Immobilienmärkte: Die neue alte Welt wird Realität
Die Rückkehr zur Normalität wäre das Best-Case-Szenario für den Immobilienmarkt, meint Markus Reinert, Chairman of the Board bei der IC Immobilien Holding. Es könnte aber auch ganz anders kommen und damit die Märkte weiter belasten.
Nachdem sich Ende 2022 bereits deutliche Preisrückgänge bei Transaktionen auf den deutschen Gewerbeimmobilienmärkten zeigten, steht nunmehr die Neubewertung der Bestandsimmobilien auf der Agenda. "In letzter Zeit lesen wir mehr und mehr Meldungen von Investoren, die ihre Bestandsimmobilien bereits abgewertet haben. Zahlreiche weitere Marktteilnehmer dürften im Jahresverlauf folgen. Das Wohnsegment zeigt sich demgegenüber aktuell stabiler, doch auch dort dürfte es zu Abwertungen kommen", schreibt Markus Reinert, FRICS, Chairman of the Board bei der IC Immobilien Holding, in einem "Institutional Money" exklusiv vorligenden Beitrag.
Auch Core-Büroimmobilien sind betroffen
Selbst voll entwickelte und vermietete Büroimmobilien in Vorzugslagen und andere Core-Produkte sind von der negativen Wertentwicklung betroffen, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß wie Objekte mit geringeren Qualitätsstandards.
Zudem gibt es aktuell laut Reinert nur wenige regionale Ausnahmen, die Märkte korrelieren weltweit stark: Genauso wie die Zinswende läuft diese Abwärtsbewegung im Immobilienzyklus parallel in zahlreichen Teilen der Welt ab – in Deutschland ebenso wie in Europa und den USA. Das führt dazu, dass sich die Immobilienstrategien und sogar teilweise die Geschäftsmodelle vieler Investoren und Asset Manager anpassen werden.
Hoffnung auf bessere Kalkulationsgrundlagen
Vor dem Hintergrund, dass die Zentralbanken zukünftig niedrigere Zinserhöhungsschritte setzen oder gar eine Pause einlegen, besteht laut Reinert eine Möglichkeit für einen gewissen Neustart der Märkte. Die Begründung lautet, dass Preiskalkulationen mit stabileren Zinsniveaus einfacher werden und sich Käufer und Verkäufer wieder klar am Markt orientieren können – auch weil die Höhe der Finanzierungskosten besser kalkulierbar wird.
Ob dieser Optimismus begründet ist, muss sich Reinert zufolge erst noch zeigen: "Aktuell handelt es sich um reine Theorie und wir sehen keine Tendenzen dafür, dass der Markt sich kurz- bis mittelfristig deutlich erholen wird. Eine Rückkehr auf das Vor-Corona-Niveau erscheint noch unwahrscheinlicher. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die US-Notenbank Fed, die EZB sowie zahlreiche weitere Notenbanken die Zinsen eben doch immer weiter anheben, wenn auch mit verringerter Geschwindigkeit. Wie hoch die Zinsniveaus tatsächlich noch steigen werden, ist schwer vorhersehbar und hängt letztlich von der weiteren Entwicklung der Teuerungsraten ab – doch sowohl die Fed als auch die EZB bekräftigten zuletzt ihr klares Inflationsziel von zwei Prozent."
Die neue alte Welt auf den Transaktionsmärkten
Allerdings sollte Reinert zufolge beachtet werden, dass in den Jahren 2015 bis 2021 eine absolute Ausnahmesituation auf den Immobilienmärkten herrschte, die von Nullzins und Anlagedruck geprägt war. Im Jahr 2022 lag das Transaktionsvolumen mit einem Wert von rund 52 Milliarden Euro annähernd im Zehnjahresschnitt. "Aktuell haben wir es also keinesfalls mit einem Immobiliencrash zu tun, wie besonders pessimistische Markteinschätzungen nahelegen könnten. Stattdessen kehren wir zur „alten Welt“ auf den Immobilienmärkten zurück – eine Marktsituation, die aus vielerlei Sicht als gesünder bezeichnet werden kann als die bekannten Übertreibungen", merkt Reinert an.
Die ersten realistisch erscheinenden Schätzungen für das Gesamtjahr 2023 wurden unter anderem von den Researchern von Colliers International vorgenommen, die ein Transaktionsvolumen von circa 42 Milliarden Euro auf den deutschen Gewerbeimmobilienmärkten erwarten. Damit läge dieses Ergebnis zwar unterhalb des zehnjährigen Durchschnitts, jedoch würde es sich nach wie vor um eine gesunde Marktgröße handeln.
Allerdings müsste dafür laut Reinert ein zentrales Kriterium erfüllt werden: Es müsste ein deutlicher Aufschwung im zweiten Halbjahr 2023 stattfinden. Denn auf absehbare Zeit zeichnet sich eine Flaute ab, die vor allem dadurch bedingt ist, dass die maßgeblichen finanzierenden Banken aktuell sehr stark auf die Bremse treten. Inzwischen werden nicht nur Risikoaufschläge bei den Zinsen gefordert, sondern auch Eigenkapitalquoten, die mitunter bei 70 Prozent oder noch höher liegen. Dadurch verknappt sich natürlich die Zahl der möglichen Investoren auf eigenkapitalstarke Akteure. Zudem bedeutet der geringere Leverage-Effekt, dass womöglich noch höhere Ankaufsrenditen verlangt werden. Aus diesem Grund sollten sich die Marktakteure zumindest einmal darauf einstellen, dass das prognostizierte Transaktionsvolumen auch deutlich unterschritten werden könnte.
Was bedeutet das für die Bürovermietungsmärkte?
Dort fielen die Zahlen mit etwa 3,4 Millionen Quadratmeter Flächenumsatz im Gesamtjahr 2022 deutlich positiver aus als befürchtet. Ein moderates, realistisches Szenario mit einem Abschwung von 15 bis 20 Prozent würde immer noch einen Umsatz von etwa 2,7 bis 2,9 Millionen Quadratmetern für 2023 bedeuten – was wiederum ziemlich genau auf dem Niveau der Zehnjahresbetrachtung läge.
Es kann jedoch laut Reinert ähnlich wie beim Investmentvolumen nicht ausgeschlossen werden, dass das Ergebnis bei einer stärkeren Rezession deutlich verhaltener ausfällt. Zudem wird sich die Schere zwischen zertifiziert nachhaltigen und EU-Taxonomie-konformen Gewerbeimmobilien an guten Standorten und jenen Objekten, die diese Qualitätsansprüche nicht vollumfänglich erfüllen, perspektivisch noch stärker öffnen.
Reinerts Fazit: Der Werterhalt hat oberste Priorität
Aufgrund der Vielzahl der relevanten Kriterien fällt eine langfristige, belastbare Prognose für die Märkte schwer. Die weiteren wirtschaftlichen Entwicklungen sind zu großen Teilen noch nicht visibel. Deshalb kommt es Reinert zufolge umso stärker darauf an, die Bestände intelligent und kreativ zu managen. In jedem Fall stehen die Stabilisierungsarbeit und der Werterhalt im Mittelpunkt, weshalb dem Asset- und Property Management eine entscheidende Rolle als Stabilisator zukommt.
"Denn sowohl die deutlich steigenden Betriebskosten als auch der unumkehrbare Trend zu neuen Arbeitsmodellen sorgen dafür, dass in vielen Bereichen Anpassungs- und Optimierungsarbeit nötig ist. Daher müssen Asset- und Property Manager nun sprichwörtlich die Ärmel hochkrempeln", erklärt Reinert abschließend. (aa)