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Strategische Asset Allocation im aktuellen Umfeld gestiegener Zinsen

Zum ersten Mal seit vielen Jahren sind die Zinsen wieder spürbar gestiegen, und die Bedingungen an den Anleihemärkten ändern sich im raschen Tempo. Was einige als Regimewechsel bezeichnen, ist vielmehr eine Rückkehr zur Normalität, findet Michael Kreibich, Leiter Investment Consulting bei Berenberg.

Michael Kreibich, Leiter Investment Consulting bei Berenberg, äußert seine Gedanken zur Strategischen Asset Allocation (SAA). Nun da Renten wieder nennenswerte Performancebeiträge leisten, kann man von einem "Back to Normal" sprechen, das seinen Niederschlag auch in der SAA findet.
Michael Kreibich, Leiter Investment Consulting bei Berenberg, äußert seine Gedanken zur Strategischen Asset Allocation (SAA). Nun da Renten wieder nennenswerte Performancebeiträge leisten, kann man von einem "Back to Normal" sprechen, das seinen Niederschlag auch in der SAA findet.© Berenberg

Diese Rückkehr zur Normalität an der Zinsfronst führt dazu, dass die Assetklasse Anleihen wieder deutlich an Attraktivität gewinnt. Doch kann sie künftig auch die stabilisierenden Eigenschaften bieten, die Investoren in der Vergangenheit gewohnt waren? Für die Strategische Asset Allocation (SAA) eines institutionellen Anlegers ergeben sich vielfältige neue Aspekte, die einer professionellen Analyse und Umsetzung bedürfen, weiß Michael Kreibich, Leiter Investment Consulting bei Berenberg.

Rückenwind durch sinkende Anleiherenditen und Ankaufprogramme gab es lange
Mit europäischen Anleihen ließen sich bis Ende 2021 für lange Zeit überdurchschnittlich hohe risikoadjustierte Renditen erzielen. Der Grund hierfür lag unter anderem in einem über 20 Jahre andauernden Trend fallender Zinsen, welcher innerhalb der letzten Dekade maßgeblich durch die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) mitbestimmt wurde. Neben ihrem originären Steuerungsinstrument für die Geldmenge in der Eurozone, dem Leitzins, bedienten sich die Währungshüter mit Beginn der Eurokrise 2011 auch zunehmend anderer Werkzeuge, um den Kapitalmärkten zusätzliche Liquidität zur Verfügung zu stellen. Milliardenschwere Anleiheankaufprogramme traten in den Fokus. Nicht zuletzt, weil der Grenznutzen weiterer Zinssenkungen gegen Ende 2014 minimal wurde – der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte lag zu diesem Zeitpunkt bereits bei nur noch 0,05 Prozent.

Eigenartiges Inflationsverhalten auf die ultralockere Geldpolitik mit Deflationssorgen
Kontroverserweise stieg die Inflationsrate in der Eurozone daraufhin nicht an, sondern sank, so dass zunehmend Deflationssorgen das Marktgeschehen beherrschten. Michael Kreibich dazu: "Infolgedessen entschieden die Währungshüter, die Zentralbankbilanz erneut deutlich auszuweiten. Zwar stabilisierten sich die Preissteigerungsraten in den darauffolgenden Jahren wieder in Richtung des von der EZB zum damaligen Zeitpunkt angestrebten Niveaus von ca. zwei Prozent. Aufgrund des Ausbruchs der Corona-Pandemie im Jahr 2020 sah sich die Zentralbank jedoch erneut dazu veranlasst, kreativ zu werden und ein neues Ankaufprogramm für festverzinsliche Wertpapiere zu starten."

Investoren schichteten in risikoreichere Anlageklassen um
Am europäischen Anleihemarkt verstärkte dies den Trend hin zu sehr niedrigen und zum Teil sogar negativen Renditeniveaus – selbst bei längeren Laufzeiten. Bereits im Jahr 2016 lag die Verzinsung einer zehnjährigen deutschen Bundesanleihe für einige Monate im negativen Bereich. Anfang März 2020 markierte sie dann mit minus 0,86 Prozent ihren historischen Tiefstand. "Das dadurch bedingt begrenzte Potential für weitere spürbare Renditerückgänge beziehungsweise Kursgewinne veranlasste viele Institutionelle über die vergangenen Jahre, die Investitionsquoten von Bonds sukzessive zu reduzieren und in chancenreichere Anlageklassen zu investieren, um ihre Renditeziele weiterhin erreichen zu können."

Profitieren konnte hiervon insbesondere das Private-Markets-Segment
Je nachdem ob und wenn ja welche Regulatorik zum Tragen kommt, stiegen die Anteile in den Anlageklassen Immobilien, Private Debt und Private Equity spürbar an – zum Teil auch im Bereich der gelisteten Aktien. Dies hat im Gegenzug dazu geführt, dass die Risiken der zugrunde liegenden Portfolios in vielen Fällen deutlich angestiegen sind. Insbesondere dann, wenn diese bei illiquiden Anlageklassen realistisch modelliert wurden.

2022 - Der perfekte Sturm an den Kapitalmärkten
Das Jahr 2022 markierte schließlich einen Bruch des jahrelangen Trends fallender Zinsen. Diese stiegen für viele Marktteilnehmer unerwartet schnell an. Die deutlich angezogenen Inflationsraten in der Eurozone – bedingt nicht zuletzt durch höhere Energie- und Nahrungsmittelpreise – zwangen die EZB zu einer Umkehr in ihrer Zinspolitik. Doch obwohl es in der Historie bereits Zinsanstiege in ähnlicher Größenordnung und Schnelligkeit gab (1989/1990 und 1994), war der daraus resultierende Drawdown am Anleihemarkt in seinem Ausmaß beispiellos. Kreibich: "Der Kurs von zehnjährigen Bundesanleihen verlor im Jahresverlauf mehr als zwölf Prozent. Der Grund hierfür lag in der geringen Basis, von der aus die Renditen in die Höhe schnellten. Während es in der weiter zurückliegenden Vergangenheit noch eine positive Carry gab, die Zinsanstiegen entgegenwirken konnte, war diese Komponente Ende 2021 noch im negativen Bereich bei minus 0,18 Prozent."

Belastete Stimmung durch Kriegsgeschehen
Parallel dazu begann der Krieg in Europa, der die Stimmung am Kapitalmarkt erheblich belastete. Es zeichnete sich zudem mehr und mehr eine konjunkturelle Abschwächung ab, so dass risikobehaftete Anlageklassen (insbesondere Aktien) ebenfalls deutlich an Wert verloren. "Diese fehlenden Diversifikationseffekte waren der perfekte Sturm für Multi-Asset-Investoren im Jahr 2022. Es gab außer dem US-Dollar und direktem beziehungsweise indirektem Rohstoffexposure kaum eine liquide Anlageklasse, die nicht deutliche Kursrückgänge zu verzeichnen hatte", erinnert Kreibich.

Privatmarktallokationen weniger in Mitleidenschaft gezogen
Anleger, die Teile ihres Vermögens in Private Markets alloziert hatten, konnten sicher besser abschneiden. Kreibich: "Die Bewertungen von Private Debt im Senior/Super Senior Segment blieben weitestgehend stabil. Und selbst am Immobilienmarkt und bei Private-Equity-Investments waren keine signifikanten Rückgänge zu verzeichnen. Allerdings fanden in diesen beiden Bereichen auch keine nennenswerten Transaktionen statt, so dass die Entwicklung mit Vorsicht zu genießen ist und abzuwarten bleibt, wie sich die deutlich angestiegenen Fremdfinanzierungkosten sowie die Bewertungskorrektur im Bereich der gelisteten Unternehmen in den kommenden Monaten auf die Anlageklassen auswirken werden."

Anleihen können wieder einen spürbaren Portfoliobeitrag leisten
Die gute Nachricht ist, dass die Risiken von festverzinslichen Wertpapieren am Kapitalmarkt nun wieder fairer bepreist werden und die Anlageklasse einen nennenswerten Beitrag zum Gesamtportfolioergebnis beisteuern kann. In Bezug darauf ist sicher nicht von einem Regimewechsel am Anleihemarkt zu sprechen, sondern von einer Rückkehr zu mehr Normalität, was die Anlageklasse mit Blick auf die kommenden Jahre wieder deutlich attraktiver erscheinen lässt. Zumindest auf den ersten Blick.

Gretchenfrage: Wie werden die Korrelationseigenschaften von Anleihen aussehen?
Offen bleibt die Frage, ob die langfristigen Korrelationseigenschaften von Anleihen zurückkehren werden und sie insbesondere in Phasen erhöhter Unsicherheit wieder einen stabilisierenden Einfluss auf das Risiko im Gesamtportfoliokontext bieten können. Eine Antwort darauf wird unter anderem die weitere Entwicklung der Inflationsraten bringen, denn in Phasen hoher Preissteigerungsraten korrelierten Anleihen in der Vergangenheit deutlich stärker mit Aktien und vice versa, gibt Kreibich zu bedenken.

Anlageerfolg hängt entscheidend von Strategischer Asset Allocation (SAA) ab
In Bezug auf die SAA sind die Auswirkungen der jüngsten Entwicklungen vielfältig. Kreibich führt aus: "Höhere erwartete Renditen allein müssen nicht zwangsläufig zu einem höheren Portfolioanteil von Anleihen führen. Etwaig damit einhergehende, höhere Risiken sowie ein verändertes Korrelationsumfeld gilt es ebenfalls zu berücksichtigen. Weiterhin ist zu beachten, wie sich die Rendite-/Risikoprofile aller anderen investierbaren Assetklassen in der Zwischenzeit verändert haben könnten. Die professionelle Analyse und Umsetzung in Bezug auf die SAA eines institutionellen Investors unter Berücksichtigung regulatorischer Aspekte ist entsprechend höchst komplex und hängt von den individuellen Rahmenbedingungen ab. Hierbei ist es essentiell, unterschiedliche vergangenheits- und zukunftsorientierte Marktszenarien zu modellieren, um die Rendite-/ Risikocharakteristik der Allokation genauestens zu verstehen und bei Bedarf Adjustierungen vorzunehmen. Im Rahmen der Implementierung können zudem die Auswirkungen eines Risiko Overlays analysiert werden."

Steigende Komplexität fordert verstärkten - auch externen - Ressourceneinsatz
Aufgrund des zunehmenden Komplexitätsgrads werden immer häufiger erfahrene Investment Consultants hinzugezogen, die im Rahmen eines umfangreichen Beratungsprozesses das Ziel verfolgen, die optimale Portfolioallokation zu ermitteln und für den Anleger zu interpretieren. Kreibich dazu: "Professionell angewendet, kann die SAA über bis zu 90 Prozent des Anlageerfolgs entscheiden. Langjährige Erfahrung, die Verwendung robuster Schätzparameter für Rendite, Risiko und Korrelation sowie die realistische Modellierung illiquider Anlageklassen wie Immobilien oder Private Debt sind hierbei ausschlaggebende Faktoren, die über den Grad an Professionalität und damit den langfristigen Erfolg der Anlagestrategie entscheiden können." (kb)

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