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Geldpolitik nach der Corona-Pandemie

Die Pandemie rechtfertigte in ihrer Dramatik ein starkes Eingreifen der Politik in das Wirtschaftsgeschehen. Teils unorthodoxe Maßnahmen waren notwendig, um ein reibungsloses Funktionieren des Marktmechanismus zu gewährleisten und für finanziellen Spielraum zu sorgen. Doch wie geht es jetzt weiter?

Philippe Gräub, Head of Fixed Income bei Union Bancaire Privée (UBP)
Philippe Gräub, Head of Fixed Income bei Union Bancaire Privée (UBP)© UBP

"Von zentraler Bedeutung war die Entscheidung der US-Notenbank, noch schwerere Geschütze aufzufahren als während der globalen Finanzkrise und erstmals in ihrer Geschichte Unternehmensanleihen anzukaufen. Dieser Schritt sollte unserer Ansicht nach nicht nur der Ausweitung der Credit Spreads Einhalt gebieten, sondern auch für Entspannung in Anlegerkreisen sorgen, da der Backstop der Fed bei jeder deutlichen und über längere Zeit anhaltenden Spread-Ausweitung greifen würde", sagt Philippe Gräub, Head of Fixed Income bei Union Bancaire Privée (UBP).

Hoffnung auf ein Ende der Ausnahmesituation keimt auf
Der Impfstart weckt die Hoffnung auf eine schrittweise Rückkehr der Volkswirtschaften zur Normalität sowie ein Ende des Lockdowns im weiteren Jahresverlauf und lässt uns optimistisch auf die Wachstumsentwicklung blicken. Genährt wird dieser Optimismus auch durch unsere Überzeugung, dass die Politik die Wirtschaft weiterhin auf dem Weg der Erholung unterstützt, anstatt ihr Steine in den Weg zu legen.

Märkte preisen bereits eine Straffung der Geldpolitik ein
Auch wenn die Märkte das tun, werden die Zentralbanken den Zeitpunkt dafür noch weiter hinausschieben. ist Philippe Gräub überzeugt: "Im Ergebnis dürften somit die Zinsen am kurzen Ende der Kurve stabil bleiben, während nach oben korrigierte Wachstumsprognosen für einen weiteren Anstieg der längerfristigen Zinsen sorgen könnten. Vor allem aber dürften Zinserhöhungen bereits weitgehend eingepreist sein, wenn die Zentralbanken die Zeit dafür gekommen sehen. Somit wären auch die Risikomärkte vorbereitet und würden nicht "kalt erwischt" wie während des Taper Tantrum 2013, als die Ankündigung der Fed, die Anleihekäufe zu reduzieren, eine Schockwelle an den Märkten auslöste."

Veränderte Reaktionsmöglichkeiten der Zentralbanken
Einer der Hauptgründe für die Währungshüter, nicht zu große Erwartungen bezüglich Zinserhöhungen zu wecken, besteht in den veränderten Reaktionsmöglichkeiten der Zentralbanken, insbesondere der Fed. Für die Rückkehr zur Vollbeschäftigung als Ziel der Geldpolitik bedürfe es nach Ansicht der Fed einer gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung, so Philippe Gräub. Dies sei als unausgesprochenes Signal für eine expansive Geldpolitik zu werten. Die Fed werde ihr Handeln darauf ausrichten, dass auch alle sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen vom erwarteten Aufschwung profitieren. Dazu müssten jedoch aller Voraussicht nach die Zielvorgaben für die Gesamtbeschäftigung übertroffen werden.

Average Inflation Targeting
Der neue Kurs der Fed, deren Politik sich nun an einem durchschnittlichen Inflationsziel orientiert („average inflation targeting“), lässt den Währungshütern auch mehr Spielraum bis zur Rückkehr zu einer strafferen Geldpolitik. Gräub dazu: "Nachdem die Inflation so lange Zeit unterhalb der Zwei-Prozent-Marke lag, bedeutet ein länger anhaltendes Überschreiten dieses Zielwerts keinen akuten Handlungsbedarf mehr. Dies ist eine klare Abkehr vom Kurs der Amtsvorgängerin von Jerome Powell, hatte Janet Yellen doch bereits bei ersten Anzeichen steigenden Inflationsdrucks die Zinsschraube angezogen."

EZB schaltet bei PEPP einen Gang höher
Die letzte EZB-Sitzung war ein deutlicher Beweis für die expansive Ausrichtung der europäischen Geldpolitik. Schon allein wegen der im Vergleich zu den USA niedrigeren Inflation, der weniger umfangreichen Konjunkturpakete und des geringeren Impf-Tempos reagiert der EZB-Rat wesentlich sensibler auf jegliches Risiko, dass sich Finanzierungsbedingungen verschlechtern könnten. Entsprechend kündigte die EZB an, beim Tempo ihres Pandemie-Notfallankaufprogramms (Pandemic emergency purchase programme – PEPP) im 2. Quartal einen Gang höher zu schalten, um einem Anstieg der langfristigen Renditen entgegenzuwirken.

Beeindruckende fiskalpolitische Maßnahmen
Mit einem Volumen von mehr als fünf Prozent des weltweiten BIP stellten die 2020 geschnürten Konjunkturpakete alles in den Schatten, was seinerzeit als Reaktion auf die globale Finanzkrise unternommen worden war. Diese Maßnahmen haben jedoch nicht nur akute Einkommensengpässe abgefedert, sondern dürften auch noch weiter aufrechterhalten werden, wenn sich am Arbeitsmarkt eine Erholung einstellt. Gräub führt aus: "In den USA hat die neue Finanzministerin Janet Yellen beispielsweise unmissverständlich erklärt, dass man angesichts der historisch niedrigen Zinsen nun fiskalpolitisch „klotzen“ müsse. Diesem Ruf ist die neue Regierung unter Joe Biden bereits gefolgt, indem sie unlängst ein erstes Konjunkturpaket mit einem Volumen von sage und schreibe neun Prozent des US-BIP verabschiedet hat. Mit Spannung werden die Details zu einem neuen Infrastrukturprogramm erwartet.

"Viribus unitis" gilt auch in den EU
Selbst in der EU hat man regionale Differenzen hintangestellt und mit vereinten Kräften einen EU-Aufbaufonds aufgelegt. Dass außerdem Mario Draghi zum Premierminister Italiens ernannt wurde, wecke die Hoffnung, dass die Gelder sinnvoll eingesetzt würden und das Wachstum in der Peripherie der Eurozone in den kommenden Jahren gestützt werde, so Gräub.

Was die Zukunft wohl bringt?
Gräubs Résumé lautet: "Mit Blick auf die Märkte rechnen wir damit, dass die Credit Spreads auf ihrem aktuellen Niveau verharren oder sich weiter einengen. Insbesondere bei höher rentierlichen Anlageklassen wie internationalen High Yield-Papieren und AT1-(Additional Tier One) Anleihen könnten sich die Spreads wieder den vor der Coronakrise verzeichneten Tiefständen annähern. Mit fortschreitender Erholung der Volkswirtschaften und schwindender Nachfrage nach als sicherer Hafen geltenden Staatsanleihen dürften die Zinsen weiter steigen, was aus unserer Sicht aktuell für ein Engagement am kürzeren Ende der Zinskurve spricht." (kb)

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