EZB-Rat Stournaras sieht Zinssenkung als nächsten Schritt
Nach der EZB-Sitzung vergangene Woche und dem Ende der Quiet Period dürfen sich die EZB-Ratsmitglieder wieder zur makroökonomischen Lage und zur Zinspolitik äußern. Diese nehmen die gebotenen Gelegenheiten gerne wahr und geben ihre Einschätzungen ab. Beispielsweise der EZB-Rat aus Griechenland.

Eine Zinssenkung seitens der Europäischen Zentralbank ist laut Ratsmitglied Yannis Stournaras als nächster Schritt wahrscheinlicher als eine weitere Zinserhöhung. Die Äußerungen des Griechen sind die bisher deutlichsten Hinweise darauf, dass die Zinsen ihren Höhepunkt bereits erreicht haben könnten.
Dieser Einschätzung schloss sich am Donnerstag auch Ratsmitglied Boris Vuj?i? aus Kroatien an, der sagte, dass der Zinsschritt der EZB in diesem Monat wahrscheinlich der letzte in einer beispiellosen Serie geldpolitischer Straffungen gewesen sei - unter der Voraussetzung, dass die Inflation wie erwartet wieder in Richtung zwei Prozent laufe. Das berichtet Bloomberg News.
“So wie die Dinge stehen, gehe ich davon aus, dass unser nächster Schritt eine Zinssenkung sein wird”, sagte Stournaras in einem Interview mit der Börsen-Zeitung. “Ich denke, wir haben den Höhepunkt der Zinsentwicklung erreicht. Das ist mein Gefühl und mein Verständnis.”
Die EZB hat den Einlagenzins in der vergangenen Woche auf 4,0 Prozent angehoben und erklärt, dass dieses Niveau “wesentlich” dazu beitragen werde, die Inflation wieder auf ihr Zielniveau zu bringen. In den darauffolgenden Tagen äußerten jedoch einige Notenbanker, darunter Vizepräsident Luis de Guindos, die Hoffnung, dass eine weitere Straffung nicht notwendig sein werde.
“Wenn sich die Dinge entsprechend unseren Erwartungen entwickeln, wenn die Inflation weiter sinkt, wie wir es erwarten, dann wird es nicht notwendig sein, die Zinssätze weiter anzuheben”, sagte Vuj?i? am Donnerstag dem kroatischen Fernsehsender N1.
Wie lange die Zinsen noch auf ihrem Niveau verharren werden, ist jetzt die entscheidende Frage. Die Anleger rechnen mit Zinssenkungen im Frühjahr, da die Wirtschaft der Eurozone zunehmend Anzeichen von Schwäche zeigt, auch wenn noch keine Rezession vorausgesagt wird.
“Wir sprechen über einige Monate” auf diesem Niveau, sagte Stournaras. “Je nach Datenlage werden wir entscheiden müssen, wie viele.”
Falken bremsen Zinssenkungsfantasien
Einige Ratsmitglieder, darunter der Niederländer Klaas Knot, warnen davor, vorschnell weitere Erhöhungen auszuschließen.
“Aber im Moment denke ich, dass das Zinsniveau für uns richtig ist und ich erwarte kurzfristig keine Änderung”, sagte der den Falken zugerechnete Knot in einem Interview mit dem niederländischen NPO Radio 1. “Ich bin im Moment mit dem Stand der Geldpolitik zufrieden, weil ich glaube, dass wir bei diesem Zinsniveau eine glaubwürdige Aussicht haben, dass die Inflation im Jahr 2025 auf zwei Prozent zurückgeht.”
Bundesbankpräsident Joachim Nagel erklärte, es sei zu früh zu sagen, ob die Zinsen ihren Höhepunkt erreicht hätten, da die Inflation mit über fünf Prozent hartnäckig bleibe.
“War es das jetzt mit den Leitzinsanstiegen? Haben wir die Hochebene erreicht? Das lässt sich noch nicht klar absehen”, sagte Nagel am Donnerstag beim Verbandstag der Sparda-Banken in Frankfurt. Die Teuerung sei noch immer zu hoch. “Und noch immer zeigen die Prognosen nur einen langsamen Rückgang hin zum Zielwert von zwei Prozent.”
Tauben warnen vor wirtschaftlichen Risiken
Stournaras argumentierte jedoch, dass die wirtschaftlichen Risiken einer weiteren Straffung eher für eine vorsichtige Haltung sprächen. “Für mich besteht das größere Risiko derzeit darin, zu viel zu tun”, so Stournaras. “Wir sollten und müssen die Wirtschaft nicht komplett abwürgen. Die Inflation wird in den kommenden Monaten deutlich zurückgehen.“ (aa)