Dr. Ernst Konrad: „Staatliche Regulierung bremst uns bei KI aus“
Die rasante Entwicklung von Künstlicher Intelligenz wirft Regulierungsfragen auf. In der EU wird der Artifical Intelligent Act diskutiert. Für Dr. Ernst Konrad, Lead Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz, steht fest: Nur mit Technologieoffenheit können wir langfristig wettbewerbsfähig bleiben.

Anwendungen auf Basis von Künstlicher Intellgenz (KI) sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. ChatGPT und DeepL sind die prominentesten Beispiele. Aber KI kommt unter anderem auch bei der Gesichtserkennung, bei Transaktionen, bei Smart-Home-Anwendungen und bei Navigationssystemen zum Einsatz. Hinter den technologischen Innovationen stehen in vorderster Reihe amerikanische Unternehmen wie OpenAI, Alphabet, Amazon oder Microsoft, und die China-Giganten wie Tencent oder Baidu.
Zu frühe Regulierung würde Disruption durch KI abwürgen
„Künstliche Intelligenz und deren Anwendungsmöglichkeiten entwickeln sich in einem außerordentlichen Tempo weiter. Wohin es sich entwickelt, kann bis dato noch niemand vorhersagen“, so Dr. Ernst Konrad, Lead Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz. Zum jetzigen Zeitpunkt habe KI das Potential eine Disruption auszulösen. „In dieser Phase der technologischen Innovation wäre eine staatliche Regulierung, wie von der EU geplant, zu früh und würde Europa bei technologischen Innovationen noch weiter zurückwerfen.“
AI Act: Das plant die EU
Die EU plant ein Gesetz, durch das die Bereitstellung und Verwendung von KI durch private und öffentliche Institutionen weitreichend reguliert werden soll. Der Ansatz des AI Act ist risikobasiert. Damit sollen KI- Anwendungen in verschiedenen Risikoklassen eingeteilt werden: unannehmbar, hoch, gering oder minimal. Das heißt, als je riskanter eine Anwendung eingestuft wird, desto mehr Auflagen etwa in den Bereichen Datenschutz und Offenlegungspflichten müssen die Unternehmen, die sie entwickeln, erfüllen. Das könnten insbesondere kleine und mittlere Unternehmen oftmals nicht leisten. „Es steht außer Frage, dass KI nach ethischen Grundsätzen entwickelt werden muss. Aber die Anforderungen sollten keine Unternehmen betreffen, die vollkommen unkritische Anwendungen bereitstellen oder dafür sorgen, dass Innovation zukünftig komplett außerhalb Europas stattfindet“, fasst Konrad zusammen. Und weiter: „Es ist illusorisch anzunehmen, dass sich amerikanische oder chinesische Unternehmen an solch ein Gesetz halten.“ Doch wie gelingt der Spagat zwischen technischem Fortschritt einerseits und ethischem Handeln andererseits?
Ethik bei technischem Fortschritt mitdenken
Konrad verweist auf die KI-Leitsätze, die 2017 auf der Asilomar-Konferenz von führenden KI-Forschern beschlossen wurden. Diese bestehen aus 23 Grundsätzen für die verantwortungsvolle Entwicklung. Sie dienen Politik und Forschung als Orientierungshilfe und zielen auf das Allgemeinwohl, Sicherheit und Transparenz ab. „Mit den Asilomar-Prinzipien ist der Grundstein für eine ethische Entwicklung und Nutzung von KI-Anwendungen gelegt. Je nach technologischem Fortschritt könnte man diese anpassen und in nationales Recht übertragen“, sagt Konrad. So würde man nicht riskieren, hinter den Entwicklungen hinterherzulaufen, sondern wäre in der Lage zu reagieren. Als Vorbild kann beispielsweise das Regelwerk zum Umgang mit Gentechnologie dienen.
Innovationen fördern
„KI lässt sich mit dem Anstieg des Meeresspiegels vergleichen. Man sollte nicht zu nah am Ufer bauen“, meint Konrad. Für den Investmentexperten ist klar: KI wird ganze Berufszweige verschwinden und neue entstehen lassen. Aber KI werde nicht nur den Einzelnen betreffen, sondern auch gesamtgesellschaftliche Auswirkungen haben. „Ein Beispiel dessen, was auf uns zukommt, war der Umgang der israelischen Regierung mit der Corona-Pandemie. Gesundheitsdaten wurden in einer unglaublichen Geschwindigkeit erhoben und ausgewertet.“ Statt zu regulieren, sollte sich die EU daher darauf konzentrieren, ein eigenes KI-Innovationshub aufzubauen. Das gelinge durch ein besseres Investitionsklima sowie einer gezielten Förderung der Grundlagenforschung und Aus- und Weiterbildungen in diesem Bereich. „Wir müssen das richtige Umfeld für europäische Herausforderer schaffen und ihnen das nötige Rüstzeug an die Hand geben, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen.“
Monopolisten sind für Investoren eher geeignet
Die Konkurrenz, insbesondere aus den USA und China, sei groß. Anleger können von der durch KI ausgelösten Disruption bereits profitieren, indem sie in Monopolisten wie Alphabet und Microsoft investieren. „Monopolisten können mit Datenschutz-Anforderungen oftmals besser umgehen als Unternehmen, die eine KI-Anwendung entwickeln. Ihnen hilft, dass sie breiter aufgestellt sind, und beispielsweise neben Anwendungen im autonomen Fahren auch groß bei Cloudlösungen sind, wie es bei Alphabet der Fall ist.“ Doch zum jetzigen Zeitpunkt sei noch nicht endgültig abzusehen, wer im KI-Umfeld zu den Gewinnern und wer zu den Verlierern zählen wird. „Wer auf Herausforderer setzt, muss deutlich mehr Risikotoleranz und einen längeren Anlagehorizont mitbringen“, resümiert Konrad. (kb)