Peter E. Hubers schonungsloser Befund zum Zustand Deutschlands
Von Seiten der Politik kommen in letzter Zeit verstärkt Appelle, man solle nicht alles schlechtreden. Schließlich sei Deutschland immer noch eine starke Wirtschaftsmacht und habe jüngst sogar Japan überholt. Doch was sagt das Börsen-Urgestein Peter E. Huber dazu?
"Es liegt mir völlig fern, als Nestbeschmutzer aufzutreten. Doch die wirtschaftliche Entwicklung treibt mir seit längerem die Sorgenfalten auf die Stirn", sagt Peter E. Huber, Fondsmanager bei Taunus Trust. Immer wieder fühlt sich das Börsen-Urgestein an Heinrich Heines "Nachtgedanken" erinnert: "Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht".
Die Deutschen waren immer stark in der Veredelung traditioneller Erzeugnisse
Peter E. Huber führt aus: "Wir produzierten die besten Autos, die besten Maschinen und den besten Stahl. Weniger gut lief es bei der Adaption neuer Technologien. So wurde der Computer von Gewerkschaften und Medien bis in die späten siebziger Jahre als Jobkiller gebrandmarkt. Sicher mit ein Grund, warum man in Deutschland Technologiefirmen von Weltrang mit der Lupe suchen muss - ganz im Gegensatz zu USA, Japan, China, Taiwan, Südkorea -, obwohl Computer als auch Halbleiter bei uns erfunden wurden. Und Versuchsfelder mit gentechnisch veränderten Pflanzen wurden hierzulande nachts so lange niedergetrampelt, bis die Forschung ins Ausland verlegt wurde."
Heute sieht es leider anders aus: ein trauriger Gegenwartsbefund
"Um es überspitzt auszudrücken: Heute sind die Deutschen bestenfalls führend im Krankfeiern (durchschnittlich 20 Arbeitstage im Jahre gegenüber 8 Tagen in der restlichen EU), bei der geschickten Ausnutzung von Brückentagen, dem Ruf nach der Vier-Tage-Woche, der Anzahl der jährlichen Arztbesuche und der Buchung von Fernreisen. Wer wie ich mit über 70 noch voll berufstätig ist, wird als ausgesprochen dämlich angesehen. Und die SPD als einstige Arbeiterpartei sieht ihre Hauptaufgabe heute darin, soziale Wohltaten an die zu verteilen, die nicht arbeiten können oder wollen. Während Handwerk und Mittelstand händeringend um Nachwuchs werben, stehen massenweise Studienabgänger für eine Stelle beim Vater Staat Schlange. Und während man erfolglose und korrupte Linkspopulisten wie Lula hofiert (brasilianischer Bovespa-Index 2024 mit 24,2 Prozent im Minus auf Euro-Basis), werden radikale Reformer wie Milei (argentinischer Merval-Index 2024 mit einem Plus von 127 Prozent in Euro), der den Augias-Stall der Bürokratie effizient ausmistet, als zum Scheitern verurteilt angesehen."
Ob diese Entwicklung auf Dauer tragfähig ist, dürfe doch mit Fug und Recht bezweifelt werden, meint Huber. Man sage zwar immer, dass politische Entwicklungen an den Börsen kurze Beine hätten. Aber die unterschiedlichen Kursverläufe an den Märkten seit 2007 zeigten, dass die Anleger durchaus mit den Füßen abzustimmen verstehen.
Quelle: Refinitiv
Die aktuelle Börsenlage: Immer mehr Klumpenrisiken!
Eines müsse man unseren amerikanischen Freunden neidlos zugestehen, fährt Peter E. Huber fort: Sie verstünden es meisterhaft, die internationalen Finanzströme zu kontrollieren und in ihre Kapitalmärkte zu lenken. Dies liege auch daran, dass alle großen Ratingagenturen (Moody´s) als auch Indexanbieter (MSCI) fest in amerikanischer Hand seien. "Es liegt durchaus in deren „patriotischem“ Interesse, dass zum Beispiel US-Aktien im Weltaktienindex mit über 72 Prozent gewichtet sind – mit stark steigender Tendenz, bei einem Anteil an der weltweiten Wirtschaftsleistung von weniger als 26 Prozent - mit fallender Tendenz. Wer also seine Aktienanlagen mit dem MSCI-Welt-Aktienindex international streuen will, sitzt hier im total falschen Boot. Selbst im MSCI World ACWI, der auch die Emerging Markets umfasst, sind US-Aktien mit über 66 Prozent vertreten, während es China gerade mal auf einen Anteil von 2,7 Prozent (!) bringt."
Magnificent Seven
Doch die Klumpenrisiken beschränken sich nicht nur auf die völlig überhöhten Anteile der US-Aktien im Weltaktienindex, sondern auch in der extrem hohen Gewichtung einiger weniger Einzelaktien, die als „Magnificent Seven“ jedem bekannt sind. Zu verdanken haben sie dies auch dem Superboom der ETFs (Exchange Traded Funds), in denen die Aktien nicht nach ihren Fundamentaldaten, sondern nach ihrer Börsenkapitalisierung gewichtet sind.
Einseitige Konzentration auf US-Aktien!
Sieht man sich den ETF-Markt genauer an, fällt sofort auf, dass die Anleger derzeit ein extremes Übergewicht in hoch bewerteten US-Aktien haben. So bringen es die ETFs auf den S&P 500-Index auf ein Fondsvermögen von 2.310 Milliarden US-Dollar, während beim STOXX Europe 600-Index als europäisches Pendant gerade einmal mickrige 27 Milliarden US-Dollar investiert sind. Das wäre vielleicht noch tragbar, wenn nicht im S&P 500-Index mehr als ein Drittel allein auf sieben Aktien konzentriert wäre.
Auch dies ist nicht allein den tollen Zukunftsaussichten zu verdanken
Während europäische Unternehmen traditionell eher eine hohe Dividendenrendite böten, schütteten die gewinnträchtigsten US-Unternehmen fast keine Dividenden aus. Stattdessen trieben sie mit Aktienrückkäufen in atemberaubender Höhe (allein bei Apple läuft ein Rückkaufprogramm über mehr als 100 Milliarden US-Dollar) ihre Aktienkurse in die Höhe, um eine möglichst hohe Gewichtung in den Indizes zu erreichen.
Konkurrenten kaltgestellt
Gleichzeitig würden missliebige Konkurrenten mit mehr oder weniger subtilen Methoden kaltgestellt, weiß Peter E. Huber. So befänden sich zahlreiche chinesische Aktien inzwischen auf einer schwarzen Liste und dürften nicht mehr gekauft werden, weil sie angeblich Kontakte zum chinesischen Militär unterhielten. Neben prominenten Beispielen wie China Mobile und Huawei habe es jüngst auch den Spieleentwickler Tencent erwischt. Wie würde wohl eine schwarze Liste von US-Unternehmen aussehen, die Kontakt zum US-Militär haben?
Können Bäume in den Himmel wachsen?
Die völlig einseitige Konzentration der weltweiten Aktienvermögen auf den boomenden und hoch bewerteten US-Markt bereitet Peter E. Huber und seinen Mitstreitern im Fondsmanagement bei Taunus Trust Bauchweh, auch wenn die Aufwärtstrends noch voll intakt sind. Aber es gibt genug Warnzeichen, dass auch hier die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Huber konkret: "Dies gilt sowohl monetär (steigende Renditen bei den zehnjährigen T-Bonds trotz Zinssenkungen durch die Notenbank, schwache Geldmengenentwicklung) als auch markttechnisch (extremer Optimismus, hoher Investitionsgrad in Aktien, geringe Neigung zu Absicherungen) und fundamental (hohe Bewertung). Kein Wunder, dass Warren Buffett seine Aktienpositionen massiv reduziert (Apple, Bank of America) und Barreserven aufhäuft. Der alte Börsenfuchs ist zwar oft zu früh dran, teilweise bis zu drei Jahren, doch hat ihm die Marktentwicklung am Ende fast immer recht gegeben."
Offene Fragen
Es kann durchaus sein, dass die neuen technologischen Entwicklungen (Künstliche Intelligenz, Quantencomputer, humanoide Roboter, autonomes Fahren) zu deutlichen Effizienzgewinnen und neuen Wachstumsschüben führen. Davon würden aber nicht nur einige wenige Unternehmen profitieren, ist der Altmeister des Value Investing überzeugt. "Welche Unternehmen genau das sein werden, ist heute alles andere als sicher. Die Bewertung der Magnificent Seven legt aber einen anderen Marktkonsens nahe!"
Fazit
"Wir bleiben konservativ investiert mit 60 bis 70 Prozent in niedrig bewerteten Substanzwerten, fünf bis zehn Prozent in physischem Gold und Silber, sowie Anteilen an kurzlaufenden Anleihen guter Bonität und Cash", resümiert der Fondsmanager. (kb)