ITA-Übernahme: Droht der Lufthansa eine Bruchlandung?
Mit dem Einstieg der Lufthansa bei der italienischen ITA Airways steht der erste große Deal in der Luftfahrtbranche seit Jahren bevor. Die Übernahme ist die vielleicht letzte Chance für die Nachfolgerin der Alitalia. Doch für den Markt und die Verbraucher ist es eine schlechte Nachricht.

© Eyb & Wallwitz
Lufthansa will bei ITA Airways einsteigen – diese Meldung scheint zunächst keine Neuigkeit zu sein. Denn es ist nicht der erste Versuch der deutschen Fluggesellschaft, sich am italienischen Konkurrenten zu beteiligen. Nun muss es aus Sicht der ITA endlich klappen, denn der Deal scheint fast alternativlos: Zum einen macht ITA laut Medienberichten täglich 1,5 Millionen Euro Verlust. Zum anderen gibt es keine Mitbieter.
Letzte Rettung vor der Insolvenz?
Das Angebot der Lufthansa könnte für die Italiener die letzte Rettung vor der Insolvenz sein. Und auch aus ökonomischer Sicht ist der Zusammenschluss naheliegend: „Die Luftfahrtbranche ist ein schrumpfendes Segment. Im Vergleich mit den USA zeigt sich, dass in Europa Überkapazitäten bestehen. Eine Konsolidierung ist daher ein logischer Schritt”, stellt Dr. Ernst Konrad, Lead Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz, fest. Die Corona-Pandemie hatte alle Airlines unerwartet und hart getroffen. Nach dem Ende der Beschränkungen stiegen zwar die Urlaubs- und Städtetrips stark an, die Zahl der Geschäftsreisen entwickelte sich jedoch verhalten. Was angeschlagene Gesellschaften zusätzlich belastet: Wer privat reist, schaut häufig stärker auf die Kosten – und entscheidet sich für günstigere Anbieter wie easyJet oder Ryanair. Und so hat die erst im November 2020 gegründete ITA in den letzten Jahren Marktanteile an Billigflieger verloren.
Schumpeter würde gegen die Übernahme stimmen
Doch die Übernahme habe auch Schattenseiten, betont Dr. Ernst Konrad. "Die Lufthansa gewinnt durch den Deal neue Verbindungen dazu und kann ihren Marktanteil in Südeuropa ausbauen. Die so entstehende höhere Marktmacht gibt der Airline dann mehr Spielraum, etwa bei den Ticketpreisen und beim Einkauf." Konrad verweist dabei auf den österreichischen Nationalökonomen Joseph Schumpeter: „Zwar werden überzählige Kapazitäten abgebaut und die verbleibenden Unternehmen könnten gestärkt werden. Gleichzeitig sinkt aber die Zahl der Anbieter in einem Markt, der ohnehin eine oligopolistische Struktur hat.“ Schumpeter versteht Wettbewerb als Motor für eine ständige Erneuerung der Wirtschaft. Weniger Konkurrenz bremst den Schwung und führt häufig zu steigenden Preisen. Hinzu kommt: Wenn ein Unternehmen kein vielversprechendes Geschäftsmodell hat und sich nicht am Markt behaupten kann, dann muss es nach Schumpeters Verständnis untergehen. Daher würde er die Übernahme ablehnen, ist sich Konrad sicher.
Deal bringt einige Risiken für Lufthansa
Anders als die frühere Alitalia hat die ITA weniger Mitarbeiter, weniger Flugzeuge und niedrigere Kosten. Und dennoch ist sie hoch defizitär. Dr. Konrad dazu: "Die Gesellschaft zu sanieren, wird wahrscheinlich nicht einfach werden. Lufthansa hat bereits Erfahrungen darin gesammelt, andere Gesellschaften zu sanieren: Sowohl die Swiss als auch die Austrian Airlines mussten nach der Übernahme für die Zukunft fit gemacht werden." Dieses Knowhow könnte sich nach Ansicht von Konrad auszahlen. Von Vorteil sei außerdem, dass das Management in Frankfurt selbst im Falle einer Minderheitsbeteiligung die operative Steuerung der ITA übernehmen werde.
Unsicherheitsfaktor ist die oft kurze Lebensdauer italienischer Regierungen
Mario Draghi, bis Oktober 2022 italienischer Ministerpräsident, hatte zur Rettung der ITA auf exklusive Gespräche mit Investoren gesetzt, die Lufthansa aber ausgeschlossen. Dank eines Dekrets von Draghis Nachfolgerin Giorgia Meloni konnten die Deutschen wieder mitbieten. Kommt es nun zu einem plötzlichen Regierungswechsel, so könnte sich auch der Handlungsspielraum des deutschen Teilhabers verringern. Fluggesellschaften sind häufig das Prestigeobjekt eines Landes. Eine neue italienische Führung könnte beispielsweise versuchen, auf künftige Flugpläne oder Ziele der ITA Einfluss zu nehmen. Ein weiteres Risiko sind die italienischen Gewerkschaften. Sollte die Sanierung der ITA mit dem Abbau von Arbeitsplätzen verbunden sein, werden die Gewerkschaften sicher versuchen, diese zu verhindern.
Und noch aus einem weiteren Grund ist die Beteiligung riskant
Dr. Konrad: "Als der Flugverkehr durch die Corona-Pandemie zusammenbrach, machte auch die Lufthansa jeden Tag hohe Verluste. Nur durch deutsche Staatshilfen konnte der Konkurs verhindert werden. Die Mittel hat das Unternehmen vollständig zurückgezahlt. Die Ticket-Nachfrage liegt aber noch immer unterhalb des Niveaus vor der Pandemie. Hinzu kommt: Schon heute gehören zum Konzern 13 verschiedene Fluggesellschaften mit teils völlig unterschiedlichen Arbeitsbedingungen, Tarifverträgen und Gehaltsvereinbarungen. Sobald die ITA eingegliedert wird, wird es noch komplexer. Auch wenn die Zahl der Anbieter im Luftfahrtmarkt weiter schrumpft, so wird es Lufthansa auch künftig nicht gelingen, dauerhafte Monopolrenten zu erzielen."
Droht der Lufthansa also eine Bruchlandung?
Dr. Konrad ist grundsätzlich zuversichtlich: „Die erfolgreiche Sanierung von Austrian Airlines und Swiss können als ‚Blaupause‘ dienen. Dieses Knowhow könnte sich nun auszahlen.“ Wenn sich der Konzern gegen die Billiganbieter behaupten will, dann wird er jetzt verstärkt in die Flotten investieren müssen. (kb)