Alternative Risikoprämien: Lars Jäger räumt mit den Mythen auf
Alternative Risikoprämien (Alternative Risk Premia; ARP) und damit Renditequellen, die auf Momentum, Carry- oder Value-Strategien beruhen, haben sich zum Mainstream entwickelt und werden mittlerweile von einer breiten Mehrheit institutioneller Anleger als sinnvolle Anlagealternative wahrgenommen.
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Aber wie so oft bei fortschrittlichen Anlagekonzepten lassen sich weniger gut Informierte leicht durch Missverständnisse und Bedenken davon abhalten, die verfügbaren Chancen zur Diversifikation ihrer Anlageportfolios optimal zu nutzen. Es sei daher an der Zeit, mit den drei größten Mythen aufzuräumen, sagt Lars Jäger.
Mythos 1: ARP ist nur eine andere Bezeichnung für Hedgefonds
Das ARP-Konzept weist zwar unwiderruflich eine Gemeinsamkeit mit dem Hedgefonds-Gedanken auf, die darin besteht, dass es die gleichen Risikoprämien nutzt, die in der Vergangenheit zur Erklärung der Erträge des sogenannten "Hedgefonds-Alpha" herangezogen wurden – hier endet der Vergleich jedoch auch schon. Jäger: "Über Jahre hinweg wurden viele Hedgefonds mit undurchsichtigen Anlageansätzen assoziiert. Anleger zahlten überhöhte Gebühren, um dieses größtenteils nicht quantifizierbare Wundermittel zu nutzen, das ihnen versprach, die Gesamtperformance und Effizienz ihrer Anlageportfolios auf eine höhere Stufe zu heben. Strategien für alternative Risikoprämien dagegen bieten wertvolle Diversifikation durch nicht korrelierte Ertragsquellen – und dies bei absoluter Transparenz, täglicher Liquidität und niedrigen Kosten."
Mythos 2: ARP strebt nach Smart Beta
Smart Beta ist zu einem Schlagwort für etwas Mystisches geworden, dessen wahre Bedeutung niemand so richtig zu verstehen scheint. Angeblich aber möchte es jeder haben, weil man davon überzeugt ist, dass alle Anleger davon profitieren. "ARP hat jedoch nichts damit zu tun, denn Smart Beta bezieht sich tatsächlich auf das Konzept einer Neugewichtung breiter Aktienindizes nach unterschiedlichen Indikatoren (wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis). Das Ziel ist eine Ertragserwirtschaftung, die sich fundamental von der Ertragserzielung durch einfaches Index-Investieren unterscheidet. Letzteres hängt zwangsläufig von häufig zufälligen ("nicht smarten") und individuell großen Kursbewegungen von Aktien ab, die aufgrund ihrer Marktkapitalisierung ein hohes Gewicht im Index darstellen. Einer der frühen Pioniere von Smart Beta bezeichnete das Konzept treffend als "fundamentale Indexierung". Der beliebte Euphemismus Smart Beta ist deshalb nur ein weiteres Beispiel für die erstaunliche Fähigkeit der Finanzbranche, sich wohlklingende Namen für ziemlich intuitive Konzepte auszudenken" sagt Jäger.
Für eine einfachere Definition von ARP biete es sich möglicherweise an, das simplere Konzept des "alternativen Betas" zu nutzen. ARP-Strategien seien effektiv eine Erweiterung des faktorbasierten Investierens in unterschiedliche Faktoren und Anlageklassen – nicht nur in Aktien. Das Ziel bestehe darin, Quellen zu nutzen, die historisch als Alpha bezeichnet wurden, von Fachleuten aber als verborgenes Beta oder Risikoprämien bezeichnet werden. Diese Art von Beta lasse sich nicht mit Long-only-Anlageansätzen erschließen. Stattdessen würden hierzu exakt die Techniken eingesetzt, die auch größtenteils von Hedgefonds genutzt werden, unter anderem Spread-Trading (Long-Short-Positionen), die Nutzung nicht linearer Auszahlungsprofile (Optionen) und dynamische Engagements (Hebelung). Man könne ARP-Strategien auch als "liquide Diversifikatoren" bezeichnen: Die Instrumente, in die sie investieren, wiesen eine gute Liquidität auf, und ihr Ertragsprofil sei auf eine geringe Korrelation mit traditionellen Vermögenswerten ausgelegt.
Mythos 3: ARP-Strategien sind eine Nische, die für die meisten ungeeignet ist
ARP – das einst hässliche Entlein des alternativen Anlageuniversums mit der unerfreulichen Aufgabe, den schönen Hedgefonds-Schwänen zu zeigen, dass ihre realisierte Performance möglicherweise nicht ganz dem Anschein entspricht – ist mittlerweile selbst zu einem schönen weißen Schwan herangewachsen. Das Konzept fasst bei Anlegern weltweit immer fester Fuß. Vor allem, weil ARP-Strategien die Möglichkeit bieten, Performancemuster zu generieren, die bis vor Kurzem weitgehend ungenutzt blieben und nur für versierteste Hedgefondsmanager zugänglich waren – in einem Format, das zudem transparent, liquide und kosteneffizient ist.
Jäger führt aus: "Dennoch muss ein Großteil des ARP-Universums erst noch eine ausreichend lange Erfolgsbilanz aufbauen, um konservative Anleger anzuziehen. Es gestaltet sich vergleichsweise schwierig, die Größe der wachsenden ARP-Industrie zu definieren, da einige ARP-Angebote nach unserer Einschätzung nicht zu Recht als "reine" ARP-Strategien bezeichnet werden können. Im 4. Quartal 2018 meldete Cambridge Associates jedoch, dass das Team im Zuge seines Researchs ein Universum von 33 ARP-Strategien beobachtet, die zusammen Vermögen in Höhe von über 73 Milliarden US-Dollar verwalten. Dieses Universum ist eindeutig zu umfangreich, um es noch als Nische bezeichnen zu können!" (kb)