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Peter E. Huber: "Gespaltene Welt bedeutet auch gespaltene Börsen!"

Der geopolitische Konflikt zwischen dem alten Hegemon USA mit ihren europäischen Vasallen und Herausforderer China mit Juniorpartner Russland spaltet die Welt. Große Länder wie Indien, Brasilien, Saudi-Arabien oder Südafrika wollen sich nicht vor den Karren eines der beiden Rivalen spannen lassen.

"Willkommen in einer multipolaren Welt!", sagt Taunus Trust-Fondsmanager und Börsen-Urgestein Peter E. Huber
"Willkommen in einer multipolaren Welt!", sagt Taunus Trust-Fondsmanager und Börsen-Urgestein Peter E. Huber© martinjoppen.de / FONDS professionell

Spaltung gibt es nicht nur auf geopolitischer Ebene, sondern sie findet auch innerhalb der einzelnen Nationen statt. So stehen sich in den USA Demokraten und Republikaner immer feindseliger gegenüber, wobei die Demokraten eher links und die Republikaner eher rechts verortet werden. "Und auch bei uns zeigen die jüngsten Massenproteste gegen „rechts“, wie gespalten unsere Gesellschaft inzwischen ist. Wobei man unter „rechts“ alles subsumiert, was nicht dem rot-grünen Mainstream huldigt – wie die inflationäre Nutzung des Wortes „Nazi“ zeigt", ärgert sich Peter E. Huber, Fondsmanager bei Taunus Trust.

Seine Analyse lautet: Das Problem bestehe darin, dass man die Meinung Andersdenkender nicht mehr hören wolle, geschweige denn akzeptiere, da man seine eigene Meinung moralisch und ideologisch für die einzig richtige halte. "Diese Intoleranz zerfrisst unsere Gemeinschaft und ist eine echte Bedrohung für die Demokratie."

Auch die Entwicklung an den Börsen driftet auseinander: Staubsauger USA
Während US-Aktien in den letzten zehn Jahren um phänomenale 234 Prozent nach oben schossen, konnten die Aktien im Rest der Welt gerade mal kümmerliche 47 Prozent zulegen, wenn man den Vergleich in US-Dollar inklusive Dividenden durchführt. Peter E. Huber führt aus: "Bedingt durch den Boom des passiven Investierens und die wachsende Popularität der ETFs auf den MSCI-World-Aktienindex und den S&P 500-Index zieht Amerika wie ein riesiger Staubsauger das internationale Anlagekapital an die Wallstreet. Denn im MSCI Weltaktienindex ACWI sind US-Aktien mit 61,8 Prozent gewichtet, während zum Beispiel chinesische Aktien nur mit 2,3 Prozent berücksichtigt werden. Und auch die S&P 500-ETFs sind absolute Schwergewichte. Allein der Vanguard S&P 500 ETF bringt es auf ein Fondsvolumen von 413 Milliarden US-Dollar."

Quelle aller Grafiken: Taunus Trust

Ausgepumpte amerikanische Indexschwergewichte sorgen für Klumpenrisiko
Die riesigen Zuflüsse an Anlagekapital ermöglichten es den Amerikanern, im Technologiebereich Indexschwergewichte mit fast monopolartigen Strukturen aufzupumpen. So sind die „glorreichen Sieben“ im MSCI-Weltaktienindex mit 17 Prozent gewichtet und im S&P 500 sogar mit 27 Prozent. Was für die Amerikaner ein gravierender Prosperitätsfaktor ist, ist für die Investoren ein erhebliches Klumpenrisiko.

Chinesischen Unternehmen wurden die Flügel gestutzt durch die eigenen Regierung
Die Chinesen hätten dagegen nicht begriffen, so Huber, dass starke Unternehmen ein Machtfaktor im internationalen Wirtschaftswettbewerb seien. Sie hätten ihren wachstumsstarken Privatunternehmen durch Regulierung die Flügel gestutzt und sie an die Kandare genommen. Heute drifte die Börse im Reich der Mitte auf einem Fünf-Jahres-Tief dahin, und der Staat sei zudem mit einer veritablen Immobilienkrise belastet. Ausländische Investoren seien auf der Flucht. "Vielleicht eine Chance für antizyklische Investoren", gibt Peter E. Huber zu bedenken.

Große Bewertungsunterschiede zwischen Growth und Value
Eine weitere Kluft tut sich zwischen der Entwicklung bei Wachstumsaktien (Growth) und Substanzwerten (Value) auf. So konnte der MSCI World Growth Index in den letzten zehn Jahren 210 Prozent zulegen, während der MSCI World Value Index abgeschlagen bei 96 Prozent landete. Auch hier verstehen sich die Angaben in US-Dollar inklusive Dividenden.

"Der starke Kursanstieg der Wachstumsaktien ging mit einer Bewertungsexpansion einher, da das Gewinnwachstum bei den Unternehmen nicht Schritt halten konnte. So werden Wachstumsaktien inzwischen mit einem durchschnittlichen Kurs/Gewinn-Verhältnis von 33 bezahlt, währen Valueaktien mit dem 14-fachen Jahresgewinn und einer Dividendenrendite von 3,2 Prozent recht moderat bewertet werden. Da hier unser Jagdgebiet liegt, finden wir trotz der All-time-Hochs an den Börsen immer wieder attraktive Anlagemöglichkeiten", freut sich Peter E. Huber.

Melt-up-Boom oder Börsencrash?
Interessanterweise sei in den nächsten Jahren sowohl ein Melt-up-Boom als auch ein veritabler Börsencrash möglich, findet Huber. "Viele Aktienmärkte haben inzwischen neue Allzeit-Höchststände erreicht. So ist der gleichgewichtete S&P 500-Index vor kurzem aus einer dreijährigen Seitwärtsbewegung nach oben ausgebrochen, was darauf hindeutet, dass der Aufschwung an Breite gewonnen hat. Und in Japan konnte der Nikkei 225 seinen Ende 1989 erreichten Hochpunkt überschreiten. Damit ist der Weg nach oben frei und es gibt keine Widerstände mehr."

Angetrieben wird die Aufwärtsbewegung offensichtlich von einer Liquiditätsflut
So hätten die führenden Notenbanken ihre aufgeblähte Bilanz bisher nur geringfügig abgebaut. Die japanische Notenbank verfolge weiter einen extrem expansiven Kurs und in China sänken die Zinsen. Viele Unternehmen schwömmen in Cash und verwöhnten ihre Aktionäre mit Aktienrückkäufen und Dividendenerhöhungen. Das Volumen der US-Geldmarktfonds habe sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt und inzwischen die 6.000 Milliarden-Dollar-Marke überschritten. "Sollte die FED wegen rückläufiger Inflationsraten im Jahresverlauf tatsächlich die Zinsen senken, könnte es weitere Zuflüsse in Aktien geben", meint der Altmeister der Value-Anlage.

Auf der anderen Seite gibt es weiterhin viele Krisenherde
So zum Beispiel am Immobilienmarkt. In den USA verzeichnet man eine rekordhohe Büroleerstandsquote von 20 Prozent, und in China warten 100 Millionen Wohnungen vergeblich auf einen Käufer. Zudem flossen bisher die flüssigen Mittel fast ausschließlich in Technologieaktien, wo sich bei den „glorreichen Sieben“ Anzeichen einer klassischen Blasenbildung zeigen. "Sie erfüllen die drei O-Kriterien (overvalued, overloved, overinvested)", ist Peter E. Hüber überzeugt.

Staatsschuldenkrise unvermeidbar!
"Entscheidend ist jedoch, dass wir weltweit sehenden Auges in eine ernste Staatsschuldenkrise hineinlaufen", ist Huber überzeugt. "Nassim Taleb hat dies als weißen Schwan bezeichnet, da sich kein Weg aus der Schuldenspirale abzeichnet. So fahren bereits jetzt die USA unter anderem mit dem „Inflation Reduction Act“ (IRA) unfassbare jährliche Budgetdefizite von sieben Prozent des Bruttosozialprodukts. Und auch sonst wird überall fleißig Geld ausgegeben, das man nicht hat. Die Sozialausgaben wurden überall kräftig aufgebläht. Das ist aber noch gar nichts im Vergleich zu dem, was auf längere Sicht auf uns zukommt. Wachsende Defizite bei Renten und Pensionen und im Gesundheitswesen, die Armeen müssen anscheinend dringend „kriegstüchtig“ gemacht und die Wirtschaft auf eine CO2-neutrale Basis umgestellt werden und vieles mehr. Das Schlimme ist, dass all diese Ausgaben konsumptiv sind, das heißt keine Rendite bringen. Mit einem Panzer kann man zwar Leute umbringen, erzielt aber keine Wertschöpfung. Öffentliche Investitionen zum Beispiel in die Verkehrsinfrastruktur oder in das Bildungssystem kommen dafür oft zu kurz. Zu allem Überfluss weist auch der Privatsektor weltweit bereits eine Rekordverschuldung auf."

Notenbanken werden bald wieder als Retter in der Not gefragt sein
Wer die ganzen Staatsschulden finanzieren soll, ist Peter E. Huber vor diesem Hintergrund völlig schleierhaft. Letztendlich werden die Notenbanken als „Lender of Last Resort“ wieder einspringen – unabhängig von der jeweiligen Situation an der Inflationsfront.

Zur vermuteten Flucht in Sachwerte
"Ich ging bisher davon aus, dass die damit verursachte Vertrauenskrise eine Flucht in Sachwerte wie Aktien oder Gold auslösen würde. Vielleicht ist die aktuelle Börsenhausse trotz lausiger Wirtschaftsdaten aufgrund der absehbaren Entwicklung an der Schuldenfront bereits ein Teil dieser Fluchtbewegung. Das würde den Märkten natürlich noch viel Potential nach oben eröffnen, zumal der überwiegende Teil der Aktiengesellschaften noch immer eine maßvolle Bewertung aufweist. Deshalb sind wir trotz aller Risikofaktoren in unserem Vermögensfonds weiter mit 60 bis 70 Prozent signifikant in Aktien investiert", lässt der Altmeister des Value-Investments wissen. (kb)

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