Luca Paolini, Pictet: „Wir sind optimistisch, aber nicht euphorisch!“
Der Chefstratege von Pictet AM zeichnete vor Profianlegern in Wien ein aktuelles Bild der Märkte und erklärte, wie Investoren seiner Ansicht nach am besten durch das bevorstehende und wohl schwierige Anlagejahr 2025 navigieren sollten und wo sie ein gutes Chancen-/Risikoverhältnis finden.
„Wir sind optimistisch, aber nicht euphorisch gestimmt“, erklärte Luca Paolini, Chefstratege von Pictet Asset Management, zu Beginn seines Marktausblicks auf das Jahr 2025 vor professionellen Marktteilnehmern in Wien, um im selben Atemzug vorneweg folgende Kernbotschaft zu vermitteln: Da die US-Wirtschaft noch immer stark ist und damit ein gutes Chancen-/Risikoverhältnis für Aktien besteht, sollten Anleger in diesem Segment weiterhin voll investiert bleiben – aber auch bereit sein, beim Auftauchen neuer Risiken oder dem Eintreten bekannter Risiken zügig einen Teil ihrer Risikopositionen zu schließen.
Höchststände sind an den Aktienmärkte fast schon normal
Investierte Aktienanleger sollten sich nicht von den in den letzten Monaten regelmäßig erreichten Höchstständen an den Börsen zum Verkauf verleiten lassen. In einem klassischen Bullenmarkt sei es relativ normal, dass ein Hoch dem anderen folgt. Rein statistisch gesehen würden Aktien über 30 Prozent aller Zeiträume in der Nähe eines Höchststands notieren. „Das ist kein Grund nervös zu werden“, riet Paolini zur Gelassenheit.
Trotzdem sollten Investoren mit Argusaugen die Marktentwicklung beobachten. Denn die gute, fast schon ausgelassene Investorenstimmung hat dazu geführt, dass einerseits Aktien ein Rekordniveau nach dem anderen erreichen und Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen auf so niedrigen Niveaus sind, die zuletzt kurz vor dem Platzen der Blase im Jahr 2007/08 beobachtet wurden, andererseits der Goldpreis (als „sicherer Hafen“) auf Rekordständen notiert. Irgendetwas muss nachgeben“, meinte Paolini mit Blick auf die erste Grafik in der obigen Bildergalerie
Trump ist ein Risiko
Ein Risikofaktor könnte die neuerliche Präsidentschaft von Donald Trump respektive die von ihm verhängten Zölle gegenüber exportlastigen Wirtschaftsmächten wie China oder Europa werden. Das würde vor allem das derzeit auf fast allen Ebenen schwächelnde Europa besonders hart treffen.
Der Alte Kontinent hofft auf einen „Trigger“
Europäische Aktien gelten zwar im internationalen Vergleich als günstig bewertet, Paolini sieht aber – so wie wohl die meisten Verantwortlichen der großen Kapitalsammelstellen – derzeit keinen aktuellen „Trigger“ für eine Hausse bei europäischen Unternehmen. Das gilt insbesondere für jene Firmen, deren Umsätze und Gewinne von der Entwicklung am europäischen Binnenmarkt abhängen. Europäische Aktien wären jedoch spätestens dann ein Investment wert, falls in der Ukraine ein Waffenstillstand oder gar ein Frieden von den Kriegsparteien vereinbart werden würde.
Trumponomics lässt KGVs schrumpfen
In den USA würde Trumps Politik – trotz vieler Bedenken und nachteiliger Folgen einzelner Maßnahmen, wie beispielsweise Massen-Deportationen – in Summe für eine wachsende Wirtschaft und höhere Unternehmensgewinne sorgen. Unter Berücksichtigung aller Maßnahmen inklusive deren prozentuellen Umsetzungswahrscheinlichkeiten erwartet Pictet AM aufgrund höherer Unternehmensgewinne einen KGV-Rückgang von 14 Prozent. Falls Trump alle seine Pläne vollinhaltlich umsetzen könnte, würde das KGV sogar um bis zu 37 Prozent sinken (siehe die Grafik oben) – und damit die Aktienkurse wohl weiter nach oben treiben.
Gewinnmitnahmen einplanen
Eingedenk dessen, dass zukünftig irgendwann alle guten Nachrichten respektive Fantasien auf bessere Zeiten in den US-Aktienkursen eingepreist sind, sollten Investoren Paolini zufolge für sich selbst einen „mentalen“ Verkaufszeitpunkt bestimmen. Angesichts eines KGVs beim S&P500 von derzeit zirka 22 würde Paolini bei einem KGV-Stand von 25 Verkäufe vornehmen.
Er glaubt, dass das Jahr 2025 an den Aktienmärkten zumindest anfangs noch steigende Kurse bringt, bevor es gegen Jahresmitte „ungemütlicher“ werden könnte und eine Korrektur einsetzt.
Zu hohe Schulden werden ein Problem
Da unter dem spendierfreudigen Trump das US-Haushaltsdefizit weiterhin hoch bleiben oder gar steigen könnte, sieht Paolini bei Staatsanleihen anderer Länder ein besseres Chancen-/Risikoverhältnis – vor allem unter dem Blickwinkel der „realen“ Renditen, also der Nominalverzinsung abzüglich Inflation. Paolini erachtet Staatsanleihen von Großbritannien sowie von lateinamerikanischen Ländern wie Brasilien, Kolumbien, aber auch Mexiko, als attraktiv bewertet. „Wir finden guten Wert in UK Gilts – vor allem im Vergleich zu Deutschen Bundesanleihen“, erklärte Paolini.
Von welche Szenarien Paolini im Jahr 2025 ausgeht und wie sich diese auf die unterschiedlichen Marktsegmente auswirken würden, können Sie der letzten Grafik in der Bildergalerie oben entnehmen. (aa)