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Künstliche Intelligenz statt Trader Sapiens? Es beginnt ... jetzt!

Anno 2017 wird für die Finanzindustrie möglicherweise in die Geschichte eingehen. Denn im März dieses Jahres wurde in Deutschland der erste, komplett durch künstliche Intelligenz gesteuerte UCITS-Fonds ­zugelassen. Kann das funktionieren? Und was bedeutet das für den Homo Sapiens unter den Managern?

Künstliche Intelligenz hat vor allem eines: ein Imageproblem. Egal ob in der Gestalt des paranoid gewordenen intelligenten Lebenserhaltungssystems HAL aus dem Science-Fiction-Klassiker „2001 Odyssee im Weltraum“ oder in seiner brachialeren Inkarnation als Vernichtungsroboter Terminator oder in der metaphysischen Variante aus der Matrix-Trilogie – am Ende lautet das Resultat: Maschine killt Mensch.

Und jetzt das: Im März 2017 wurde in Deutschland von BayernInvest und Acatis der erste Publikumsfonds zugelassen, der laut Emittenten „zu 100 Prozent von künstlicher Intelligenz gesteuert wird“. Der Bayerninvest Acatis KI Aktien Global Fonds, der unter der ISIN DE000A2AMP25 gelistet ist, setzt dabei weltweit auf Einzeltitel und soll den MSCI World nachhaltig um drei Prozent per annum outperformen. Die künstliche ­Intelligenz, deren Architektur von der Softwareschmiede mit dem klingenden Namen Quantenstein entwickelt wurde, wählt dabei aus einem Anlageuniversum von rund 4.000 Aktien bis zu 50 Titel aus entwickelten Ländern aus und schichtet halbjährlich um. „In einem Walk-Forward-Test wurde dieses Ziel in neun von elf Jahren deutlich übertroffen. Drawdowns wurden dabei schneller aufgeholt als vom MSCI World Index selbst“, heißt es in der Beschreibung des Produkts

Quants und Homo Sapiens obsolet?

Die Terminologie erinnert frappant an all die Zauberformeln, die man bereits von den „Quants“ aus der Smart-Beta-Industrie kennt – ­also am Ende doch nur alter Wein in neuen Schläuchen? „Definitiv nicht, das ist etwas vollkommen anderes“, erklärt Alessandro Di Soccio, Co-Gründer von A.I. Machines, am Rande der „Artificial Intelligence Investor Conference“, die im März dieses Jahres vom in der Schweiz ansäs­sigen Veranstalter Nextgen Alpha in Frankfurt organisiert wurde. Di Soccio ist von seiner Vita her ein gestandener Investmentbanker mit Citigroup-Vergangenheit, der als Bologna-Absolvent mitunter eine leichte Gereiztheit beim Thema „Harvard“ an den Tag legt.Klassische passive Strategien hält er für obsolet und zählt deren Anwender zu den „Old Quants“, die er von den „New Quants“ unterscheidet.

Wer an dieser Stelle glaubt, dass sich Di Soccio selbst als „New Quant“ sieht, irrt: Sein Status als Homo Sapiens schließt das aus . Und genau hier beginnt die Abgrenzung zwischen dem ­bekannten algogetriebenen Trading und dem, was künstliche Intelligenz bedeutet. Die ­bisherigen automatisierten Modelle hatten alle eine gemeinsame Ausgangsbasis: die menschliche. Denn die jeweiligen Modelle wurden von Menschen vorgegeben und ­basierten auf humanen A-priori-Ansichten darüber, wie Märkte funktionieren. Außerdem verfolgen „herkömm­liche Quant-Strategien in der Regel einen Top-down-Ansatz, die Erwartungen und Katalysatoren werden kodiert und vereinfacht gesagt über simple Wenn-dann-Verzweigungen geführt. Es handelt sich also um statische, regelbasierte Sys­teme“, erklärt Di Soccio die alte ­Finanzwelt.

Sich selbst erschaffende Intelligenz

So weit, so gut, doch wie agieren nun künstliche Intelligenzen? Die ers­te Antwort ist relativ simpel: ohne Menschen. „Die Intelligenz kreiert ihr Modell selbst und verfolgt dabei einen Bottom-up-Ansatz aus den vorhandenen Daten. Sie nimmt dann die sich daraus entwickelnden Verbindungen, ,kartografiert‘ sie, lernt aus der Vergangenheit und kalibriert das Modell entsprechend neu“, erklärt Di Soccio. Myriaden an Daten werden selbst erlernt und unablässig ausgewertet und je nach Bedarf neu zusammengesetzt. Unmöglich, dass ein menschlicher Programmierer oder ein menschliches Team eine quasi unendliche Anzahl an If-then-Verknüpfungen programmieren und immer wieder re-programmieren könnte. Es ist dieselbe Technologie, die die bis vor Kurzem für Computer nicht zu bewältigende Gesichtserkennung möglich gemacht hat. Ein normaler Algorithmus kann das nicht: Zu viele Punkte, die einen Gesichtszug ausmachen, müssten ausgewertet werden. Das menschliche Gehirn schafft das intuitiv, AI-Algorithmen ahmen das nach. Technisch ermöglicht hat dies das Konzept des „Deep Learning“ (siehe Kasten „Deep Learning – Ende und Anfang von allem“), das theoretisch zwar schon seit Jahrzehnten bekannt, aber erst seit Kurzem technisch umsetzbar ist.

Brave New Intelligence

Für einen Investor, der die Brave New World der artifiziellen Intelligenz nützen will – wohl nicht zuletzt, weil er die Kos­tenthematik aktiver Anlagen im Hinterkopf hat –, stellt sich aber die Frage: Erwirtschaftet diese Technologie eine Überrendite? Ers­te Indikatoren deuten darauf hin, dass diese Frage mit Ja zu beantworten ist – zumindest was die menschliche Konkurrenz betrifft. Laut Bloomberg-Daten aus den Jahren 2015 und 2016 schafften alle Fonds, die weltweit von künst­licher Intelligenz gemanagt wurden, gegenüber allen Fonds, die von Managern auf Kohlenstoffbasis verwaltet wurden, eine Überrendite von rund 20 Prozentpunkten.

Skepsis aus der Vergangenheit

Zugegeben: Der so definierte Beobachtungszeitraum ist überschaubar und entsprechend bedingt aussagekräftig. Die noch junge Technologie und die ebenso kurzen Track Records lassen eine längere Beobachtungszeit schlicht nicht zu. Entsprechend vorsichtig zeigt man sich mitunter in der Finanzbranche. Zwar forschen neben den Vorreitern von Acatis und Bayerninvest auch Hedgefondsspezialisten der Man Group, von WorldQuant oder Winton an dieser Technologie, gerade Letzteren setzt aber bis zu ­einem gewissen Grad das Gebranntes-Kind-Feuer-Trauma zu: „Wenn man in den 1990er-Jahren den ­Hype rund um künstliche Intelligenz und die darauf folgende Ernüchterung miterlebt hat, neigt man dazu, skeptisch zu sein“, erklärt David Harding, CEO des rund 30 Milliarden Euro schweren Quanten-Fonds.

Physik statt Statistik

Was unter Umständen zu den Zweifeln beiträgt, ist die Tatsache, dass man das Gefühl hat, in eine Blackbox zu investieren. Dass es sich bei Deep Learning um eine möglichst akkurate Simulation des menschlichen Gehirns mit enorm hohem Verknüpfungsgrad handelt, mag ja schön und gut sein, doch reicht diese Information aus, um die Gelder der eigenen Klientel von einer intelligenten Maschine verwalten zu lassen? Fragt man die Techniker nach der genauen Funktionsweise ihrer KI-Algorithmen, geben diese sich tendenziell zugeknöpft – entweder weil sie das Gefühl haben, wertvolle Programmierzeit durch unnütze Laienaufklärung zu vergeuden, oder weil sie sich nur ungern in die Karten blicken lassen. Stefan Ruile, Co-Gründer von Autonomous Capital, gehört weder zur einen noch zur anderen Spezies. „Physik statt Statistik“, erklärt er. Dem fragenden Gesichtsausdruck folgt eine Präzisierung: „Wir halten uns komplett aus der Statistik heraus und treffen keine Annahmen. Stattdessen orientieren wir uns an physikalischen Gesetzen. Denken Sie an Quantenmechanik, denken Sie an elektrische Feldtheorie.“ Ruile ist jetzt in seinem Element: „Stellen Sie sich zum Beispiel die Fresenius-Aktie vor. Sie folgt einem gewissen Weg, hat eine gewisse Masse, übt deshalb auch eine Art von Schwerkraft aus. Da kann es zu Wechselwirkungen kommen, der Weg der Aktie kann abgelenkt werden. Die künstliche Intelligenz lernt, wie sie sich durch diese Karte bewegen soll.“

600 KIs, 600 Meinungen

Bemerkenswert auch der Ansatz, den Di Soccio verfolgt. Er simuliert mit seinem ­System nicht weniger als das gesamte Trading-Team einer Großbank. Die KIs werden dabei in drei Hierarchien eingeteilt. 600 selbst lernende KI-Analysten verarbeiten dabei die zugeführten Daten und geben Prognosen über die Entwicklung von Assetpreisen ab. Ein „Head-KI-Analyst“ führt die ­Ergebnisse zusammen und gibt für jedes einzelne Asset eine Empfehlung wie „Buy“, „Hold“ oder „Sell“ ab. Diese Einschätzungen landen dann bei einem KI-Risk-Manager, der „dynamisch die Gewichtung über die Assetklassen hinweg vornimmt und da­rauf achtet, das zu erwartende Kapitalverlustrisiko unter Einhaltung der Renditeziele zu minimieren“, wie Di Soccio erklärt. Hier könnte man als kritischer Investor nachhaken und fragen, ob nicht das Risiko besteht, dass bei 600 verschiedenen Algorithmen, die auf dieselben Datensets zurückgreifen, alle 600 KI-Analysten letzten Endes dieselbe Meinung vertreten, es also keine Streuung der Einschätzung gibt. Di Soccio winkt ab. Jedem AI-Analysten wurden verschiedene Attribute einprogrammiert, die KIs werten die Daten also aus verschiedenen Blickwinkeln aus, wodurch 600 individuelle Einschätzungen entstehen.

Der "Rote Knopf" ...

Im Rahmen der oben angeführten Bildgalerie haben wir die wichtigsten Erkenntnisse zum Thema zusammengefasst. Den kompletten Artikel, der unter anderem der Frage nach dem "Roten Knopf", der "Coolness von KI" aber auch der Entstehungsgeschichte des Phänomens nachgeht, finden Sie in der Print-Ausgab 2/2017 von Institutional Money oder über diesen Link in Form des E-Papers von Institutional Money.(hw)

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