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Über das Risiko eines neuerlichen "Krisen-Sommers"

Angesichts der in den Sommern 2011, 2015 oder 2022 ausgebrochenen Krisen und den darauf folgenden Kursverlusten stellt sich die Frage, ob der aktuelle Sommer 2024 ebenfalls das Potenzial hat, einen heißen Herbst an den Finanzmärkten einzuleiten. Ein Fondsmanager sucht darauf Antworten.

Enguerrand Artaz, LFDE
Enguerrand Artaz, LFDE© LFDE

Die Sommerpause steht für Erholung, Sonne und Scharen von Urlaubern auf überfüllten Straßen. Das bedeutet aber nicht, dass die Spannungen an den Finanzmärkten deshalb auch eine Pause einlegen. Das hat die Geschichte gezeigt, schreibt Enguerrand Artaz, Fondsmanager bei LFDE (La Financière de l’Echiquier), in einem aktuellen Marktkommentar.

Sommer 2011 blieb in Erinnerung
Die Europäer erinnern sich noch an die schmerzliche Erfahrung der Staatsschuldenkrise im Sommer 2011. Die seit Monaten schwelende Krise schlug sich ab dem 20. Juli unerbittlich auf die Märkte nieder, nachdem sich ein teilweiser Zahlungsausfall bei den griechischen Staatsschulden im Rahmen der europäischen Einigung zur Unterstützung des Landes bestätigte. Kurz darauf nahm Moody‘s das Rating Spaniens ins Visier. Anschließend dauerte es keine drei Wochen, bis die europäischen Börsenindizes um mehr als 20 Prozent eingebrochen waren, rekapituliert der LFDE-Mann.

2015 sorgte China für Stress
2015 war es die chinesische Wirtschaft, die die Urlaubsstimmung trübte. Angesichts einer Abschwächung des Wirtschaftswachstums und der schon damals bestehenden Probleme im Immobiliensektor beschloss Peking am 11. August zur allgemeinen Überraschung, den Yuan massiv abzuwerten. Dies löste Panik an den asiatischen Börsen aus, die bald auch die westlichen Finanzmärkte erfasste. Am 24. August gipfelte sie in einem „Schwarzen Montag”, an dem der CAC 40 im Tagesverlauf bis zu neun Prozent verlor.

2022: Powell ließ die Anleihenkurse abschmieren
In die jüngere Vergangenheit fallen die Äußerungen von Jerome Powell auf dem Symposium von Jackson Hole am 26. August 2022, die zwar weniger spektakulär waren, aber dennoch erwähnenswert sind. In einer für Anlässe dieser Art außergewöhnlich kurzen Rede bekräftigte der Fed-Chef seine Entschlossenheit, die Inflation zu bekämpfen und die geldpolitische Straffung mit Hochdruck voranzutreiben. Auf die Märkte, deren Lage sich nach einem schwierigen Jahresbeginn wieder gebessert hatte und die von den Inflationszahlen im Juli positiv überrascht waren, wirkte das wie eine kalte Dusche. Die Zinssätze setzten währenddessen zu einem Höhenflug an und stiegen innerhalb von zwei Monaten für zehnjährige US-Anleihen von 3,0 auf über 4,2 Prozent.

Wie sieht es dieses Jahr aus?
Man kann Artaz zufolge natürlich nicht alle Ereignisse vorhersehen, die in den kommenden Wochen eintreten könnten, schon gar nicht in einem in Europa wie auch in den USA derart ungewissen politischen Umfeld. Man kann jedoch einige Punkte aufzählen, die es zu beachten gilt.

An der politischen Front soll auf dem Parteitag der US-Demokraten vom 19. bis zum 22. August der Kandidat der Partei für die Präsidentschaftswahl offiziell nominiert werden. Das ist normalerweise eine reine Formalität, doch dieses Mal kommt dem Parteitag besondere Bedeutung zu, nachdem der amtierende Präsident Joe Biden seine Kandidatur in letzter Minute zurückgezogen hat.

Zudem gilt es, auch die Wirtschaftsentwicklung der USA im Blick zu behalten. Dies betrifft zunächst die erste Schätzung des BIP-Wachstums im zweiten Quartal, deren Veröffentlichung am 25. Juli ansteht. Den Konsenserwartungen zufolge ist nach den enttäuschenden Zahlen des ersten Quartals mit einem leichten Anziehen zu rechnen.

Sollte das Wachstum gegenüber dem Vorjahreszeitraum deutlich unter 2,0 Prozent liegen, würde es jedoch schwierig, die Erwartungen der Märkte und der Fed für das Gesamtjahr 2024 zu erfüllen (2,3 % bzw. 2,1 %).

Im Anschluss sollte man die verschiedenen Beschäftigungszahlen aufmerksam zur Kenntnis nehmen, die in der letzten Juliwoche veröffentlicht werden. Ganz besondere Aufmerksamkeit verdient der Arbeitsmarktbericht des Bureau of Labor Statistics, der zum 2. August erwartet wird. Nach einer begrüßenswerten Normalisierung zeichnet sich am US-Arbeitsmarkt derzeit nämlich ein relativ deutlicher Abwärtstrend ab.

Sollte sich dieser Trend bestätigen oder sogar beschleunigen, würde das die Aussicht auf Zinssenkungen untermauern und zugleich ernsthafte Sorgen über die Entwicklung der US-Wirtschaft schüren, obwohl die Märkte das Risiko einer Rezession ganz und gar ausgeschlossen haben. Ein solcher Schereneffekt wirkt sich nur selten positiv aus.

Quartalsergebnisse besonders im Blick behalten
Bei den Unternehmen sollte man Artaz zufolge die Veröffentlichung der Quartalsergebnisse genau im Auge behalten. Dieser Reigen ist bereits eingeläutet, angefangen bei den Technologieriesen. Alphabet macht den Anfang am 23. Juli, gefolgt von Microsoft am 30. Juli, Meta am 31. Juli und Apple und Amazon am 1. August. Wie immer bildet Nvidia einige Wochen später am 28. August das Schlusslicht.

Trotz der jüngsten Marktrotation, von der insbesondere kleine und unterbewertete Titel profitieren, sind es diese „glorreichen Sechs“, die seit eineinhalb Jahren die bei weitem größten Beiträge zur Performance der weltweiten Aktienmärkte leisten. Jegliche Enttäuschung bei den Ergebnissen oder bei den Aussichten für die kommenden Quartale hätte wahrscheinlich große Auswirkungen auf die Entwicklung der Börsenindizes. Andererseits könnten positive Überraschungen den Aktienmärkten, denen in jüngster Zeit die Luft auszugehen scheint, neuen Schwung verleihen.

"Die genannten Einflussfaktoren dürften zumindest beim derzeitigen Stand der Dinge kaum zu Stressphasen wie in den Jahren 2011 oder 2015 führen. Nach einem sehr guten Jahresbeginn für Aktien, der von starken Unterschieden zwischen den Einzelwerten und von der unverschämt guten Performance der Technologiegiganten geprägt war, könnten sie jedoch die richtungsweisenden Themen für die Entwicklung der Märkte im zweiten Halbjahr offenbaren, erklärt Artaz abschließend. (aa)

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