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Joachim Nagel: EZB sollte Leitzinsen nicht überstürzt reduzieren

Die Europäische Zentralbank sollte weitere Zinssenkungen laut Ratsmitglied Dr. Joachim Nagel nicht überstürzen, insbesondere da sich die Zinsen einem Niveau nähern, das die Wirtschaft weder einschränkt noch ankurbelt.

Dr. Joachim Nagel, Bundesbank
Dr. Joachim Nagel, Bundesbank© Alex Kraus / Bloomberg

“Je näher wir dem neutralen Zinssatz kommen, desto angemessener ist es, schrittweise vorzugehen”, sagte der Bundesbankchef Dr. Joachim Nagel am Mittwoch in einem Vortrag an der London School of Economics. Nach Berechnungen der Bundesbank liegt der neutrale Zinssatz bei 1,8 bis 2,5 Prozent – knapp unter dem Einlagensatz, der derzeit bei 2,75 Prozent liegt.

Kein Autopilot
Die EZB sollte nicht “auf Autopilot” schalten, so Nagel. “Es gibt keinen Grund, in der gegenwärtigen unsicheren Lage voreilig zu handeln”, führte er aus. “Die Daten werden uns zeigen, wo wir hin müssen.”

Die EZB hat ihren Einlagensatz seit Juni um 125 Basispunkte gesenkt. Während Analysten und Investoren auf eine weitere Zinssenkung im nächsten Monat setzen, ist weniger klar, was nach März passiert, da die Diskussionen unter den Währungshütern immer kontroverser werden.

Zerreißprobe
Die Inflation, die im Januar bei 2,5 Prozent lag, wird in diesem Jahr voraussichtlich das Zwei-Prozent-Ziel nachhaltig erreichen. Einige Währungshüter befürchten jedoch Aufwärtsrisiken durch höhere Energiekosten und Zölle, während andere befürchten, dass die schwache Konjunktur in der Eurozone die Teuerungsrate unter dieses Ziel drücken könnte.

“Wir sind noch nicht am Ziel, aber ich bin wirklich sehr davon überzeugt, dass wir bis Mitte dieses Jahres unser Ziel erreichen werden – das sind also gute Nachrichten”, sagte Nagel. Es bestehe keine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Inflation unterschritten werde.

Ein Zeichen für die anhaltenden globalen Preisrisiken sind die US-Inflationsdaten für Januar, die höher ausfielen als erwartet. Das veranlasste Händler dazu, ihre Wetten auf eine EZB-Lockerung für den Rest des Jahres auf 75 Basispunkte zu reduzieren.

Die Währungshüter in Frankfurt sind sich uneins darüber, wo genau das neutrale Zinsniveau liegt. Jüngste Äußerungen aus dem Rat signalisierten eine Spanne von knapp unter 2,0 bis 3,0 Prozent. Aktualisierte Schätzungen des EZB-Stabs deuteten letzte Woche hingegen auf 1,75 bis 2,25 Prozent hin. Dabei wurde jedoch gewarnt, sich nicht zu sehr auf das Konzept zu verlassen.

"... äußerst nützlich"
Es wäre “riskant”, geldpolitische Entscheidungen auf unsichere Schätzungen des neutralen Niveaus zu stützen, sagte Nagel. Für ihre Bewertungen ziehe die EZB eine Vielzahl von finanziellen, realwirtschaftlichen und anderen Indikatoren heran.

Die Neutralität bezeichnete Nagel jedoch als “äußerst nützlich”, da sie anzeige, “wann wir bei Leitzinsänderungen vorsichtiger sein müssen, um keine falschen Schritte zu unternehmen.”

Er warnte auch davor, einfach den Mittelwert einer Spanne zu wählen, da dies “möglicherweise kein guter Mittelwert” sei. (aa)

Die Zinsen in der Eurozone im Langfristvergleich

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