Sicherheitsexpertin Claudia Major über Trumps Wille zur Disruption
Gilt bald das Recht des Stärkeren? Angesichts dieses Risiko sollte Europa stärker in seine eigene Verteidigungsfähigkeit investieren, empfahl die bekannte Sicherheitsberaterin Claudia Major am jüngsten Institutional Money Kongress in Frankfurt.
Donald Trump hat sich entschieden, zu gehen. „Das ist wie eine Scheidung für das transatlantische Verhältnis“, sagte Sicherheitsexpertin Claudia Major, am 16. Institutional Money Kongress in Frankfurt im Rahmen des beliebten Formats "IM Spezial". Trumps Wille zur Disruption kam mit Ansage, denn aus seiner ersten Amtsperiode sei bereits vieles absehbar gewesen. Was allerdings überrascht, sind Ausmaß und Geschwindigkeit der Entwicklung.
Transatlantische Zusammenarbeit ist eine andere
Fakt sei, dass sich die USA aus ihrer bisherigen Rolle zurückziehen werden; der internationale Machtanspruch der Amerikaner bleibe jedoch. Entsprechend verhandelte Trump mit Russland – teilweise über Selenskis Kopf hinweg, und ohne Einbindung Europas oder anderer Verbündeter.
In vielen Teilen gehe es dabei gar nicht mehr um die Ukraine, sondern um andere Themen - z.B. die Rohstoff-Vorkommen in der Arktis oder um die Normalisierung der Beziehung zwischen Russland und den USA. In den Verhandlungen mache Trump deutliche Zugeständnisse gegenüber Russland, wie z.B. das Signal, dass die bisher eroberten Gebiete der Ukraine russisch werden könnten. Die Herstellung der Unabhängigkeit der Ukraine werde so eher eine Illusion als Wirklichkeit. „Auf jeden Fall rückt die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine weit in die Ferne“, sagt Major. Russland lerne durch Trumps Verhalten, dass es einen Angriffskrieg führen kann, und die USA nichts dagegen tun. „Die Nachricht an Putin ist: Durchhalten lohnt sich“, so Major scharf.
Wir müssen konfliktfähig und kriegstüchtig sein
Die USA haben die transatlantischen Beziehungen, wie sie bisher bestanden, abgeräumt. „Die Großmächte entscheiden, und zwar ohne die Europäer“, beobachtet Major. „Juristisch sind die USA zwar noch Verbündete und militärisch haben sie noch nichts abgeräumt. Aber politisch treten sie als Gegner auf.“ Ihre Konklusion ist: „Unsere Lebensversicherung hat uns gekündigt. Wir haben keine neue, und draußen wird es immer gefährlicher“.
Europa müsse nun überlegen, wie lange Russland braucht, um nach einem Ende der Kriegshandlungen in der Ukraine wieder kampfbereit zu sein. „Demnach haben wir bis 2029 Zeit, verteidigungsfähig zu sein“, zeigt Major die brisante Lage auf. „Das heißt nicht, dass Russland dann angreift, aber es hätte die Möglichkeit es zu tun“. Bis dahin müsse Europa die Abschreckung glaubwürdig verbessern. „Das bedeutet nicht nur, dass wir in unsere Verteidigungsfähig investieren müssen, sondern wir müssen dazu auch mental in der Lage sein!“, ruft Major auf. Damit meint sie nicht nur den Aufbau einer europäischen Armee, sondern auch eine europäische Kooperation und Koordination der Verteidigung.
Detaillierung findet schon jetzt statt
Russland versuche jetzt schon, Europa zu destabilisieren. „Die Zweiteilung zwischen Krieg und Frieden ist so nicht mehr gültig, sondern es gibt eine große Grauzone, nämlich den Konflikt. Das ist kein Krieg, aber sicher auch kein Frieden“, stellt Major klar.
Diese Konflikte könnten auf alle möglichen Bereiche ausgeweitet werden: Institutionen, Infrastruktur und Unternehmen, wie die Pläne der russischen Regierung zur Ermordung von Rheinmetall-Chef Armin Papperger zeigten.
Major ruft dazu auf, in Europa die wehrhafte Demokratie zu stärken. „Dazu müssen wir auch die Resilienz unserer technischen Einrichtungen sowie unserer weichen Infrastruktur – z.B. die Medien – robuster machen.“ (ad)