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Deutschland-Österreich: Wessen Nachhaltigkeitsfonds sind nachhaltiger?

Knapp 2.000 in Deutschland und/oder Österreich zum Vertrieb zugelassene Aktienfonds wurden von ESG Plus, Obergantschnig Financial Strategies und Ethico untersucht. Die zentrale Frage lautete, ob nachhaltige Fonds gemäß EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) wirklich nachhaltiger als konventionelle sind.

Josef Obergantschnig, Präsident des Vereins Ethico und Gründer und Geschäftsführer von Obergantschnig Financial Strategies
Josef Obergantschnig, Präsident des Vereins Ethico und Gründer und Geschäftsführer von Obergantschnig Financial Strategies© Obergantschnig Financial Strategies

Die gemeinsam von ESG Plus, Obergantschnig Financial Strategies und Ethico durchgeführte Studie untersuchte 1.963 Aktienfonds (nur Publikumsfonds), wovon 97,6 Prozent in
Deutschland zum Vertrieb zugelassen sind. 323 dieser Fonds wurden nach dem Artikel 9
der SFDR („dunkelgrüne Fonds“) deklariert und weisen eine höhere Nachhaltigkeitsgüte als
die 775 Artikel 8-Fonds („hellgrüne Fonds“) auf, die ihrerseits wieder höhere
Nachhaltigkeitswerte als konventionelle Fonds (Artikel 6-Fonds) haben. Ein in sich plausibles
Ergebnis, allerdings zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass die Spannweite der
Nachhaltigkeitswerte von Artikel 8-Fonds unerwarteterweise höher ist als bei konventionellen Fonds; es gibt also in der Kategorie Artikel 8 mehr Fonds mit höchsten und tiefsten Nachhaltigkeitsbewertungen als bei Artikel 6-Fonds.

Art. 8-Fonds: Label lässt keine Rückschlüsse auf Nachhaltigkeitsgüte zu
Armand Colard, CEO von ESG Plus: „Das bedeutet, dass Anleger die reine Einstufung als hellgrünen Artikel 8-Fonds nicht als „Qualitäts-Label“ sehen sollten, da dies keinerlei Rückschlüsse auf die Nachhaltigkeitsgüte zulässt.“ Josef Obergantschnig, Präsident des Vereins Ethico, ergänzt: „Artikel 9-Fonds hingegen weisen innerhalb der SFDR-Kategorien die höchste Nachhaltigkeitsgüte auf, obwohl auch hier bei einigen Fonds Verbesserungsbedarf besteht.“

Länder-Fondsvergleich Österreich gegen Deutschland 1:0
Der direkte Ländervergleich zwischen Deutschland und Österreich zeigt, dass Fonds, die von einer österreichischen Kapitalanlagegesellschaft (KAG) verwaltet werden, eine höhere Nachhaltigkeitsgüte (6,7 auf der CLEANVEST-Skala von 0 bis 10) als Fonds von deutschen Asset-Managern (6,2) aufweisen. Auch die Spannweite der Nachhaltigkeitswerte ist in Österreich geringer als in Deutschland, ein weiteres Zeichen für eine höhere Nachhaltigkeitsqualität österreichischer Fonds.

„Bei einer Fonds-WM hätte Österreich somit die Nase vor Deutschland“, so Obergantschnig von Ethico. „Nachhaltige Fonds haben in Österreich seit den frühen 2000er Jahren eine lange Geschichte, dies zeigt sich auch deutlich im Ländervergleich mit Deutschland“, setzt Colard von ESG Plus fort.

Indigene Rechte und Gleichstellung von Frauen hinter Waffen und Atomenergie
Bei der von der Nachhaltigkeitsrating-Agentur ESG Plus durchgeführten CLEANVEST-Analyse, wurden insgesamt 16 Kriterien zur Bewertung der Unternehmensaktien berücksichtigt und in zehn Hauptkriterien, fünf Umwelt- und fünf Sozialkriterien, zusammengefasst. Es zeigt sich, dass die Kriterien, die die besten Ergebnisse unter den nachhaltigen Fonds (Artikel 8 und Artikel 9) erzielen, die Themen „Frei von Waffen“, „Frei von Atomenergie“, „Frei von Kohle“ und
„Artenschutz“ sind. Die Kriterien mit den schlechtesten Ergebnissen unter den nachhaltigen Fonds lauten: „Indigene Rechte“, „Gleichstellung von Frauen“ und „Bildung & Gesundheit“. Im Mittelfeld rangieren die Kriterien „Grüne Technologien“, Frei von Öl & Gas“ und „Frei von Kinderarbeit“. Bei den zehn untersuchten CLEANVEST-Kriterien weisen Fonds österreichischer KAGs mit Ausnahme eines Kriteriums (Kinderarbeit) bessere Nachhaltigkeitswerte als ihre deutschen Pendants auf.

Aufholbedarf
„Die Nachhaltigkeitsstrategien der Fonds haben in den Bereichen Gleichstellung von Frauen und Schutz indigener Rechte den größten Aufholbedarf. Im Falle der indigenen Rechte ist das vor allem ein Lieferketten-Problem“, erklärt Armand Colard von ESG Plus. „Derzeit liegt der Fokus der Fonds eher auf Ausschlusskriterien wie Waffen, Atomenergie und fossile Investitionen. Die Fonds sollten sich in Zukunft noch stärker mit Geschäftsfeldern mit positiver Wirkung wie Bildung und Gesundheit beschäftigen, denn es braucht beides für eine nachhaltige Entwicklung im Sinne der Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen“, merkt Josef Obergantschnig an. (kb)

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