Stehen wir vor der Renaissance der Balanced Portfolios?
Nach einem volatilen Jahr 2022, in dem sowohl Aktien-, als auch Anleiheanleger teilweise an die Grenzen ihrer Leidensfähigkeit gestoßen sind und Diversifikation nicht funktioniert hat, stellt sich die Frage, ob Balanced Portfolios mit hohem Aktien- und Anleiheanteil eine Zukunft haben.
Die Zürcher Kantonalbank Österreich AG ist der Ansicht, dass sie aus Sicht von langfristigen Anlegern gerade jetzt gefragt sind. Christian Nemeth, Chief Investment Officer der Privatbank, erklärt, wieso alte Besen in diesem Fall doch besser kehren und er davon abrät, Rufen nach verstärkten Investments in illiquide Anlagen zu folgen.
Lanze für das Balanced Portfolio gebrochen
Ein Balanced Portfolio bei der ZKB Österreich besteht derzeit aus etwa 48 Prozent Aktien und 45 Prozent Anleihen, die genaue Zusammensetzung variiert immer leicht. Der Rest setzt sich aus Cash und weiteren Anlagen zusammen. „Wenn man die Performance des Balanced Portfolios der letzten zehn Jahre mit den einzelnen Anlageklassen wie US-Aktien, europäische Aktien, Staatsanleihen, Unternehmensanleihen etc. vergleicht, fällt auf: Es reiht sich nie ganz oben, aber auch nie ganz unten ein. Es ist das klassische Portfolio für eine langfristige Geldanlage“, erklärt Christian Nemeth.
Hochfahren illiquider Assets ist risikoreich
Es gibt im Markt Stimmen, die nach den Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr dazu aufrufen, neue Wege zu beschreiten und den Anteil anderer Anlagen im Portfolio hochzuschrauben. Dazu zählen beispielsweise Rohstoffe oder Gold und illiquide Assets wie Infrastrukturinvestments oder Private Equity, die man laut Nemeth durchaus beimischen könne, die jedoch nicht zu stark gewichtet sein sollten. Kryptowerte hingegen hält die Zürcher Kantonalbank Österreich aufgrund ihrer bisherigen Entwicklung generell für zu volatil und rät dazu, diese nicht miteinzubauen.
Diversifikation zwischen Aktien und Anleihen funktionierte 2022 gar nicht
Als Rechtfertigung ziehen aktuelle Kritiker des gemischten Portfolios die Tatsache heran, dass Diversifikation im Jahr 2022 nicht funktioniert hat, weil sowohl Aktien- als auch Anleihenmärkte gleichermaßen unter Druck kamen. Das sei zwar richtig, so Nemeth, doch auf ein solch desaströses Jahr folgt meist Besseres.
Nach einem schlechten Jahr für Balanced Portfolios folgen meist ein bis zwei gute
„Wir sind der festen Überzeugung, dass die Perspektive gerade nach der erfolgten Talfahrt langfristig gut ist und ein gemischtes Portfolio daher gerade jetzt deutlich attraktiver ist als noch vor drei, vier Jahren. Nach einem schwierigen Jahr 2022 ist die Wahrscheinlichkeit, dass in den darauffolgenden 12 bis 24 Monaten ein im Vergleich zu den langjährigen Vergleichswerten überdurchschnittliches Ertragsergebnis folgt, recht hoch. Wir sind daher der Überzeugung, dass Balanced-Mandate nun eine Renaissance erfahren“, so Nemeth.
Anleihen sind wieder portfoliotauglich
„Der Ausblick für die traditionellen Assetklassen ist gut. Aktienanleger finden jetzt günstige Einstiegsmöglichkeiten vor, der Ausblick auf das zweite Halbjahr 2023 ist vielversprechend. Anleihen haben zuletzt auf breiter Front einen deutlichen Renditeanstieg verzeichnet und sind als Bestandteil eines Portfolios wieder attraktiv. Sie bieten einen regelmäßigen Ertrag und steuern wieder wesentlich zur Sicherheit und Stabilität bei, indem sie Portfoliorisiken dämpfen. Es gilt jedoch auch zu beachten, dass die strukturell höhere Inflation wieder einiges vom Kuchen wegnimmt. Daher ist eine Mischung mit höherrentierlichen Anlagen wie Aktien unbedingt empfehlenswert“, unterstreicht Nemeth.
Hin und her macht Taschen leer
Die Zürcher Kantonalbank Österreich legt Anlegern Portfolios mit langfristiger Ausrichtung ans Herz. Das beinhaltet, zunächst genügend Zeit in die richtige Ausrichtung und Risikogewichtung zu investieren, das Portfolio danach aber mit ruhiger Hand zu steuern. Darauf bezieht sich auch der beliebte Börsenspruch „hin und her macht Taschen leer“.
Bloß nicht die besten Tage verpassen!
Steigt man zum falschen Zeitpunkt aus (und das weiß man in Echtzeit nie), verpasst man womöglich die besten Tage und gerade diese sind absolut entscheidend, wie auch mit Zahlen belegbar ist: Angenommen, man war seit 1970 ununterbrochen in die Unternehmen des S&P 500 Index investiert, hat man eine Rendite von 7,36 Prozent p.a. erzielt. Lässt man die besten Tage eines jeden Jahres weg, halbiert sich die Rendite auf 3,6 Prozent p.a. Wer hingegen die fünf besten Tage eines jeden Jahres weglässt, weist eine negative Rendite von minus 6,37 Prozent p.a. aus. Gerade aber im aktuellen Umfeld mit erhöhter Inflation ist eine auskömmliche Rendite für die reale Vermögenssicherung unabdingbar. „Nicht investiert zu sein, heißt auch, dass man schon bei einer Inflation von nur zwei Prozent nach 20 Jahren kaufkraftbereinigt nur mehr rund zwei Drittel der Ausgangssumme auf der hohen Kante hätte, sprich immer ärmer werden würde“, macht Nemeth deutlich. (kb)