Logo von Institutional Money
| Märkte

Dr. Ernst Konrad: „Medizin ist sprichwörtlich bitter, aber auch teuer“

Bei der Arzneimittelversorgung kommt es verstärkt zu Engpässen. Dr. Ernst Konrad, Lead Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz, sieht neben der Lieferkettenunterbrechungen eine weitere Ursache für die Misere: „In vielen Bereichen ist der Preismechanismus weitgehend außer Kraft gesetzt.“

Dr. Ernst Konrad, Lead Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz
Dr. Ernst Konrad, Lead Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz© Eyb & Wallwitz

Im Folgenden erläutert Dr. Ernst Konrad, Lead Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz, warum Pharmatitel für Investoren dennoch interessant sein können.

Derzeit gibt es in Deutschland Lieferengpässe bei rund 480 Medikamenten
Zumeist handelt es sich dabei um Generika, also Medikamente deren Patentschutz ausgelaufen ist und die von mehreren Herstellern produziert werden. Mit Wegfall des Patentschutzes erhöht sich der Wettbewerb unter den Herstellern. „In der Folge haben viele Unternehmen die Produktion ins Ausland verlagert, um die Herstellungskosten zu minimieren. Das lässt auch Lieferantenbeziehungen fragiler werden“, sagt Konrad.

Krankenkassen-Paradox
Zusätzlicher Druck entsteht durch den Sparzwang der Krankassen. Im Zuge des Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenkassen hat die Ampelkoalition zuletzt die Erhöhung der Rabatte für neue Medikamente beschlossen. Damit soll das 17-Milliarden-Euro hohe Defizit der Kassen reduziert werden. „Der Wunsch, die Kosten für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung durch Preisvorgaben in Schach zu halten, ist grundsätzlich nachvollziehbar. Allerdings bewirken sie auf lange Sicht das Gegenteil, da sich die Arzneimittelproduktion für viele Anbieter in Europa nicht mehr lohnt“, so der Lead Portfoliomanager von Eyb & Wallwitz.

Demografie sorgt für strukturelles Wachstum
Der Investmentexperte hält den Pharmasektor aus Investorensicht dennoch für interessant. „Die Alterung der Bevölkerung ist ein langfristiger und gut kalkulierbarer struktureller Trend – wir definieren den Gesundheitssektor als defensiven Wachstumssektor“, so Konrad. Die Gesellschaft habe ein großes Interesse daran, die Beeinträchtigungen durch Krebs, neurologische Krankheiten wie beispielsweise Alzheimer oder Parkinson durch den Einsatz wirksamer Medikamente zu minimieren. Aufgrund der sich ändernden Lebensgewohnheiten befinden sich außerdem weltweit Zivilisationskrankheiten wie Fettleibigkeit und Diabetes auf dem Vormarsch.

Patente sorgen für höhere Margen
Investoren empfiehlt Konrad, den Fokus auf innovative Unternehmen zu legen, die mit patentgeschützten Wirkstoffen Blockbuster-Präparate im Angebot haben beziehungsweise deren Entwicklungspipeline prall gefüllt sei. Der Patentschutz erzeuge für die Unternehmen eine Art Monopolstellung für die Produktion und den Verkauf eines Wirkstoffs. Entsprechend üppig können die Margen mitunter ausfallen. Der Portfoliomanager verweist dabei auf die in der Behandlung von Diabetes führende Novo Nordisk, die im Bereich neurologischer Erkrankungen wie Alzheimer aktive Eli Lilly und auf Novartis, die ihre Stärke in der Onkologie hat. Letztere werde aufgrund ihrer Generika-Sparte Sandoz mit einem gewissen Abschlag an der Börse gehandelt, könnte aber bei einer Bevorzugung europäischer Anbieter durch die Krankenkassen Rückenwind bekommen.

Wachsende Kosten für Gesundheit
„Gesundheitsversorgung und Medikamente sind ökonomisch betrachtet ähnlich der Feuerwehr oder dem Katastrophenschutz Optionsgüter, das heißt, man muss sie für den Fall der Fälle vorhalten“, führt Konrad aus. Um dies betriebswirtschaftlich sinnvoll zu ermöglichen, könne man entweder den Patentschutz verlängern oder – in diese Richtung gehe letztlich der Vorschlag der Bundesregierung – die erhöhte Lagerhaltung vergüten bzw. nicht immer nur den günstigsten Anbieter, der meist aus China oder Indien kommt, auszuwählen. Eine flächendeckende Versorgung mit Medikamenten in Deutschland wird deshalb kaum ohne höhere Kosten zu bewerkstelligen sein. Das eröffne Investoren einen attraktiven Einstiegszeitpunkt. (kb)

Dieses Seite teilen