Peter E. Huber spricht Klartetxt: "Deutschland schafft sich ab!"
Die deutsche Wirtschaft wird an die Wand gefahren mit den weltweit höchsten Energie- (insbesondere Gas) und Stromkosten. Unternehmen mit hohem Energieverbrauch können in Deutschland nicht mehr international wettbewerbsfähig produzieren. Doch Peter E. Hubers Befund geht noch weiter.
"Der Anstieg der Produzentenpreise liegt mit 45,8 Prozent gegen Vorjahr auf einem nie gekannten Niveau. Konsum- und Geschäftsklima befinden sich in freiem Fall. Millionen private Haushalte befinden sich in einer prekären finanziellen Lage. Konjunkturell sind wir am Beginn einer schweren Rezession. Gleichzeitig steht die EZB mit dem Rücken zur Wand. Statt helfend einzugreifen, muss sie die Zinsen erhöhen, um die Inflation nicht noch weiter anzuheizen. Das böse Wort von der Stagflation macht die Runde", analysiert Börsen-Urgestein Peter E. Huber, Fondsmanager bei Taunus Trust.
Die Abrechnung: Leider sind alle diese Probleme hausgemacht
Die EZB habe die Inflationsgefahren trotz Warnungen zahlreicher Experten viel zu spät erkannt, so Peter E. Huber weiter. Er legt den Finger in verschiedene Wunden: "Durch immer strengere ESG-Richtlinien wurde seit Jahren immer weniger in die Erschließung neuer fossiler Energie- und Rohstoffquellen investiert, obwohl der verstärkte Ausbau alternativer Energien wegen hoher bürokratischer Hemmnisse nicht recht vorankam. Und durch eine verfehlte Sanktionspolitik gegenüber Russland haben wir uns endgültig den Ast abgesägt, auf dem wir sitzen. Die Aufkündigung einer jahrzehntelang bewährten Energiepartnerschaft hat fatale Folgen. So ist es kein Wunder, dass uns Moskau nach dem von uns verhängten Embargo für russische Kohle und russisches Erdöl den Gashahn zugedreht hat. Unseren Gasbedarf decken wir jetzt aus Norwegen zum vierfachen Preis und mit umweltschädlichem Fracking-Flüssiggas aus den USA. Gleichzeitig werden in ideologischer Verblendung weiter Kernkraftwerke abgeschaltet. Statt einer faktenbasierten Realpolitik erleben wir immer stärker eine wirklichkeitsfremde Empörungs-, Bevormundungs, Rettungs- und Schuldenpolitik."
Dass deutsche Aktien so unbeliebt wie nie sind, ist kein Wunder
Mit einer Wertentwicklung von minus 35 Prozent auf Dollarbasis im laufenden Jahr (per 30.9.) bildet der Kurs-DAX das Schlusslicht unter allen großen Börsenindizes und fällt unter die 12.000 Punkte-Marke. Noch Ende letzten Jahres haben die Börsenexperten fast unisono ein Kursziel von 17.000 Punkte für Ende 2022 genannt. Huer konkret: "Jetzt fängt es für antizyklisch agierende Investoren an, interessant zu werden. Denn die großen deutschen Aktiengesellschaften sind in der Regel international tätig und haben Produktionsstätten in aller Welt. Sie werden also zu Unrecht abgestraft. Und die exportorientierten Unternehmen in Deutschland profitieren von dem starken US-Dollar, sofern sie nicht zu energieintensiv sind."
Peter E. Huber und Taunus Trust auf der Käuferseite
Bei der hauseigenen Kapitalmarktanalyse verwendet man vor allem drei Kriterien: Die Bewertung, die monetäre Situation und das Sentiment.
Die Bewertung
Seit Anfang 2000 – also über die letzten 23 Jahre – hat der DAX Kurs-Index acht Prozent verloren. Gleichzeitig sind die ausgeschütteten Dividenden um 107 Prozent und die Unternehmensgewinne um 165 Prozent gestiegen. "Dies führt sowohl nach dem zyklisch bereinigten Shiller-Kurs/Gewinn-Verhältnis als auch nach dem Kurs/Buchwert-Verhältnis zu Bewertungen, wie wir sie sonst nur an den vorherigen Börsentiefpunkten im März 2020, Anfang 2009, März 2003 und Oktober 1987 gesehen haben", hält Peter E. Huber fest.
Quelle: Taunus Trust zum 30.09.2022
Damit dürfte auch ein stärkerer Gewinneinbruch bei den Unternehmen weitgehend in den Kursen enthalten sein. Denn im aktuellen Kursniveau sind nicht nur alle verfügbaren Informationen bereits enthalten, sondern auch die Erwartungen der Marktteilnehmer hinsichtlich der weiteren Entwicklung. Auch sollte man berücksichtigen, das Aktiengesellschaften relativ gut mit hoher Inflation zurechtkommen, wenn sie über entsprechende Preissetzungsmacht verfügen. Oft gehen zwar die realen Gewinne zurück, während sie nominell weiter steigen und damit die Bewertungen noch attraktiver machen.
Die monetäre Situation
„Never fight the FED“ lautet eine alte und bewährte Börsenregel. Und hier sieht es auf den ersten Blick düster aus. Die US-Notenbank als mit Abstand wichtigste Zentralbank der Welt hat der Inflation den Kampf angesagt. Sie erhöht radikal die Zinsen und entzieht durch Verkäufe von Anleihen dem Markt jeden Monat 95 Milliarden US-Dollar an Liquidität. Entsprechend kam es an den internationalen Bondmärkten bereits zu crashartigen Erscheinungen. Aufgrund der enormen Vermögensverluste werde die US-Notenbank ihre Politik allerdings nicht allzu lange durchhalten können, ist Peter E, Huber überzeugt.
Quelle: Gavekal Research
US-Rezession, aber ohne Erfolg an der Inflationsfront wie zu Volckers Zeiten
Nach Meinung von Taunus Trust wird die Fed mit ihren Maßnahmen eine Rezession auch in den USA verursachen, ohne die Inflation wirksam bekämpfen zu können. Dazu müsste sie wie Paul Volcker ab 1982 die kurzfristigen Zinsen über mehrere Jahre deutlich über die Inflationsrate heben, was angesichts der heutigen Staatsverschuldung praktisch nicht möglich ist. Die Märkte spüren das und preisen hier bereits einen stärkeren - temporären - Rückgang der Inflationsrate und eine Rezession ein.
Anders ist die Situation in Europa....
Um den Euro am Leben zu erhalten und Staatspleiten zu verhindern, könne die EZB die Inflation nur halbherzig bekämpfen, so Huber. "Die aktuellen Geldmarktsätze knapp über Null sind ein Witz bei einem Anstieg der Konsumentenpreise von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch wird dem Markt keine Liquidität entzogen, und es werden sogar weiter italienische Staatsanleihen gekauft. Und durch die bisherigen Gelddruckprogramme existiert nach Ansicht von Experten eine Überhangliquidität von über 500 Milliarden Euro. Die Geldpolitik ist also tatsächlich eher weiter expansiv als restriktiv". so sein Urteil.
Das Sentiment
Die Bären brüllen. Die Stimmung der Anleger ist auf beiden Seiten des Atlantiks tief im Keller. Für Antizykliker sind dies eindeutige Kaufsignale! Peter E. Huber: In den USA erreicht der Pessimismus der Investoren historische Extremwerte, wie sie nur im Börsentief der Finanzkrise im März 2009 erreicht wurden."
Quelle: Taunus Trust zum 30.09.2022
Ähnliches gilt auch für die Stimmung der Anleger in Deutschland, wie die folgende Grafik illustriert..
Quelle: Taunus Trust per 15.09.2022
Das Fazit: antizyklischer Positionsaufbau
Laut Peter E. Huber befinden wir uns dank der vielen Krisen in einem Umfeld, das zahlreiche langfristige Kaufchancen für deutsche Aktien eröffnet. Der Altmeister wird konkret: "Entsprechend stocken wir unsere Holdings antizyklisch jetzt schrittweise auf. Damit soll keineswegs gesagt sein, dass wir den Börsentiefpunkt bereits erreicht haben. Wir sind immer etwas früh dran. Eigentlich fehlen uns noch ein paar letzte Mosaiksteine: Ein starker Anstieg des Volatilitätsindikators VIX, ein Unfall wie zum Beispiel die Pleite eines großen Unternehmens und ein breiter Ausverkauf bei stark steigenden Umsätzen. Das alles wären wünschenswerte Hinweise aber nicht notwendigerweise Voraussetzungen dafür, dass der Börsentiefpunkt erreicht ist. Auf jeden Fall schätzen wir das Chance/Risiko-Verhältnis schon heute auf lange Sicht sehr positiv ein." (kb)