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4/2024 | Theorie & Praxis

Zehn Todsünden

Ein Experte aus Theorie und Praxis fasst in seinem Paper die größten und am ­häufigsten gemachten Fehler zusammen, die Investoren bei Anlagen in Hedgefonds unterlaufen. Eine Zusammenfassung.

Der Weg zum langfristigen Anlageerfolg mit Hedgefonds ist leider gespickt mit einer ­Vielzahl potenzieller Fehler, die man alle vermeiden muss.
Der Weg zum langfristigen Anlageerfolg mit Hedgefonds ist leider gespickt mit einer ­Vielzahl potenzieller Fehler, die man alle vermeiden muss.© gmf | Generiert mit KI, Piranha Photography | Ke

Kaum jemand dürfte berufener sein, eine Abhandlung zu erstellen, in der die größten Fehler im Umgang mit Hedgefonds zusammengefasst werden, als François-Serge Lhabitant. Der Schweizer verfügt über 30 Jahre Erfahrung mit der komplexen Thematik und zählt zu den wenigen Fachleuten, die sich damit in Theorie und Praxis auseinandersetzen mussten. Zwei Jahrzehnte, von 2002 bis 2022, war er als Associate Professor an der EDHEC Business School tätig. Seit 2005 ist er zudem Visiting Associate Professor of Finance an der Hong Kong University of ­Science and Technology. Die Erkenntnisse aus seiner Forschungstätigkeit hat er in diversen Publikationen als Autor oder Koautor zu Papier gebracht. Parallel zu seiner akademischen Aktivität verantwortet er seit 2004 als CEO und CIO den milliardenschweren Hedgefondsbereich von Kedge ­Capital. Die aus seiner Sicht gefährlichsten Fallstricke stellt der 58-Jährige in seiner Arbeit „Ten Common Mistakes ­Investors Make When Allocating to Hedge Funds“ vor; treffend ist auch der Untertitel: „or how to make sure your hedge fund portfolio will disappoint“.

Korrelation ist nicht alles

Viele Anleger suchen nach alternativen Investments, die nicht oder wenig mit Aktien und Anleihen korrelieren, um ihr Portfolio besser zu diversifizieren. Doch Korrelationen können täuschen, da sie in der Regel nur lineare Beziehungen erfassen. Dynamische Handelsstrategien von Hedgefonds verhalten sich gegenüber klassischen passiven Benchmarks aber oft nichtlinear. Hinzu kommt, so François-Serge Lhabitant, dass Korrelationen oft falsch verstanden werden. Sie beschreiben die Abweichungen von Trends, nicht die Trends selbst. Deshalb können sich im Extremfall hoch korrelierte Assets in entgegengesetzte Richtungen und umgekehrt unkorrelierte Assets in dieselbe Richtung bewegen. Der Autor stellt zudem infrage, ob man überhaupt nach ­Investments suchen sollte, die sich tendenziell in die ent­gegengesetzte Richtung wie Aktien bewegen. Diese würden in Bullenmärkten wahrscheinlich Geld verlieren. Eigentlich suchen Anleger nach Assets, die bei großen Verwerfungen an traditionellen Märkten hohe positive Renditen liefern und sich den Rest der Zeit akzeptabel entwickeln. Das ­erfordert asymmetrische Strategien, die sich kaum durch ­eine einfache Korrelation beschreiben lassen.

Lineare Modelle greifen zu kurz

Die Kritik am Einsatz linearer Modelle lässt sich auf Regressionen erweitern, die dazu verwendet werden, Alpha und Beta gegenüber Aktienindizes zu bestimmen. Dabei geht es in erster Linie darum, positives Alpha ausfindig zu machen. Das hat aber auch Nachteile. Zum einen hängt das Alpha von der Wahl des Aktienindex ab, der in der Regression ­verwendet wird. Zum anderen können die Renditen im ­Extremfall, wenn sich ein Fonds völlig unabhängig vom ­Aktienmarkt entwickelt, aus purem Alpha bestehen. Hinzu kommt, dass Hedgefonds häufig komplexe, nichtlineare Strategien unter Einsatz von Derivaten, Hebeln, Leerver­käufen und Arbitrage beinhalten. Angesichts dessen sind die linearen Regressionsmodelle zu einfach gestrickt. Sie können die Dynamik kaum abbilden. Wenn die Modellgrenzen aber außer Acht gelassen werden, so der Autor, kann der ­Alpha-Fokus zu verzerrten Einschätzungen und suboptimalen Anlageentscheidungen führen.

Indizes sind problematisch

Indizes sind in der Finanzwelt heute allgegenwärtig. Doch in der Hedgefondswelt muss man dabei teilweise große ­Abstriche machen, schreibt François-Serge Lhabitant. Zum einen ist das Hedgefondsuniversum nicht vollständig beobachtbar. Man kann nur Daten über Hedgefonds sammeln, die sich bereit erklären, diese zu melden. Das erschwert die Erstellung eines repräsentativen Index. Zum anderen wurden viele Hedgefondsindizes geschaffen, um gebührenpflichtige Produkte darauf auf den Markt zu bringen. Diese messen also die durchschnittliche Performance einer aus­gewählten Gruppe von Fonds. Dabei ist „durchschnittlich“ gleich das nächste Problem. Die durchschnittliche Größe der Hedgefonds ist so gering, dass sie für viele große institutionelle Anleger überhaupt nicht infrage kommen (siehe Grafik „Wenige große Hedgefonds dominieren“). Hinzu kommt eine ganz grundlegende Kritik: Hedgefondsindizes sind überdiversifiziert und weisen wenig oder kein Alpha auf. Denn während einzelne Fonds ein gewisses positives oder negatives Alpha sowie ein bestimmtes systematisches Beta aufweisen, ergibt die Masse von Hedgefonds eine unerwünschte Diversifikation der spezifischen Alpha-Wetten bei gleichzeitiger Akkumulation des Beta. Demnach sind Indexkonzepte in der Absolute-Return-Welt wenig zielführend. Trotzdem werden sie nach wie vor häufig verwendet.

Diworsifikation

Ähnlich ist der Effekt auch in den Portfolios der Investoren. Bei traditionellen Anlagen wie Aktien führt Diversifikation zu einer Minimierung des spezifischen Risikos, während das Marktrisiko erhalten bleibt. Bei Hedgefonds funktioniert das nicht, so der Autor. Sie sind keine Einzeltitel, sondern eigenständige Portfolios, die zum Beispiel Long- und Short-Positionen in verschiedenen Anlageklassen beinhalten. Verschiedene Fonds aus dem gleichen Bereich können dabei gleichgerichtete, aber auch gegenläufige Positionen beinhalten. In der Folge wird das Alpha wie beschrieben unbeabsichtigt neutralisiert, während sich das Marktrisiko je nach Konstellation sogar erhöhen kann. Dies wird als „Diworsifikation“ bezeichnet. Und das bei zugleich hohen Gebühren. Empfehlenswert ist deshalb die strategische Auswahl weniger Hedgefonds, die sich nachweislich gegenseitig ergänzen.

Die Sache mit den Gebühren

Die meisten Hedgefonds haben deutlich höhere Gebühren als klassische Investmentfonds. Doch das bedeutet nicht, Hedgefonds mit den niedrigsten Gebühren zu selektieren. Laut François-Serge Lhabitant ist das eigentliche Problem die fehlende Performance. Niedrige Gebühren ziehen in der Regel weniger qualifizierte Manager an, die sich im Lauf der Zeit auch kaum verbessern. Umgekehrt sind die besten Hedgefonds aber sehr gefragt, obwohl sie in der Regel nicht über ihre Gebühren verhandeln. Eher im Gegenteil. Während die Gebühren im Branchenmittel sanken, konnten die besten Hedgefonds zum Teil sogar Erhöhungen durch­setzen. Daher sind niedrigere Gebühren per se nicht unbedingt ein Pluspunkt. Andererseits zählt aber auch das Argument, dass die Kunden das Kapital zur Verfügung stellen und die Risiken tragen.

Sharpe-Ratio-Religion

Die Sharpe Ratio ist ein Standardmaß in der Finanzindustrie. Sie setzt die Überrendite ins Verhältnis zur Volatilität und gibt die risikobereinigte Performance an. Allerdings sollte sie nur auf das gesamte Portfolio angewandt werden, nicht auf einzelne Komponenten. Denn eine Kombination von Assets mit hohen Sharpe Ratios muss nicht unbedingt dazu führen, dass auch das Portfolio einen hohen Wert aufweist. Darüber hinaus wird bei der Volatilität nicht zwischen Aufwärts- und Abwärtsbewegungen unterschieden. Das ist ein Nachteil, da die Renditeverteilung vieler Hedgefonds­strategien asymmetrisch ist. Zudem ist der Wert der Sharpe ­Ratio nur sinnvoll, wenn ausreichend große Risiken eingegangen werden. Als Beispiel nennt der Autor einen Fonds mit einer annualisierten Volatilität von nur 0,5 Prozent. Dieser würde bei einer optisch sehr hohen Sharpe Ratio von 3 nur eine Überrendite von 1,5 Prozent erzielen.

Es selbst besser wissen (wollen)

Zwei weitere Fehler von Allokatoren sind die Auswahl von Managern mit ähnlichen Markteinschätzungen wie sie selbst und der Versuch des Timings der Strategien durch Umschichtungen. Der erste Fehler wird oft begangen, da man sich dann besser mit der Strategie identifizieren kann. Allerdings bedeutet das auch, Gebühren dafür zu zahlen, dass die eigenen Ansichten umgesetzt werden. Der Versuch des Timings ist dagegen meist vergeblich. Schließlich sollten die Hedgefondsmanager selbst die Experten auf ihren Märkten sein, auf Nachrichten reagieren und ihre Portfolios entsprechend anpassen. Ein „Timing der Market Timer“ zu versuchen bedeutet eigentlich, dass man die fraglichen Fonds gar nicht erst hätte auswählen dürfen. François-Serge Lhabitant empfiehlt Anlegern, sich darauf zu konzentrieren, hochwertige Fonds zu identifizieren, diesen strategisch Kapital ­zuzuweisen und taktische Entscheidungen den Managern zu überlassen.

Short Vola als Tail-Risiko

Die Renditen vieler Hedgefondsstrategien haben den Charakter von Stillhalterstrategien mit Put-Optionen (Short Put) – und das obwohl die meisten von ihnen vordergründig gar nicht mit Derivaten handeln. Der Autor nennt Merger ­Arbitrage als Beispiel. Die Strategie zielt auf die Preisdifferenz zwischen Übernahmeangebot und Börsenkurs ab. Wird eine Übernahme erfolgreich abgeschlossen, fällt der Spread auf null, und es resultiert ein Gewinn. Scheitert eine Übernahme dagegen, kann sich die Differenz deutlich ausweiten, was ein wesentlich höheres Verlustrisiko beinhaltet. Deshalb sind vor allem Bärenmärkte ein Problem, in denen dies häufiger geschieht. Es können also seltene, aber hohe Verluste anfallen, während das Potenzial in Bullenmärkten weitgehend gedeckelt ist. Das Ergebnis sind begrenzte Gewinne, über denen ähnlich wie beim Short Put das Damoklesschwert des Short-Vola-Tail-Risikos schwebt. Anders als bei Optionsstrategien ist dieser Charakter bei Strategien wie Merger Arbitrage aber nicht unbedingt offensichtlich. Deshalb ist auf Seiten der Investoren ein grundlegendes Verständnis für potenzielle asymmetrische Risiken erforderlich.

Der Fluch des Kuchendiagramms

Investoren allokieren gern prozentuale Portfolioanteile nach einem Kuchendiagramm. Ganz so einfach darf man es sich bei Hedgefonds aber nicht machen. Denn laut François-­Serge Lhabitant spiegelt ein fester Prozentsatz des Kapitals etwa für Long/Short Equity nicht genau die zugrunde ­liegenden Chancen und Risiken wider. Diese hängen in ­hohem Maße von der individuellen Strategie der jeweiligen Manager ab. Ein wirkliches Problem entsteht dann, wenn die Allokation laut Vorgabe noch „aufzufüllen“ ist, aber im jeweiligen Segment keine geeigneten Manager gefunden werden. Dann wird Kapital suboptimalen Managern zugewiesen, nur um eine Quote zu erfüllen. Dadurch kann das Potenzial des gesamten Portfolios verwässert werden. Statt fester Anteile ist es bei Hedgefonds deshalb besser, flexibel den individuellen Charakter der einzelnen Strategien zu ­berücksichtigen. Das erfordert ein Verständnis der spezifischen Chancen und Risiken sowie des Verhaltens gegenüber dem Markt.

An der falschen Stelle gespart

Last but not least sollten Investoren die operative Due Diligence im Auge behalten. Denn einer der häufigsten Fehler ist es, diese zu vernachlässigen, so der Autor. Obwohl sie wie langweiliger Papierkram erscheinen mag, der nur unnötig Geld kostet, ist die operative Due Diligence ein entschei­dender, vielleicht unterschätzter Schritt im Analyseprozess. Sie umfasst die Bewertung der nicht investitionsbezogenen Aspekte eines Hedgefonds. Dazu zählen etwa rechtliche ­Dokumente, interne Prozesse und Compliance sowie Hintergrundchecks der Mitarbeiter. Es geht es vor allem darum, wichtige rote Flaggen aufzuspüren, die grundsätzlich gegen ein Investment sprechen könnten. In der Praxis verlassen sich Investoren mitunter einfach auf Empfehlungen von Kollegen, ohne selbst gründliche Nachforschungen anzu­stellen. Dadurch können leicht kritische Warnzeichen übersehen werden.

Dr. Marko Gränitz

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