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Ausnahmestellung der USA ist vorbei

Machen Konjunkturprognosen Sinn, wenn Trump jeden Tag die Regeln der internationalen Politik und des Handels verändert? Oder bleibt in Zeiten wie diesen nichts anderes übrig als abzuwarten? Um die Frage zu beantworten, reicht ein Blick auf Trumps erste Amtszeit und die US-Konjunkturentwicklung.

Dr. Harald Preißler, Kapitalmarktstratege bei Bantleon
Dr. Harald Preißler, Kapitalmarktstratege bei Bantleon© Bantleon

"Beim Vergleich des richtungsweisenden Einkaufsmanagerindex der Industrie mit dem Global Monetary Policy Index (um zwölf Monate versetzt) zeigt sich sehr schnell, dass politische Börsen kurze Beine haben", stellt Bantleons Kapitalmarktstratege Dr. Harald Preißler fest. "Auch damals beherrschte Trump die Tagespresse nach Belieben, an der konjunkturellen Großwetterlage änderte sich dadurch aber nichts. Unser Frühindikator, der sich aus rein geldpolitischen Quellen speist, hatte die zyklischen Wendepunkte 2016 bis 2020 präzise vorweggenommen – und auch der Start in die zweite Amtszeit verlief zumindest konjunkturell nach Plan."

Ausnahmestellung der USA
Aber immerhin hat Trump es geschafft, dass alle Welt sich fragt, ob die Ausnahmestellung der USA jetzt vorbei ist. Profitierte die Wirtschaft doch fast 16 Jahre lang vor allem vom Tech-Boom sowie der politischen und wirtschaftlichen Schwäche im Rest der Welt, insbesondere in Europa. Im Ergebnis strömte ein stetig wachsender Teil der globalen Kapitalanlagen in US-Aktien, was deren Bewertungen in immer extremere Höhen trieb.

Trendwachstum der US-Wirtschaft unter Druck
Allerdings geraten die Säulen des US-Investmentnarrativs bedenklich ins Wanken. Niemand wird bestreiten, dass US-Unternehmen in den vergangenen Jahren im Durchschnitt deutlich stärker gewachsen sind als die ausländische Konkurrenz und dabei auch noch bessere Rentabilitätskennzahlen erzielen konnten. Die Gretchenfrage lautet indes, ob das auch in Zukunft so sein wird. Der technologische Vorsprung der USA vor dem Rest der Welt ist jedenfalls geringer als gemeinhin angenommen. Dies zeigt ein Blick auf die Produktivitätsstatistik. Außerhalb von Krisenjahren (2009 und 2020) expandiert der Output pro geleisteter Arbeitsstunde in den USA mit derselben Rate wie in Deutschland und deutlich langsamer als in Japan. Einzelne US-Unternehmen haben im globalen Innovationswettbewerb die Nase vorn, für die Volkswirtschaft als Ganzes gilt das offenkundig nicht.

Staatsdoping
Zu beachten ist überdies, dass die USA ihr starkes Wirtschaftswachstum seit der Finanzkrise einem exzessiven Staatsdoping zu verdanken haben. So sind die Staatsschulden in Relation zur Wirtschaftsleistung zwischen 2008 und 2024 von 65 auf über 120 Prozent regelrecht explodiert. Und nicht zuletzt wegen des Big Beautiful Bill Act zeigt die Verschuldungskurve für die nächsten Jahre sogar noch steiler nach oben. Das ist auch der Grund, weshalb die USA dringend Geld aus dem Ausland brauchen, sei es über höhere Zölle, Gebühren für einen Platz unter dem US-Nuklearschirm oder Steuern auf in den USA erzielte Kapitalerträge.

Stolpernde US-Wrtschaft - auch dank Trump
Ohne jeden Zweifel hat das Trump-Chaos der vergangenen Monate einen wichtigen Anteil daran, dass die US-Wirtschaft ins Stolpern geraten ist. Dr. Preißler dazu: "Im 1. Quartal ist die Wirtschaftsleistung annualisiert und preisbereinigt um 0,3 Prozent geschrumpft. Selbst wenn für das gerade abgelaufene 2. Quartal eine namhafte Gegenbewegung unterstellt wird (plus 2,5 Prozent), expandiert die Wirtschaftsleistung so langsam wie seit drei Jahren nicht mehr. Kein Wunder, bei dem hohen Grad an Verunsicherung stellen Unternehmen und Privathaushalte Investitionen und Großanschaffungen zurück. Mit Blick nach vorne gehen wir davon aus, dass sich das Trendwachstum der US-Wirtschaft auf unter zwei Prozent abschwächt. MAGA geht anders!"

Europäische Konjunktur von mehreren Seiten unterstützt
Besser sieht es in Europa aus, wenn auch nicht überall. So tanzt in Südeuropa konjunkturell der Bär, vor allem wegen des nach wie vor boomenden Tourismus und der expansiven Fiskalpolitik. Die deutsche Wirtschaft hingegen scheint noch im Tiefschlaf zu sein – Hoffnung machen hier aber die riesigen Investitionspakete für Infrastruktur und Verteidigung mit einem Volumen von bis zu 2.000 Milliarden Euro, verteilt über die nächsten zehn Jahre. Dadurch entsteht nicht nur sehr viel Flexibilität in der Finanzpolitik, auch das BIP dürfte in der Hochlaufphase (bis 2027) um etwa ein Prozent p.a. angeschoben werden.

Erste Hoffnungsschimmer sind auch in der deutschen Industrie zu sehen
Diese profitiert von den verbesserten Finanzierungskonditionen. Zwar wird der Handel mit den USA teurer werden, aber Zölle in der zunächst angedrohten Größenordnung von 50 Prozent wird es wohl kaum geben. Tragende Säule des Aufschwungs wird damit die Binnenkonjunktur – das hat es in Deutschland lange nicht mehr gegeben. "In diesem Umfeld wird sich die EZB mit weiteren Leitzinssenkungen zurückhalten, weil ihre Inflationsprognosen sich als zu optimistisch erweisen dürften". so Preißler. "Wir gehen davon aus, dass das Inflationsgespenst schon in den nächsten Quartalen aus seinem Versteck kommen und die HVPI-Rate in der Eurozone Richtung drei Prozent treiben wird."

Bewertungen sprechen mittel- und langfristig für europäische Aktien
Bei der Frage, welche Aktienmärkte mittel- und langfristig die Nase vorn haben werden, hilft ein Vergleich der Bewertungen. Zeigt doch das Shiller-KGV deutlich, dass je höher die Bewertungen heute sind, desto tiefer die Performance in den folgenden Jahren sein wird. Konkret dürften US-Aktien künftig einen Kurszuwachs von etwa drei Prozent bis fünf Prozent p.a. bieten, während europäische Aktien auf sieben bis acht Prozent kommen sollten. Also eher MEGA als MAGA! "Beim Vergleich der Fünf-Jahres-Wertentwicklung zeigt sich, dass einige europäische Aktienmärkte wie Italien und Spanien den USA bereits enteilt sind. Und das allergrößte Potential bieten die bisherigen Nachzügler, also europäische Mid Caps", führt Preißler aus.

Staatsanleihen
Hier sei zu beachten, so Preißler weiter, dass es trotz des starken Zinsanstiegs im Jahr 2022 und der seither zu beobachtenden Seitwärtsbewegung noch eine Lücke zum fairen Wert gebe, den der nominelle Wachstumstrend des BIPs der Eurozone vorgebe. Deshalb sollten Anleger in den nächsten Monaten die Laufzeiten ihrer Staatsanleihenportfolios verkürzen, um drohende Kursverluste abzumildern.

Unternehmensanleihen sind Govies vorzuziehen
Ohnehin sind Corporate Bonds derzeit und auch in den nächsten Jahren die besseren Anleihen. Preißler dazu: "Erstens schneiden sie lediglich in Krisenzeiten schlechter ab als Staatsanleihen und zweitens spricht zumindest im Investment-Grade-Segment der rückläufige Verschuldungsgrad für Unternehmensanleihen. Demgegenüber sind die meisten Staaten dabei, ihre Schulden deutlich auszuweiten. Der Sweetspot – also das beste Risiko-Ertrags-Verhältnis – findet sich bei Nachranganleihen von Industrieunternehmen (Corporate Hybrids). Mit einer Rendite von 4,8 Prozent auf Indexebene erreichen sie fast das Niveau von High-Yield-Anleihen, haben wegen ihrer Investment-Grade-Emittentenbonität aber deutlich tiefere Ausfallraten."

Gold hat noch etwas Aufwärtspotential
Auch wenn man bei Bantleon aktuell nicht mit einer Krise rechnet, bleibt Gold für das Haus eine wichtige Beimischung im Portfolio. Denn obwohl man schon lange im Lager der Goldbullen sei, sehe man hier noch etwas Aufwärtspotenzial. Dafür sprächen die großvolumigen Käufe der Zentralbanken ebenso wie das ungebremste Interesse von Privatanlegern.

Fazit
"Unter dem Strich sollten Risiko-Assets trotz hoher Bewertungen auf der Überholspur bleiben", ist Preißler überzeugt. "Wir gehen deshalb mit einer moderat offensiven Aufstellung in das zweite Halbjahr 2025." (kb)

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