Goldgräberstimmung. Wer profitiert letztlich vom Wärmepumpen-Hype?
Die Karriere als Installateur dieser - unter bestimmten Bedingungen - effizienten Heizungen scheint eine sichere Sache zu sein. Derzeit läuft es für die Hersteller prima, aber am Ende könnten sie durch billigere Konkurrenz unter Druck geraten, meint Chris Bryant von Bloomberg.

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Wärmepumpen nutzen Strom, um Wärme von außen (aus Luft, Boden oder Wasser) mittels eines Kältemittels in das Haus zu übertragen. Sie verkaufen sich auf beiden Seiten des Atlantiks wie warme Semmeln, da Regierungen neue Gas- und Ölheizungen verbieten, ehrgeizige Installationsziele festlegen und großzügige Anreize bieten, um ihre Einführung zu fördern.
Während sie in der Anschaffung teurer sind als Gaskessel — die Kosten variieren stark je nach Land und Technologie, liegen aber in Deutschland in der Regel über 15.000 Euro — können Wärmepumpen die monatlichen Energierechnungen und die CO2-Belastung senken und gleichzeitig die Abhängigkeit Europas von feindlichen Fossilbrennstoff-Exporteuren wie Russland verringern.
Wärmepumpen heben ab
Subventionen, CO2-Ersparnis und Energieautonomie beflügeln die Nachfrage
Mischt am Ende gar Elon Musk den Wärmepumpenmarkt auf?
Installateure haben mehrmonatige Auftragsstaus und es fehlt an qualifiziertem Personal, während die Hersteller Wärmepumpen als potenzielle Goldgrube betrachten; sogar Elon Musk denkt laut darüber nach, mit Tesla in den Markt einzusteigen.
Carrier Global nahm Viessmann für viel Geld zur Brust
“Es ist buchstäblich eine einmalige Gelegenheit”, sagte David Gitlin, Chief Executive Officer von Carrier Global, als er letzten Monat die Übernahme des Wärmepumpengeschäfts des hessischen Konkurrenten Viessmann Group für zwölf Milliarden Euro ankündigte. Die europäischen Regierungen “zwingen Sie im Grunde dazu, von alten, mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkesseln auf Wärmepumpen umzusteigen, und für diesen Austausch wird man bis zum Vierfachen des Preises verlangen.”
Hohe Gewinnspannen bis in alle Ewigkeit sind unwahrscheinlich
Die Hersteller von Wärmepumpen erzielen derzeit hohe Gewinnspannen, da die Nachfrage ihre Lieferfähigkeit übersteigt, aber es ist ein weltweiter Wettlauf um den Ausbau der Produktionskapazitäten im Gange, und die Unternehmen sind auf der Suche nach Übernahmemöglichkeiten, um Größenvorteile zu erzielen. Die “Technologie an sich ist nicht sehr anspruchsvoll”, und die Attraktivität des europäischen Marktes “ist den Wettbewerbern nicht entgangen”, sagte Phil Buller, ein Analyst für Industrieunternehmen bei Berenberg, gegenüber Bloomberg.
Die Branche war schockiert über die Verkaufsentscheidung von Viessmann
Denn deutsche Familienunternehmen legen in der Regel mehr Wert auf Unabhängigkeit als auf Geld. Aber das Unternehmen wollte es nicht mit den viel größeren asiatischen und amerikanischen Konkurrenten aufnehmen. Der 34-jährige Max Viessmann, CEO in vierter Generation, nahm zwar auch Carrier-Aktien und einen Sitz im Verwaltungsrat des US-Unternehmens, aber 80 Prozent des Kaufpreises wurden in bar bezahlt.
Cleverer Schachzug?
Man werden bald herausfinden, ob dies ein schwacher oder kluger Schachzug war. In Großbritannien ist bereits ein Preiskampf entbrannt, und längerfristig besteht die Gefahr, dass die europäischen Wärmepumpenhersteller ein ähnliches Schicksal erleiden wie die Solarunternehmen, die von den billigeren chinesischen Importen verdrängt wurden.
Skandinavien und Frankreich führend
Deutschland hinkt beim Wärmepumpenverkauf vielen europäischen Ländern hinterher
Für die Verbraucher ist der Kampf um Marktanteile zu begrüßen, denn der Mangel an Arbeitskräften und Bauteilen hat die ohnehin schon hohen Kosten für Wärmepumpen in die Höhe getrieben; niedrigere Preise sind notwendig, um die Akzeptanz zu erhöhen und die öffentliche Unterstützung für die Energiewende aufrechtzuerhalten.
Schwedische Nibe Industrier als Profiteur der ersten Stunde
Im Moment sind die Anleger nicht allzu besorgt und haben die Aktien der wenigen börsennotierten Unternehmen in diesem Sektor nach oben getrieben. Der schwedische Wärmepumpenhersteller Nibe Industrier hat in den letzten zehn Jahren (einschließlich reinvestierter Dividenden) einen Wertzuwachs von rund 1.700 Prozent erzielt. Die Aktie wird mit dem mehr als 40-fachen der geschätzten Gewinne gehandelt und ist damit etwa dreimal so teuer wie der Stoxx Europe 600 Index.
Wärmepumpen-Tenbagger
Nibe ist eine der sich am besten entwickelnden europäischen Aktien der letzten zehn Jahre
Das Management von Nibe zeigte sich zuversichtlich, nachdem es diese Woche einen beeindruckenden Gewinn für das erste Quartal bekannt gegeben hatte. Der Umsatz mit Wärmepumpen stieg im Jahresvergleich um mehr als 40 Prozent, während Preiserhöhungen zu einer Ausweitung der operativen Marge der Klimasparte auf 17,5 Prozent beitrugen.
Take-Over-Business ist voll am Laufen
Obwohl Nibe im März aus dem Rennen um eine Beteiligung am japanischen Klimaanlagen- und Wärmepumpenhersteller Fujitsu General ausgestiegen ist, bekräftigte das Unternehmen diese Woche sein Engagement für “weitere offensive Akquisitionen” und investiert in die Verdoppelung der Produktion. “Wir werden uns anstrengen und unser Bestes tun, um am Wachstum teilzuhaben”, hieß es aus dem Management bei einer Telefonkonferenz mit Investoren. “Auf diese Gelegenheit haben wir seit etwa 20 Jahren gewartet.”
Auch deutsche Hersteller gehen in die Offensive
Stiebel Eltron, Vaillant Group und Robert Bosch - alle wie Viessmann typische Mittelständler - haben große Investitionen in Europa angekündigt, um die Goldgrube auszubeuten. Das Problem ist, dass dies auch für die japanischen Giganten Daikin Industries, Mitsubishi Electric und Panasonic Holdings sowie für die chinesische Chinas Midea Group gilt.
Gehört am Ende das ganze Geschäft den Asiaten?
Wärmepumpen ähneln technologisch den Klimaanlagen, die asiatische Unternehmen seit Jahrzehnten in Massenproduktion herstellen. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur stellten asiatische Unternehmen (und ihre ausländischen Töchter) 75 Prozent der 2021 weltweit verkauften Wärmepumpen her.
Europäische Unternehmen haben allerdings auch Standortvorteile
Kenntnis der lokalen Gegebenheiten und Anlagen, die auf typische Heiz- und Gebäudeeigenschaften eines Landes zugeschnitten sind, bieten bei Wärmepumpen einen größeren Vorteil als in der Solarbranche, meint etwa Matthew Trewhella, CEO des britischen Herstellers von Erdwärmepumpen Kensa Group.
Auf die lokalen Details kommt es auch an
In europäischen Häusern werden häufig Hydroniksysteme - wasserbasierte Verteilungsmedien wie Heizkörper und Fußbodenheizungen - und nicht die in anderen Teilen der Welt üblichen Umluftsysteme verwendet. Das könnte einen “etwas regionaleren Markt für Wärmepumpen als für andere Branchen der Erneuerbaren Energien” begünstigen, sagt Meredith Annex, Leiterin der Abteilung für saubere Energie bei BloombergNEF. Hauseigentümer würden ein teureres deutsches System einer billigeren chinesische Anlage vorziehen, weil ihre Immobilie beim Verkauf mehr wert ist.
Wo sind die Wärmepumpen-Installateure?
Und auch wenn die Technologie selbst nicht schwer zu beherrschen ist, braucht man doch jemanden, der sie installiert: Carrier ist der Ansicht, dass die enge Verbindung von Viessmann zu Zehntausenden von Technikern, die die hessischen Produkte bevorzugen, einen “Burggraben” schafft, der verteidigt werden kann. Die Investoren von Carrier scheinen davon nicht überzeugt zu sein: Die Aktien des Unternehmens sind seit Bekanntwerden der Übernahme um mehr als fünf Prozent gesunken.
Sichere Jobs winken
Der Rat von Chris Bryant von Bloomberg an alle, die eine Karriere anstreben, die nicht der Gnade der künstlichen Intelligenz ausgeliefert ist, lautet: "Werden Sie Installateur von Wärmepumpen!". Aber angesichts der Tatsache, dass globale Unternehmen ein Auge auf Europas aufkeimenden Markt geworfen haben, kann er, Bryant, es Viessmann nicht verübeln, dass diese den Großteil ihres Einsatzes vom Tisch genommen haben. (kb)