Deutsche Bank an der Börse günstiger bewertet als US-Krisenbank
Die Bewertung von Deutschlands größtem Geldhaus ist gemessen am Kurs/Buchwertverhältnis niedriger als jene, die vom Markt einer in Schieflage befindlichen US-Regionalbank zugestanden wird. Aber es gibt eine noch billigere Bank, wenn man über die Grenze nach Westen schaut.

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Abgesehen von jenen US-Regionalbanken, die pleite gegangen sind oder übernommen wurden, stehe kaum eine mehr im Feuer als die verlustgeplagte PacWest Bancorp. Wenig überraschend handelt ihre Aktie gerade mal bei 39 Prozent des Buchwerts. Und die Aktie der Deutschen Bank? Die gerade das profitabelste Jahr seit 2007 absolviert hat und neun Milliarden Euro Überschusskapital auf der Bilanz? Deren Aktienkurs notiert bei 35 Prozent des Buchwertes.
Diese Bewertungslücke der größten deutschen Bank ist laut einem Bloomberg-Bericht beispielhaft für die gesamten europäische Branche. Obwohl sie verschont geblieben sind von den Problemen, die die US-Banken belasten, obwohl sie die Stresstests der Bankenaufsicht mit fliegenden Fahnen meistern, verweigern internationale Investoren den Kauf.
Europäische Banken sind unbeliebt bei Investoren
“Natürlich sind wir unzufrieden mit unserem Aktienkurs” sagt Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing seinen Aktionären bei der Hauptversammlung letzte Woche in Frankfurt. “Offenbar müssen wir noch mehr tun, um die Märkte von uns zu überzeugen. Und Sie haben mein Wort, dass wir hier dranbleiben.”
Sewings Enttäuschung teilen Bankchefs auf dem ganzen Kontinent, die sich schwertun, Investoren zurückzugewinnen, obwohl sie von steigenden Zinssätzen und einem globalen Handelsboom profitieren. Frederic Oudea, der diese Woche nach 15 Jahren als CEO der Societe Generale abtrat, lamentierte kürzlich über einen niedrigeren Aktienkurs als zum Zeitpunkt seines Antritts.
Sewing befindet sich in einer noch misslicheren Lage. Er hat den Chefposten vor etwas mehr als fünf Jahren übernommen, als die Deutsche Bank in einer schweren Vertrauenskrise steckte. Er hat Tausende von Arbeitsplätzen abgebaut, sich auf die historischen Stärken der Bank besonnen und Rentabilität und Ertragswachstum repariert. Dennoch wird die Aktie immer noch etwa 15 Prozent unter dem Wert gehandelt, den sie bei seinem Amtsantritt hatte, wie nachfolgender Chart zeigt:
Fragmentierung verhindert die Nutzung von Skaleneffekten
Ein Teil des Zögerns der Investoren lässt sich durch die Vorsicht erklären, die sich in den letzten zehn Jahren aufgebaut hat. Der europäische Bankensektor ist im Vergleich zu dem riesigen US-Markt notorisch fragmentiert, was ein strukturelles Hindernis für höhere Gewinne darstellt.
Die Jahre der Negativzinsen, die die Gewinne stark gedrückt haben, die strenge Regulierung, die Beschränkung der Ausschüttungen während der Pandemie und die teuren Umstrukturierungen sind ebenfalls noch frisch in Erinnerung. Viele Anleger leiden noch immer unter schweren Verlusten aus Investments, die zu früh eingegangen wurden.
Bei der Credit Suisse Group wurden Aktionäre bei der Rettungsaktion durch die UBS Group Ende März schwer getroffen. Der von der Regierung eingefädelte Deal hat große Investoren aus dem Nahen Osten vor Bankaktien zurückschrecken lassen, nachdem einige erst wenige Monate zuvor große Summen in die Credit Suisse investiert hatten.
Schwere Zeiten für die Deutsche Bank
Bei der Deutschen Bank stiegen im vergangenen Jahr zwei große institutionelle Aktionäre aus, als Cerberus Capital Management und Capital Group ihre Anteile reduzierten. Und trotz der Trendwende bleibt das Kreditinstitut anfällig für die Nervosität der Anleger.
Die Aktie der Deutschen Bank brach am 24. März um bis zu 15 Prozent ein, als der Beinahe-Zusammenbruch der Credit Suisse an den Märkten widerhallte und Ängste wieder aufflammten, von denen Sewing dachte, er hätte sie seit langem endgültig ausgeräumt. Aufseher vermuten einen CDS-Handel hinter dem Absturz (Institutional Money berichtete).
“Ich hoffe, dass das nachlässt, was manche als ‘Muskelgedächtnis’ des Marktes bezeichnen”, sagte Finanzvorstand James von Moltke letzten Monat auf die Frage nach dem Ereignis.
Analysten raten zum Kauf
Analysten sehen die europäischen Banken inzwischen fast einhellig als Chance. Für die fünf größten Institute der EU gibt es 93 Kaufempfehlungen, verglichen mit nur sechs Verkaufsempfehlungen, zeigen von Bloomberg zusammengestellte Analystendaten. Aber es könnte länger dauern, die Investoren zu überzeugen.
“Am Ende bleibe ich nur mit einer einzigen Enttäuschung zurück: dem Aktienkurs und der Tatsache, dass es mir nicht gelungen ist, den Markt zum Kauf zu bewegen”, sagte Oudea in einem Interview mit der französischen Zeitung Le Monde, das in seiner letzten Woche im Amt veröffentlicht wurde. Zu Recht, wie ein Blick auf das niedrige Kurs/Buchwertverhältnis der SG im internationalen Vergleich, wie die abschließende Grafik zeigt. (aa)
Societe Generale ist am ersten Blick günstig bewertet