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Steigende Zinsen als Gefahr für Low Volatility-Strategien?

Minimum Variance- und Low Vol-Portfolios erfreuen sich bei Institutionellen besonderer Beliebtheit, da mit ihnen in der Vergangenheit höhere risikobereinigte Renditen zu erzielen waren („Low-Volatility-Anomalie“). Was ist von diesen Strategien im aktuellen Umfeld steigender Zinsen zu erwarten?

Carmine de Franco, Head of Research bei Ossiam, studierte Mathematik an der Universität Roma II - Tor Vergata und der Universität Paris VII - Denis Diderot und hat einen Doktortitel in Wahrscheinlichkeitsrechnung sowie einen Master in Financial Random Modelling von der Universität Paris VII-Denis. Er kam im Mai 2012 zu Ossiam. Sein Fachgebiet reicht von Mathematik, Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik bis zu Finanzforschung, Entwicklung von Anlagestrategien und der Konstruktion von Assetklassen-übergr
Carmine de Franco, Head of Research bei Ossiam, studierte Mathematik an der Universität Roma II - Tor Vergata und der Universität Paris VII - Denis Diderot und hat einen Doktortitel in Wahrscheinlichkeitsrechnung sowie einen Master in Financial Random Modelling von der Universität Paris VII-Denis. Er kam im Mai 2012 zu Ossiam. Sein Fachgebiet reicht von Mathematik, Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik bis zu Finanzforschung, Entwicklung von Anlagestrategien und der Konstruktion von Assetklassen-übergr

© Ossiam

Kritiker der Minimum Variance- und Low Volatility-Ansätze führen die historische Outperformance im Wesentlichen aber auf den Rückgang der langfristigen US-Zinsen zurück. So gesehen könnte die Zinswende zu einem Performanceproblem für Anhänger dieser Strategien werden. Ob dem tatsächlich so ist, wollte Carmine de Franco, Head of Research bei Ossiam, wissen. Im Folgenden berichtet er von seinen Erkenntnissen.

Was war die Ursache des guten Abschneidens von LowVol- und MinVar-Strategien?

In den vergangenen Jahrzehnten haben Portfolios niedriger Volatilität regelmäßig höhere risikobereinigte Renditen erwirtschaftet als solche, die stärkeren Schwankungen unterliegen. Soweit herrscht in der empirischen Kapitalmarktforschung weitestgehend Einigkeit. Uneins sind sich Kapitalmarktexperten allerdings darin, ob beziehungsweise inwiefern die entsprechenden Ergebnisse - ausschließlich mit dem Rückgang der langfristigen US-Zinsen in Verbindung gebracht werden können. So würde es sich bei Aktien mit geringer Volatilität, die in der Regel den Kern von Low Volatility- und Minimum Variance-Strategien bilden, häufig um stabile Unternehmen aus reifen Branchen mit relativ ausgeprägter Fremdfinanzierung handeln. Genau diese Titel sind es aber, die aufgrund ihrer im Schnitt höheren Verschuldung besonders sensitiv auf Zinsänderungen reagieren. In Zeiten stagnierender oder steigender Zinsen hätte die systematische Bildung schwankungsarmer Portfolios sachlogisch somit Performancenachteile zur Folge.

Zinsfaktor liefert keinen Erklärungsbeitrag

Schon 2016 wurde diese These allerdings von Ossiam widerlegt, gibt Carmine de Franco zu bdenken: "Dazu wurde die Entwicklung verschiedener Portfolios des gesamten Volatilitätsspektrums betrachtet. Zwar wurden signifikante und modellspezifisch robuste Zinssensitivitäten für Portfolios mit Aktien geringer Volatilität festgestellt (1. und 2. Dezil), für die übrigen acht Portfolios mit sukzessive steigender Schwankungsintensität der enthaltenen Aktien ließen sich jedoch keine einheitlichen Ergebnisse ermitteln. Die Einbeziehung des Zinsfaktors führt damit nicht zu einer verbesserten Erklärungskraft der Vorteilhaftigkeit von Low Volatility- und Minimum Varianz-Strategien. Oder anders ausgedrückt: Die „Bereinigung“ um den Zinsfaktor hätte keine nennenswerte Reduzierung des statistisch signifikant positiven Alphas zur Folge, das in der Vergangenheit für Portfolios mit geringer Volatilität gemessen wurde."

Differierenden Einschätzungen im Praxistest

Mit dem drastischen Anstieg der US-Zinsen im Jahr 2022 hat sich nun die Möglichkeit ergeben, den Einfluss von Zinssteigerungen auf die Kursentwicklung von Aktien mit niedriger versus hoher Volatilität noch einmal ganz real zu ermitteln.

Zu diesem Zweck wurden die zehn Portfolios aus dem Jahr 2016, die auf Aktien des S&P 500 basieren, auf Grundlage ihrer realisierten Volatilität entsprechend der schon damals angewandten Methodik aktualisiert. Portfolio (P1) enthält somit wiederum die Aktien mit der geringsten Schwankungsintensität, während sich Portfolio 10 (P10) aus den Titeln mit der höchsten Volatilität zusammensetzt. Anschließend wurde für jedes Portfolio die annualisierte Performance zwischen dem 16.03.2022 (erste Zinsanhebung der Fed) und dem 30.12.2022 ermittelt.

Ergebnisse fielen überaus eindeutig aus

De Franco: "Während P1 eine annualisierte Rendite von plus zwei Prozent erzielte, hat P10 den Zeitraum mit minus 17,6 Prozent abgeschlossen. Der S&P 500 selbst brachte es auf minus 13,8 Prozent. Bei der Risikoanpassung hat sich gezeigt, dass die drei Dezile mit niedriger Volatilität (P1 bis P3) deutlich höhere Alphas (im Bereich von acht und elf Prozentpunkten) als die übrigen Portfolios aufweisen. Bei den drei Portfolios, die sich aus den Aktien mit der höchsten Volatilität zusammensetzen, wurden dagegen niedrigere Alphas (zwischen 1,0 und 3,5 Prozentpunkten) als bei allen anderen Portfolios ermittelt."

Performance und CAPM Alphas

Zeitraum: 16.03.2022 bis 30.12.2022. S&P 500 als Referenz.

Quelle: Ossiam

Dabei ist die Tatsache, dass alle Portfolios positive Alphas aufwiesen, insbesondere auf die Gleichgewichtung aller Aktien zurückzuführen, so de Franco weiter. Andernfalls wäre dies im Hinblick auf die hohen Verluste, die Large-Cap-US-Aktien im betrachteten Zeitraum erlitten haben, nicht der Fall gewesen. "Würde der S&P 500 Equal Weight als Referenz für die Berechnung des Alphas herangezogen, ergäben sich für die Portfolios 1 bis 3 Alphas zwischen fünf und sieben Prozentpunkten und für die Portfolios 8 bis 10 Alphas im Bereich von minus fünf bis plus zwei Prozentpunkten."

Normierung auf einheitliche Volatilität von zehn Prozent

Eine alternative Sichtweise bietet die Betrachtung der zehn Portfolios bei Normierung der annualisierten Volatilität auf jeweils zehn Prozent. Hierdurch wird eine Vergleichbarkeit der Renditen erreicht. Auf demselben Risikolevel ergibt sich nun für Portfolio 1 eine Rendite von 0,63 Prozent, für P2 und P3 sind es jeweils 0,01 Prozent, während alle übrigen Portfolios mit Performancewerten zwischen minus 3,02 Prozent und minus 4,25 Prozent deutlich im Minus liegen. Bei der ebenfalls auf zehn Prozent Volatilität normierten Benchmark (S&P 500) ergibt sich sogar ein Wert von minus 4,54 Prozent.

Performance bei Normierung auf Volatilität von jeweils zehn Prozent

Zeitraum: 16.03.2022 bis 30.12.2022.

Quellen: Bloomberg, S&P, Datastream; Ossiam

Ergebnisse wie erwartet

Bislang hat sich der starke Anstieg der kurz- und langfristigen Zinsen in den USA also nicht übermäßig nachteilig auf die Performance von Aktien mit geringer Volatilität ausgewirkt. De Franco: "Ganz im Gegenteil. So haben Aktien und Strategien, die auf Minimum Variance- und Low Volatility-Konzepten beruhen, trotz des vermeintlich ungünstigen Zinsumfelds 2022 überdurchschnittlich gut abgeschnitten. Die Befürchtung, dass hohe beziehungsweise steigende US-Zinsen das Potential entsprechender Strategien, den Markt zu übertreffen, schmälern könnten, ist somit unbegründet." (kb)

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