Private Credit in Schwellenländern ist besser als sein Ruf!
Auf den ersten Blick erscheint es paradox: Viele Schwellenländernfirmen sind solider aufgestellt als vergleichbare Firmen in Industrieländern. Sie haben häufig einen geringeren Verschuldungsgrad, so dass ihre Anleihen dementsprechend niedrigere Ausfallraten und auch höhere Recovery-Raten aufweisen.
"Tatsächlich können Investoren oft von besseren Rahmenbedingungen bezüglich Kapitalschutz und Rechtssicherheit bei Schwellenländer-Unternehmen profitieren – umso mehr im Bereich Private Credit", sagen unisono Illya Zyskind, Senior Portfolio Manager Emerging Markets, und Michael Wolfram, Head of Institutional Sales, Germany & Austria, bei RBC BlueBay Asset Management.
Zu Hause nur begrenzte Finanzierungsmöglichkeiten
Zum einen haben lokale Banken nicht dieselben Zugänge zu Liquidität wie in Industrieländern, weshalb die Kreditvergabe eingeschränkt ist. Zum anderen sind die Kapitalmärkte in Schwellenländern meist nicht groß und liquide genug, damit sich genügend Unternehmen darüber finanzieren könnten. Das bedeutet letztendlich, dass Private Credit-Investoren ihr Kapital zu für sie vorteilhaften Bedingungen an erstklassige Schuldner leihen können. In reiferen Märkten ist dies aufgrund des hohen Wettbewerbs und der Größe und Liquidität der Kapitalmärkte nicht im selben Maße möglich.
Hohe einstellige Renditen und mehr
Aus Sicht von BlueBay AM erzielen Private Credit-Strategien mit Fokus auf Industrieländer in der Regel hohe einstellige Renditen. In vergleichbaren Schwellenländerportfolios liegen diese sogar oft im zweistelligen Bereich. Das ist eine klare Prämie zugunsten der Schwellenländer.
Niedrigere Verschuldung und höherer Zinsdeckungsgrad
Die meisten Unternehmen in Schwellenländern weisen einen Verschuldungsgrad von unter 3x im Verhältnis zum EBITDA auf; die Verschuldung beträgt somit weniger als das Dreifache des EBITDA. Mit 5-6x liegt dieser Wert bei vergleichbaren Unternehmen in Industrieländern deutlich höher. Darüber hinaus ist der Zinsdeckungsgrad in Schwellenländern in der Regel höher als 2x. Anders ausgedrückt: Die Gewinne sind oft mehr als doppelt so hoch wie die Zinsaufwendungen, die ein Unternehmen leisten muss. In den Industriestaaten ist dagegen nur ein Zinsdeckungsgrad von 1-1,5x zu erwarten. Das zeigt die folgende Grafik:
Quellen: US Senior Loans und High Yield, S&P Global, JPMorgan-Indizes GEM Blended Sovereign und GBI-EM.
Große Unterschiede bei der Schuldenbedienung
Auch wenn man vergleicht, wie Unternehmen ihre Schulden bedienen, gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Industrie- und Schwellenländern. Beispielsweise sind die Cash-Bestände im Verhältnis zur Gesamtverschuldung von US-Unternehmen seit 2020 zurückgegangen, während sie bei Unternehmen aus Schwellenländern gestiegen sind.
Quelle: Bank of America Merrill Lynch, 2023
Bessere Vertragsbedingungen- und -Schutz
Verträge mit Schwellenländer-Unternehmen, die für ausländische Investoren infrage kommen, werden typischerweise nach internationalem Recht – meist englischem oder New Yorker Recht – geschlossen. Der Gläubigerschutz durch entsprechende Vertragsklauseln und die Beschränkungen für die Schuldner sind dadurch vorteilhafter als bei Finanzierungen von vergleichbaren Unternehmen in Industrieländern. Das heißt, Gläubiger müssen bei Unternehmen aus Industrieländern eine deutlich schlechtere Kreditwürdigkeit und schlechtere Vertragsbedingungen in Kauf nehmen, um vergleichbare Renditen zu erzielen, die sie in Schwellenländern bekommen können.
Bisher noch wenig Investitionsappetit
Im Verhältnis zum globalen Bruttosozialprodukt sind Schwellenländer in vielen Portfolios immer noch deutlich untergewichtet. Vor dem Hintergrund der niedrigen Credit Spreads in Industrieländern sollten sich Investoren fragen, ob sie für das dort eingegangene Risiko noch ausreichend entschädigt werden.
Mangel an Finanzierungsalternativen für lokale Kreditnehmer
Während der Markt für Private Credit in Europa inzwischen ausgereift, wettbewerbsintensiv und kapitalstark ist und es sehr viele Fonds gibt, die miteinander konkurrieren, könnte Kapital in Schwellenändern zum Vorteil lokaler Kapitalnehmer und internationaler Kapitalgeber investiert werden. Zumal der Mangel an Finanzierungsalternativen für lokale Kreditnehmer es Investoren ermöglicht, Kredite an solide Unternehmen mit niedriger Verschuldung zu vergeben und damit nicht nur zweistellige Renditen zu erzielen, sondern auch die Risiken in ihren Portfolios zu diversifizieren. Angesichts der aktuellen unsicheren globalen Marktlage wäre dies ein erstrebenswertes Ziel. (kb)