Investment Professionals erwarten tiefere Immobilienpreise und -Quoten
In der DVFA-Monatsfrage Februar wurden die Investment Professionals nach den Implikationen von hoher Inflation und Zinswende für die Immobilienallokation von Pensionskassen und anderen Multi-Asset-Investoren befragt.

Nach Jahren eines sehr guten konjunkturellen Verlaufs im Immobiliensektor hat die Branche massiv mit den Auswirkungen des Zinsanstiegs zu kämpfen. Die Umfrageergebnisse bestätigen erste sichtbare Anzeichen in Bezug auf deutliche Preiskorrekturen, deuten jedoch auch auf weitere strukturelle Anpassungen hin.
Multi Asset wird wohl Immo-Quoten verringern
„Im Umfeld sinkender Renditeerwartungen für den Immobiliensektor erwarten unsere Mitglieder tendenziell eine Reduktion der Immobilienquote in den Portfolios von Multi-Asset-Investoren“, kommentiert Thorsten Müller, DVFA-Vorstandsvorsitzender und Mitglied der DVFA-Kommission Immobilien. „Die Einschätzung bezüglich der Immobilienaktien überrascht mich – hier hätte ich ein klareres Signal erwartet, dass „das Schlimmste“ bereits überstanden ist. Auch eine signifikante Anpassung der Immobilienquoten nach unten könnte den Markt neben den aktuellen Zinseffekten auf Preise zusätzlich belasten“, kommentiert Prof. Dr. Sven Bienert, Universität Regensburg und Mitglied der DVFA-Kommission Immobilien.
Sinkende Immobilienpreise erwartet: Korrektur sollte zehn Prozent nicht übersteigen
Für das Jahr 2023 erwarten 71 Prozent der Antwortenden, über alle Segmente und Regionen betrachtet, sinkende Preise. Überwiegend sollten die Korrekturen im Preisband von minus fünf bis zehn Prozent notieren – nur jeder zehnte Teilnehmer der Umfrage erwartet stärkere Einschnitte von über zehn Prozent. Die Ergebnisse decken sich somit mit anderen Studien und auch dem aktuell bereits beobachtbaren Markttrend. Der Umfang wäre somit „verdaubar“; Horrorszenarien, wie von einigen Markt-Auguren prophezeit, sind aus Sicht der DVFA Investment Professionals eher nicht zu erwarten.
Attraktivität sinkt im komparativen Vergleich: Rückläufige Immobilienquoten erwartet
Während der letzten zehn Jahre stieg im Durchschnitt die gesamte Immobilienquote (direkt und indirekt gehalten) von Anlegern, die in diverse Anlageklassen investieren – auf über zwölf Prozent bis Ende 2021. Gefragt wurde nach der künftigen Entwicklung der aktiven Allokation (prozentualer Immobilienanteil am Gesamtvolumen der Anlagen beziehungsweise Immobilienquote) von Multi-Asset-Investoren in Immobilien in Deutschland. Die Frage bezog sich zum einen auf eine Schätzung für 2023 und zum anderen auf eine mittelfristige Perspektive über mehrere Jahre.
Erwartungen auf kurze und mittlere Sicht
Für 2023 erwarten fast 50 Prozent, dass die Quote maximal gleichbleibt (27 Prozent) oder bereits sinkt (20 Prozent). Was die mittelfristige Perspektive betrifft, so glaubt sogar jeder vierte Befragte (25 Prozent) an eine sinkende und nur 21 Prozent an eine stabil bleibende Quote. Eine Steigerung der Immobilienallokation in 2023 oder mittelfristig erwartet nur ein verschwindend kleiner Teil.
Steigende Renditen, sinkende Kaufpreise und nachlassende Total Returns
Die Ergebnisse sind im aktuellen Marktumfeld nachvollziehbar. Anleihen und andere Anlageklassen gewinnen an komparativer Attraktivität gegenüber Immobilien. Sinkende Immobilienbewertungen reduzieren das Fondsvermögen, und das steigende Zinsniveau erschwert die Finanzierung. Anschlussfinanzierungen werden teurer und erfordern auch teilweise Nachschüsse aufgrund steigender Anforderungen an die Eigenkapitalquote (sinkende LTVs). Entsprechend erwarten fast 3/4 aller Befragten (73 Prozent), dass die Gesamtrendite in Form des Total-Return aus Wertänderungs- und Cashflow-Rendite von Immobilienanlagen dieses Jahr im Vergleich zu allen anderen Anlageklassen unterdurchschnittlich sein wird.
Drohender Liquiditätsentzug, rückläufige Commitments
Letztlich werden die bisher als Kapitalquellen beziehungsweise direkt als Käufer auftretenden Pensionskassen respektive andere Multi-Asset-Investoren vermehrt auf die Verkäuferseite wechseln und dem Markt so Liquidität entziehen – mit entsprechenden Auswirkungen für die Immobilienbranche. Einzelne Fonds berichten bereits über rückläufige Kapitalzusagen im Vergleich zum Vorjahr. Ob es lediglich bei Zurückhaltung im Neugeschäft bleibt oder im Jahresverlauf auch Kapitalrückgaben einsetzen werden, bleibt hingegen abzuwarten, ergänzt Sven Bienert.
Ausblick bei Immobilienaktien weiter unsicher
Bei den deutschen Immobilienaktien bleibt die Situation auch 2023 weiter unübersichtlich; das urteilt beinahe die Hälfte der Teilnehmenden (46 Prozent). 25 Prozent schätzen, dass die Bodenbildung bereits durchlaufen ist, ein knappes Drittel (29 Prozent) und damit sogar etwas mehr, erwartet die Talsohle jedoch erst im laufenden Jahr.
Massive Preiskorrekturen bei Immobilienaktien
Diese erreichten bereits teilweise über minus 50 Prozent im vergangenen Jahr und laufen allgemein im Vergleich zur Marktentwicklung bei Direktinvestments voraus: Ein klares Signal für einen Einstieg wird hier scheinbar noch nicht gesehen! Während der Mietmarkt durch Zuzug und Indexierungen gestützt wird, sind die Auswirkungen von rezessiven wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, hoher Inflation, steigenden Zinsen und möglicher Druck auf das Preisniveau der Immobilienbestände weiterhin Unsicherheitsfaktoren.
Eigenwahrnehmung des deutschen Immobilienstandortes “neutral“
Im europäischen und internationalen Vergleich stuft die Mehrheit der ausschließlich inländischen Umfrageteilnehmer (63 Prozent) den Immobilienstandort Deutschland dennoch als „neutral“ ein - 23 Prozent der Befragten beurteilen diesen gar als überdurchschnittlich attraktiv. Diese Wahrnehmung des eigenen Marktes steht im Gegensatz zur aktuellen Außenwahrnehmung: in Studien von RICS zum Sentiment wird Deutschland im europäischen Kontext beispielsweise unterdurchschnittlich beurteilt.
Inflationssicherung schafft keinen Ausgleich für Zinsanstieg
Die Zinsentwicklung belastet Immobilien im Vergleich zu anderen Anlageklassen überproportional negativ, sagen 70 Prozent der DVFA Investment Professionals. Überraschend: Nur fünf Prozent meinen, dass keine Belastung zu erwarten ist, weil der Zinsanstieg bei gleichzeitig hoher Inflation durch Indexanpassungen positiv für Immobilien sei. Das Votum ist somit eindeutig: das Argument, die Inflation würde letztlich über die indexgesicherten Mieten den Wertausgleich bewirken, ist aus Sicht der Teilnehmer kritisch zu hinterfragen. Zu gravierend sind die negativen Implikationen des raschen und deutlichen Zinsanstiegs.
Mehrheit sieht Zielallokation kleiner gleich zehn Prozent aller Anlagen
Sind Immobilien der „Safe Haven“ defensiver Anleger wie beispielsweise Pensionskassen? 2/3 der Befragten empfiehlt hier eine Gesamtallokation (Direktanlage, Immobilien-Depot und indirekte Immobilienanlagen) von bis zu zehn Prozent (50 Prozent empfahlen fünf bis zehn Prozent, sowie 18 Prozent nur null bis fünf Prozent). Immerhin 1/3 empfiehlt auch weiterhin eine Quote von über zehn Prozent. (kb)