen grüne Aktien in diesem Jahr zu den lukrativsten Investments. Die Titel übertreffen die meisten anderen Börsenindizes deutlich. Der S&P-Hauptindex für saubere Energie verzeichnet in diesem Jahr ein Plus von rund 50 Prozent, während der MSCI World Index weniger als 20 Prozent zulegte. Das berichtet Bloomberg News mit Verweis auf nachfolgende Grafik:

Performance-Vergleich

"Glory Days"
Ein wesentlicher Treiber ist laut Bloomberg der nahezu unstillbare Energiehunger der Rechenzentren, die Künstliche Intelligenz speisen. Hinzu kommt Chinas unermüdlicher Ausbau seiner CO?-armen Wirtschaft. Diese Faktoren überwiegen bei Investoren Trumps Attacken auf das, was dieser gern als “grünen Betrug” bezeichnet.

Analysten von Jefferies riefen nun die “glorreichen Tage” für grüne Investoren aus und widmeten der Entwicklung sogar eine eigene Kundenveranstaltung.

Aniket Shah, globaler Leiter für Nachhaltigkeit und Transformationsstrategie bei Jefferies, sagt, Investoren in den USA hätten sich zu sehr von Trumps antigrüner Rhetorik ablenken lassen. Stattdessen sollten sie das globale Kapital sehen, das in saubere Technologien fließt: Das im vergangenen Jahr für CO?-arme Projekte aufgebrachte Volumen von etwa 2,0 Billionen Dollar (1,74 Billionen Euro) sei eine “verrückte Zahl” und Beleg dafür, dass die grüne Wirtschaft “einen wunderbaren Moment” erlebe.

Shah verweist auf zahlreiche Faktoren, darunter den rasanten Aufstieg von Chinas grüner Wirtschaft und die Exporte sauberer Technologien in Schwellenländer. Auch die sogenannten Hyperscaler, die KI antreiben - namentlich Amazon, Microsoft und Alphabet - seien “ganz klar eine Nachhaltigkeitsgeschichte”.

Euphorie und Ironie
Gleichzeitig entbehrt die neue Euphorie unter grünen Investoren nicht einer gewissen Ironie. Laut BloombergNEF dürfte sich der Strombedarf durch KI innerhalb eines Jahrzehnts vervierfachen. Erneuerbare Energien werden dabei zwar eine zentrale Rolle spielen, doch auch fossile Brennstoffe bleiben ein wichtiger Teil des Energiemixes - mit entsprechend höheren Emissionen.

Während sich die Staats- und Regierungschefs der Welt auf den Klimagipfel COP30 in Brasilien vorbereiten, betont Shah, dass es wichtig sei, anzuerkennen, dass der Planet trotz des diesjährigen grünen Comebacks nicht nur die kritische Temperaturschwelle von 1,5 °C, sondern auch die von 2 °C verfehlen wird. “Man muss beide Aspekte gleichzeitig im Blick behalten”, sagte er.

Emissionen unter der Lupe

Sorge for Spekulationsblase
Doch nicht alle Investoren glauben Bloomberg zufolge an die Stabilität der Rally. Einige fürchten, dass sie zu stark mit dem KI-Boom verknüpft ist - und dort droht laut Kritikern eine Spekulationsblase.

Tim Bachmann, Klima-Tech-Portfoliomanager bei der DWS, dem Fondsmanager der Deutschen Bank, mahnt zur Vorsicht: Man müsse mit einem weiteren “Deepseek-Moment” rechnen. Damit spielt er auf das chinesische Start-up an, das mit einer energiesparenden KI-Version weltweit für Aufsehen sorgte.

Die Erkenntnis, dass KI mit deutlich weniger Energie betrieben werden kann als in den USA angenommen, sei “ein Schock für Betreiber von Rechenzentren und deren Zulieferer für Kühlung, Belüftung, Kabel und Transformatoren gewesen”, so Bachmann.

Alex Monk, Portfoliomanager im Global-Resource-Team von Schroders, sagt, das Segment der alternativen Energien werde bei einer geplatzten KI-Blase wohl ebenfalls unter Druck geraten.

Deirdre Cooper, Leiterin nachhaltige Aktien bei Ninety One, erklärt, der anglo-südafrikanische Vermögensverwalter vermeide “gezielt den Hype” um bestimmte Bereiche der grünen Rally. Es sei klar, dass einige Clean-Tech-Aktien “in den spekulativen Teil des KI-Trades geraten sind”.

Auch Renaud Saleur, Gründer und CEO des Genfer Hedgefonds Anaconda Invest, sagte, einige Überflieger des Sektors seien “nicht wirklich Qualitätswerte”. Zudem zweifelt er, dass sich der Energiebedarf der KI-Rechenzentren je decken lasse. “Die zusätzliche Nachfrage nach KI ist unmöglich zu bedienen”, so Saleur. Am Ende werde es “viel Enttäuschung” geben.

Einzelne Titel lassen Anlegeraugen glänzen
Im S&P Global Clean Energy Transition Index sticht Bloom Energy als Top-Performer hervor. Der Hersteller von Festoxid-Brennstoffzellen zur dezentralen Stromerzeugung verzeichnet ein Plus von fast 500 Prozent im laufenden Jahr (siehe Tabelle ganz unten).

Bloom Energy, das im Juli vereinbart hat, die KI-Rechenzentren von Oracle vor Ort mit Strom zu versorgen, plant, seine Produktionskapazität bis Ende 2026 zu verdoppeln. Aufgrund langsamen Kraftwerksbaus und Turbinenmangels stoßen die innerhalb von 90 Tagen installierbaren Zellen auf enormes Interesse.

“Ihr Produkt passt perfekt zur Nachfrageentwicklung der KI-Rechenzentren”, sagte Analyst Christopher Dendrinos von RBC Capital Markets. “Das war ein zentraler Kurstreiber”, so Dendrinos.

Und weil die Brennstoffzellen von Bloom Energy - zumindest vorerst - größtenteils mit Erdgas betrieben werden, profitieren sie von Förderungen der Trump-Regierung, die es unter Präsident Biden nicht gegeben hatte.

Andere mahnen jedoch zur Vorsicht. Analysten bei Bank of America mahnten in einer im September an Kunden versandten Mitteilung, die Fundamentaldaten von Bloom Energy rechtfertigten die Kursgewinne nicht.

Laut Michael Tierney, Leiter Investor Relations bei Bloom, spiegeln die Bewertungen sowohl die erwartete Nachfrage nach Elektrizität als auch eine solide Bilanz wider. Der Umsatz werde 2025 um mehr als 30 Prozent auf fast 1,9 Milliarden Dollar steigen. “Wir sind kein Start-up mehr”, sagte Tierney. “Unsere Bilanz ist deutlich stärker als früher.” Diese Position ermögliche nachhaltiges Wachstum.

Viele Anleger erinnern sich jedoch noch an den Absturz grüner Aktien nach der Pandemie. Selbst nach dem aktuellen Comeback liegen Clean-Tech-Indizes weit unter ihren Hochpunkten aus den Jahren 2020 und 2021, als Zinsen extrem niedrig waren und Lockdowns die Nachfrage nach traditionellen Energiequellen stark dämpften. Laut führenden Vermögensverwaltern ist die aktuelle Rally jedoch anders, berichtet Bloomberg des Weiteren.

This time it is different?
Natalie Adomait, Chief Operating Officer der Erneuerbaren- und Transformationssparte von Brookfield, sieht eine robuste Nachfrage nach CO?-armer Energie zur KI-Versorgung - “nicht nur, weil sie günstig und reichlich vorhanden ist, sondern vor allem, weil sie schnell bereitgestellt werden kann.”

Brookfield hat jüngst 20 Milliarden Dollar für den weltweit größten privaten Fonds zur Energiewende eingeworben und vereinbart, bis zu 5,0 Milliarden Dollar in die Brennstoffzellen von Bloom Energy für neue KI-Rechenzentren zu investieren.

Auch Apollo Global Management prognostiziert einen nahezu unbegrenzten Energiebedarf für Rechenzentren. Dessen scheidender Nachhaltigkeitschef sagt, die entstehende Lücke “wird zu unseren Lebzeiten nicht geschlossen werden”.

Selbst in den USA, wo die Politik von Trumps Anti-Grün-Kurs geprägt ist, wird CO?-arme Energie zunehmend als wirtschaftlich attraktive Option für Rechenzentren gesehen. Trumps Gesetzespaket “One Big Beautiful Bill” fiel für Solar- und Windenergie weniger restriktiv aus als zunächst befürchtet. Das Ergebnis ist, dass die Nachfrage nach sauberer Energie weniger von ideologischen Ansichten zum Klimawandel als vielmehr von den wirtschaftlichen Vorteilen getrieben wird.

“Wenn Sie einem Unternehmen grüne Elektronen verkaufen, ist es ihm egal, solange der Strom verlässlich geliefert wird”, sagt Timothy Ho, Analyst für europäische Energieversorger und erneuerbare Energien bei Amundi, Europas größtem Vermögensverwalter.

Joseph Osha von Guggenheim Securities sagt, Trumps Politik bleibe “sehr herausfordernd” für Teilsegmente wie Solardächer im Privatbereich. Die starken Kursgewinne vieler grüner Aktien seien vor allem Ausdruck der Erkenntnis, “dass die Branche überlebensfähig ist.”

So notieren Unternehmen wie SunRun und SolarEdge Technologies trotz dreistelliger Kurszuwächse weiterhin weit unter ihren früheren Höchstständen.

Amundi-Analyst Ho empfiehlt daher eine gewisse Vorsicht: Bei breiten thematischen Kapitalflüssen könne sich der Markt “manchmal etwas von den Fundamentaldaten lösen — zumindest vorübergehend.” (aa)

Highflyer im Bereicht GreenTech-Aktien

Dieses Seite teilen