Was ein Comeback bedeutet
Bei Redaktionsschluss lag Donald Trump in den Umfragen hinter der Demokratin Kamala Harris. Sowohl eine Veränderung der Chancen im Wahlkampf als auch ein Sieg Donald Trumps hätten klare Auswirkungen auf Märkte und Investoren.
Wenn diese Ausgabe von Institutional Money auf Ihrem Schreibtisch landet, befinden sich die USA auf dem Höhepunkt eines historischen Wahlkampfs, an dessen Ende eine ebenso historische Wahlentscheidung stehen wird:?Schafft es mit der Demokratin Kamala Harris zum ersten Mal in der Geschichte der USA eine Frau ins mächtigste Amt der Welt? Oder gelingt dem Republikaner Donald Trump am 5. November nach vier Jahren Unterbrechung das Kunststück eines Comebacks und somit einer zweiten Amtszeit als US-Präsident?
Bei Redaktionsschluss lag die Demokratin in den landesweiten Umfragen zwar im Schnitt relativ weit vorn, dass derartige Prognosen nicht zuletzt aufgrund des komplexen Wahlmodus mitunter auf den Kopf gestellt werden können, haben wir jedoch in der Vergangenheit gelernt. Stellt sich für Marktteilnehmer die Frage, was für den Rest des Wahlkampfs auf sie zukommt – und was danach. Wobei sich die Frage im Fall eine Harris-Wahlsiegs recht schnell beantworten lässt: More of the same, wie sie selbst in einem CNN-Interview durchklingen ließ: „Ich bin auf die Arbeit, die wir geleistet haben, sehr stolz. Es ist uns gelungen, die Inflation auf unter drei Prozent zu drücken und die Kosten für Insulin auf 35 US-Dollar zu beschränken, was unserer älteren Bevölkerung hilft.“ Die Bidenomics sollen also grosso modo fortgesetzt werden, Abweichungen gab es – wieder bis Redaktionsschluss Anfang September – nur wenige. Dazu gehört, dass sie die Kapitalertragsteuer von derzeit 20 auf nur 28 Prozent anheben will. Biden hätte 39,6 Prozent angepeilt.
Kurz- und langfristige Konsequenzen
Unter der Voraussetzung, dass Harris den Biden-Kurs auch tatsächlich beibehält, bleibt als größerer Unsicherheitsfaktor Donald Trump bestehen. An dieser Stelle wollen wir aber nicht auf sein Wahlprogramm eingehen, sondern kurzfristig darauf, welche Auswirkungen seine Umfragewerte während des Wahlkampfs auf die Märkte haben. Für die langfristige Betrachtung liegt außerdem eine Studie vor, wie institutionelle Investoren auf die US-Außenpolitik reagieren. Die Arbeit „Do Institutional Investors React to International Politics?“ zieht dabei explizit die Auswirkungen von Trumps Präsidentschaft heran. Gestellt wird die Frage, ob Animositäten der US-Regierung Auswirkungen auf das Verhalten von Investoren bezüglich der betroffenen Länder haben.
Doch zunächst zu den kurzfristigen Auswirkungen, die in der Banca-d’Italia-Studie „US election risks and the impact of Trump’s re-election odds on financial markets“ untersucht wurden. Marco Albori, Alessandro Moro und Valerio Nispi Landi, alle Banca d’Italia, haben das Paper zwar noch vor dem Kandidaturverzicht Bidens vorgelegt, da die Studie jedoch auf die Auswirkungen der erwarteten politischen Inhalte fokussiert und nicht auf Persönlichkeitsmerkmale, sollten die Ergebnisse grosso modo fortführbar sein.
Die Agenden von Harris und Trump unterscheiden sich jedenfalls in Schlüsselaspekten wie Energie-, Fiskal- und Handelspolitik. Während Harris plant, den grünen Übergang der USA zu verstärken und die Besteuerung von Unternehmen und Besserverdienern zu erhöhen, will Trump die Umweltausgaben reduzieren, Anreize für mehr inländische Öl- und Gasproduktion schaffen und die Steuersätze senken. Zudem hat er bereits vorgeschlagen, die US-Zollpolitik zu verschärfen, insbesondere gegenüber China, und zwar über die kürzlich eingeführten Zölle auf Waren im Zusammenhang mit sauberer Energie, Halbleitern und Metallen hinaus. Diese Unterschiede führen zu Unsicherheiten in der zukünftigen Politik wichtiger Wirtschaftsbereiche.
Auswirkungen der Wahlprognosen
Um zu beurteilen, wie die gestiegene Wahrscheinlichkeit einer Wahl Trumps auf die Finanzmärkte wirkt, schätzen die Autoren ein 9-variates tägliches VAR-Modell für den Zeitraum vom 3. Januar 2023 bis zum 13. Juni 2024. Sie stellen (Anm.: mithilfe einer Cholesky-Zerlegung) folgendes fest: steigt die Wahrscheinlichkeit einer Wahl Trumps, führt das zu einem Anstieg der Volatilität auf dem US-Anleihenmarkt . Dies könnte darauf hindeuten, dass die Märkte ein höheres Kreditrisiko einpreisen, möglicherweise aufgrund der Erwartung höherer Haushaltsdefizite, sollte Trump gewählt werden.
Im Gegensatz dazu geht eine höhere Wahrscheinlichkeit einer Wahl Trumps mit einer geringeren Volatilität des Aktienmarktes und höheren Aktienkursen einher, was mit der marktfreundlicheren Haltung des republikanischen Kandidaten übereinstimmt. Der Schock führt auch zu niedrigeren Ölpreisen, was mit einem höheren erwarteten Angebot an fossilen Brennstoffen einhergeht. „Dies spiegelt wahrscheinlich Trumps geringes Interesse an Umweltfragen, seine Skepsis gegenüber erneuerbaren Energien und eine positive Einstellung zur Stärkung der heimischen Rohstoffindustrie wider“, erklärt Moro. Schließlich deuten die Auswirkungen auf den Wechselkurs auf eine leichte Abwertung des US-Dollars hin (siehe Charttafel „Trumps Wahlchancen und ihre Auswirkungen auf die Märkte“). In einer anderen Spezifikation beziehen die Autoren die Aktienindizes für einzelne Sektoren ein. Sie stellen fest, dass die Halbleiter-, Software- und Verteidigungsindustrie am stärksten von einer höheren Wahrscheinlichkeit einer Wahl Trumps profitieren. „Wahrscheinlich sind dies die strategischen Sektoren, die unter einer neuen Regierung Trump am meisten von einem höheren Maß an Protektionismus profitieren werden“, so Landi.
Die Autoren schätzen auch ein Modell, das Unternehmensspreads sowohl auf Investment-Grade- als auch auf High-Yield-Anleihen einbezieht, und weisen nach, dass eine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Wahl Trumps zu höheren Spreads führt. Dies könnte auf die Erwartung höherer Haushaltsdefizite zurückzuführen sein, die wiederum das wahrgenommene Risiko im Staatsanleihenbereich erhöhen und eine Neubewertung von Unternehmensanleihen bewirken.
Außenpolitik und Investorenverhalten
Klar erscheint auch, dass eine Wahl Trumps die Außenpolitik der USA verändern würde. Die Konfliktdynamik würde sich ändern – mit entsprechenden Auswirkungen auf das Investorenverhalten, wie die Studie „ Do Institutional Investors React to International Politics?“ zeigt.
Jun Song von der Singapore Management University und Woochan Kim, der an der Korea University Business School, dem European Corporate Governance Institute (ECGI) und dem Asian Institute of Corporate Governance (AICG) wirkt, haben untersucht, ob außenpolitische Meinungsverschiedenheiten mit den Vereinigten Staaten die Entscheidungen US-amerikanischer institutioneller Investoren über Portfolioinvestitionen im Ausland beeinflussen.
„Anhand bilateraler Meinungsverschiedenheitsmaße, die aus gegensätzlichen Abstimmungsentscheidungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) abgeleitet wurden, finden wir starke empirische Belege für diesen Zusammenhang“, erklärt Song. „Wir stellen einen Rückgang des Anteils US-amerikanischer institutioneller Investoren an Nicht-US-Unternehmen fest, wenn das Land, in dem sie notiert sind, einen Rückgang seiner politischen Beziehungen zu den USA erlebt“, führt Kim weiter aus.
Die Ergebnisse werden durch Difference-in-Differences-Analysen untermauert, die sich auf zwei Störungen der bilateralen Beziehungen konzentrieren: die Opposition Frankreichs und Deutschlands gegen den von den USA initiierten Irak-Einmarsch im Januar 2003 und die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten im November 2016.
Case 1: Der Irakkrieg
Der Widerstand Frankreichs und Deutschlands gegen die von den USA geführte Invasion im Irak belastete die politischen Beziehungen zwischen den USA und beiden Ländern spürbar. Mittels einer Difference-in-Differences--Regression vergleichen die Autoren die Veränderung des Anteils der US-amerikanischen institutionellen Anleger zwischen Ende 2002 und 2003 für französische oder deutsche Unternehmen mit US-Investorenanteil bei vergleichbaren Unternehmen in anderen großen westlichen Ländern, die starke politische Beziehungen zu den USA aufrechterhielten, indem sie Truppen in den Irak entsandten – also Großbritannien und Australien.
Signifikanter Investorenrückzug
Das Ergebnis zeigt, dass der Koeffizient des Interaktionsterms „Beobachtete Region × Beobachtungszeitraum“ negativ und statistisch signifikant ist. Dies deutet darauf hin, dass US-Institutionen auf eine abrupte Verschlechterung der bilateralen politischen Beziehungen zu den USA reagieren, indem sie ihre Investitionen in französische oder deutsche Unternehmen reduzieren.
Tatsächlich ist das Ergebnis nicht nur statistisch, sondern auch ökonomisch signifikant. Denn der Koeffizient von minus 0,011 bedeutet, dass der Widerstand gegen die von den USA geführte Irak-Invasion den Anteil der US-amerikanischen institutionellen Anleger an französischen oder deutschen Unternehmen um deutliche 1,1 Prozentpunkte zurückgehen ließ, was einem Rückgang von 9,4 Prozent gegenüber dem Durchschnittswert des Anteils der US-amerikanischen institutionellen Anleger entspricht – der wiederum bei 11,7 Prozent lag.
Case 2: Der Trump-Sieg von 2016
Ein weiterer externer Schock, den die Autoren betrachten, ist die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten am 8. November 2016. In Anbetracht der Tatsache, dass Hillary Clinton in fast allen landesweiten und Swing-State-Umfragen vorn lag, war Trumps Sieg unerwartet. Damit ist es unwahrscheinlich, dass das Wahlergebnis zuvor mit den Aktieninvestitionen US-amerikanischer Institutionen im Ausland korreliert war. Darüber hinaus kündigte sich mit Trumps Sieg und angesichts seiner häufigen Kritik an China in zahlreichen Fragen wie Handelsungleichgewicht, Währungsmanipulation oder Diebstahl geistigen Eigentums eine mögliche Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und China an.
Diesmal vergleichen die Autoren die Veränderung des Anteils der US-amerikanischen institutionellen Anleger zwischen Ende 2016 und 2017 für chinesische Unternehmen mit der von vergleichbaren Unternehmen in anderen Ländern des asiatisch-pazifischen Raums – und zwar Australien, Japan und Korea. Sie schließen 2018 bewusst aus dem Betrachtungszeitraum aus, da der Beginn des Handelskriegs zwischen den USA und China im Jahr 2018 die Fundamentaldaten der Unternehmen verändern und die Ergebnisse verfälschen könnte.
Das Ergebnis zeigt, dass der Koeffizient des Interaktionsterms „Beobachtete Region × Beobachtungszeitraum“ auf dem 90-Prozent-Niveau negativ und statistisch signifikant ist. Dies deutet darauf hin, dass US-Institutionen auf eine abrupte Verschlechterung der bilateralen politischen Beziehungen zu den USA reagierten, indem sie ihre Investitionen in chinesische Unternehmen reduzierten.
Das Ergebnis ist zwar statistisch weniger stark belastbar aber ökonomisch durchaus signifikant: Denn der Koeffizient von minus 0,018 legt nahe, dass die Amtseinführung von Trump als US-Präsident den Anteil der US-amerikanischen institutionellen Anleger an chinesischen Unternehmen um 1,8 Prozentpunkte gesenkt hat.
Angesichts der Tatsache, dass Trump bei Redaktionsschluss hinter Kamala Harris lag, erscheinen die Parallelitäten zwischen der Vergangenheit und einem zukünftigen potenziellen Wahlsieg Trumps also durchaus gegeben.
Hans Weitmayr