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1/2023 | Theorie & Praxis
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Unbemerktes Renditeleck

Eine Studie zeigt, dass Anlageprofis gute Kaufentscheidungen treffen, aber einen großen Teil davon beim Ausstieg wieder verspielen. Statt also immer nur nach der nächsten Kursrakete zu suchen, liegt das größere Potenzial auf der anderen Seite.

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Fondsmanager scheinen bei der Auswahl des optimalen Kaufzeitpunkts von Aktien tendenziell geschickter zu sein, als wenn es darum geht, Titel aus dem Portfolio ­wieder abzustoßen. Diese Managementschwäche schlägt sich auch in den Ergebnissen nieder.

© knelson20 | stock.adobe.com
Um überdurchschnittlich gute Anlageentscheidungen zu treffen, müssen aktive Manager viel Zeit und Energie investieren. Dabei geht es einerseits darum, gute Gelegenheiten für Käufe zu identifizieren. Ebenso wichtig ist aber auch der vorausschauende Verkauf von Positionen, wenn sich die vorherigen Erwartungen in den Kursen niederschlagen oder die Bewertungen aus dem Ruder laufen. Doch in der Anlagepraxis zeigt sich etwas anderes. Statt der vermuteten Zweiteilung des Analyseaufwands für Käufe und Verkäufe liegt der Fokus ganz klar auf dem Einstieg. Das geht aus der Studie „Selling Fast and Buying Slow: Heuristics and Trading Performance of Institutional Investors“ hervor, die im Lauf dieses Jahres im prestigeträchtigen „Journal of Finance“ erscheinen soll. Darin untersuchen die vier Autoren Klakow Akepanidtaworn, Rick Di Mascio, Alex Imas und Lawrence Schmidt anhand eines umfangreichen Datensatzes, wie erfahrene institutionelle Portfoliomanager ihre Entscheidungen treffen. Sie betrachten 783 Portfolios mit einem Durchschnittswert von 573 Millionen US-Dollar. Eine Besonderheit ist dabei, dass Portfoliobestände und Trades auf Tagesbasis verfügbar sind, was eine detaillierte Analyse ermöglicht. Im untersuchten Zeitraum von 2000 bis 2016 sind insgesamt 89 Millionen einzelne Transaktionen enthalten.
 
Erstaunlicher Unterschied
Als zentrales Ergebnis ihrer Untersuchungen dokumentieren die Autoren ein auffälliges Muster: Während die Manager eine klare Kaufkompetenz zeigen, schneiden sie bei den Verkaufsentscheidungen deutlich schlechter ab. Dabei performen zugekaufte Positionen sowohl besser als die jeweilige Benchmark als auch die Referenzstrategie, die nach dem Zufallsprinzip mehr Aktien von bereits im Portfolio gehaltenen Werten kauft. Konkret beträgt die Outperformance mehr als 100 Basispunkte pro Jahr, bezogen auf das Dollar-Kaufvolumen. Im Gegensatz dazu liegt die Performance der Verkaufsentscheidungen mit 80 Basispunkten pro Jahr deutlich hinter der zufälligen Referenzstrategie (siehe Grafik „Klares Kontrastprogramm“).
 
Woran kann es liegen, dass die Mehrheit der Manager beim Kaufen zwar geschickt zu sein scheint, beim Verkaufen jedoch plötzlich viel schlechter abschneidet? Beide Entscheidungen erfordern doch schließlich, dass Anlageprofis nach relevanten Informationen suchen und diese in ihre Einschätzungen einbeziehen. Die Autoren vermuten, dass Kauf- und Verkaufsentscheidungen auf unterschiedlichen psychologischen Prozessen beruhen. Das begründen sie mit stichprobenartigen, ausführlichen Interviews, die gezeigt haben, dass Portfoliomanager zum einen unterschiedlich über Käufe und Verkäufe denken und zum anderen auch unterschiedlich viel Aufwand dafür betreiben. Demnach konzentrieren sie sich in erster Linie darauf, die nächste große Investmentidee zu finden, die ins Portfolio aufgenommen werden soll. Verkäufe werden dagegen hauptsächlich als Mittel zum Zweck betrachtet, um Cash für neue Käufe zu beschaffen. Da die Performance der Verkäufe aber sogar deutlich schlechter ist als der Zufall, würden die Manager besser ­fahren, stattdessen alle bestehenden Positionen zu gleichen Anteilen abzubauen.
 
Ursachenforschung
Die starke Performancediskrepanz zwischen Käufen und Verkäufen scheint also mit der asymmetrischen Verteilung der Ressourcen zusammenzuhängen, die Portfoliomanager aufwenden. Passend dazu schreiben die Forscher, dass typische Verkaufsentscheidungen in zwei einfachen Schritten getroffen werden. Zuerst erfolgt eine Vorauswahl auffälliger Aktien, die sehr hohe oder sehr niedrige vergangene Renditen aufweisen. Das lässt sich auf die begrenzte Aufmerksamkeit zurückführen, die man den Verkäufen widmet. Die leicht zu beobachtende Dimension der vergangenen Renditen scheint dafür eine praktikable Lösung darzustellen. Tatsächlich werden die größten Top- und Flop-Aktien viel häufiger verkauft als Positionen, die weniger auffällig performten. Diese Tendenz, sich auf Renditeextreme zu konzentrieren, beobachten die Autoren auf der Käuferseite nicht, was für die dort höhere Aufmerksamkeit der Manager spricht.
 
Es ist offensichtlich, dass dieses Verhaltensmuster mit entsprechenden Kosten verbunden ist. Das zeigen die Autoren, indem sie Manager vergleichen, die am stärksten (oberstes Quartil) beziehungsweise am wenigsten (unterstes Quartil) dazu neigen, die größten Gewinn- und Verlustpositionen zu verkaufen. Während sich im oberen Quartil fast 180 entgangene Basispunkte pro Jahr anhäufen, ist im untersten Quartil keine Underperformance zu beobachten. Der empirische Zusammenhang verdeutlicht, dass ein heuristisches, auf ­vergangene Renditen ausgerichtetes Verkaufsverhalten ein großes Renditeleck darstellt. Die Ergebnisse fallen dabei noch schlechter aus, wenn Stressphasen betrachtet werden, in denen sich die Manager weniger als ohnehin schon um die Qualität ihrer Verkaufsentscheidungen kümmern.
 
Im zweiten Schritt der typischen Verkaufsentscheidung ­selektieren Manager diejenigen Positionen aus ihrer verzerrten Vorauswahl, von denen sie am wenigsten überzeugt sind. Das betrifft oft vernachlässigte Positionen, die eine ­geringe Gewichtung im Vergleich zur Benchmark aufweisen. Allerdings bedeutet das nicht, dass diese keine gute ­Investmentidee mehr darstellen. Ganz im Gegenteil, wie die Verkaufsperformance verdeutlicht: Weniger beachtete Ideen stehen mit einem Großteil der Underperformance von Verkäufen in Verbindung. Im Vergleich dazu ist interessant, dass Verkäufe von Positionen mit hoher Überzeugung keine systematische Underperformance aufweisen. Das weist darauf hin, dass die Manager in der Lage wären, generell bessere Verkaufsentscheidungen zu treffen.
 
Ungenutzte Skills
Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang die Analyse der Forscher, wie die Performance bei Trades ausfällt, wenn zeitgleich Unternehmenszahlen veröffentlicht werden. Dadurch wird die Aufmerksamkeit der Portfoliomanager auf die ­aktuellen Bestände gelenkt, und sie dürften bewusster über ihre Positionen nachdenken – auch über die, deren Verkauf sie sonst nicht in Betracht gezogen hätten. Darauf weisen ­zumindest die Ergebnisse hin. Demnach schneiden Verkaufsentscheidungen an diesen Tagen mehr als 150 Basispunkte pro Jahr besser ab als an Tagen ohne Bekanntgabe von Zahlen, und damit besser als die zufälligen Verkäufe der Referenzstrategie. Im Unterschied dazu zeigt sich bei den Käufen keine systematische Performancedifferenz zwischen Entscheidungen an Ankündigungs- und Nichtankündigungstagen. Das spricht dafür, dass sich die Manager unabhängig von Quartalszahlen ohnehin ständig auf potenzielle Käufe konzentrieren.
 
Entscheidend ist nun die Schlussfolgerung der Autoren aus diesem Ergebnis. Demnach fehlt es Anlageprofis nicht an der grundlegenden Fähigkeit, gute Verkaufsentscheidungen zu treffen. Allerdings wenden die Manager ihre Fähigkeiten nicht auch bei den Verkäufen aktiv an, sondern setzen dort mangels Aufmerksamkeit beziehungsweise kognitiver Ressourcen auf Heuristiken.
 
Erklärungen
Das Grundproblem scheint also die asymmetrische Verteilung der Aufmerksamkeit zu sein, die Portfoliomanager ihren Kauf- gegenüber Verkaufsentscheidungen zukommen lassen. Die offensichtlichste Erklärung dafür, so die Forscher, ist der fundamental-analytische Charakter fast aller Manager der untersuchten Stichprobe mit den entsprechend langen Haltedauern der einzelnen Positionen. Am deutlichsten fällt dabei die Underperformance der Verkäufe von Managern aus, die besonders aktive, konzentrierte Portfolios mit hohem Tracking Error zur Benchmark fahren. Portfoliomanager, die auf Momentum-Strategien setzen, haben bei ihren Verkäufen dagegen die geringste Underperformance.
 
Anders als quantitative Ansätze erfordern fundamentale Strategien umfassendes Research, von maßgeschneiderten Bewertungsmodellen bis hin zu qualitativen Einschätzungen durch Gespräche mit dem Management der Unter­nehmen. Zeitliche und kognitive Ressourcen dürften dabei einen entscheidenden Engpass darstellen. Entsprechend liegt es nahe, sich auf die vermeintlich wichtigere Seite neuer Kaufideen zu fokussieren, um die nächste große Kursrakete am Aktienmarkt zu finden. Hinzu kommt, dass die Fähigkeit, neue Investmentideen als überzeugende Story zu präsentieren, für die Portfoliomanager nach außen ein wichtiges qualitatives Signal ist, um das verwaltete Vermögen zu halten beziehungsweise zu erhöhen. Allerdings scheint ihnen nicht bewusst zu sein, wie viel Performance sie beim Verkauf ­einbüßen.
 
Schlussfolgerungen
In der Behavioral Finance geht es oft um klassische Verhaltensfehler von Privatanlegern, die rationale institutionelle ­Investoren ausnutzen können. Doch wie die hier beschriebene Studie zeigt, sind auch Institutionelle nicht immer so objektiv und analytisch wie gedacht. Demnach haben selbst erfahrene Portfoliomanager blinde Stellen, an denen sie (vermutlich unbewusst) die Rendite schädigende Heuristiken anwenden. Das ist erstaunlich, da sie bei Kaufentscheidungen durchaus ihre Fähigkeiten an den Tag legen. Dort haben die Manager die Einstellung, dass neue Anlageideen gut durchdacht und vorausschauend sein müssen. Im Vergleich dazu scheinen Verkaufsentscheidungen einen viel niedrigeren Stellenwert zu besitzen. Sie werden eher als Maßnahme zur Cash-Beschaffung gesehen und basieren oft auf vergangenen Renditen und persönlichen Überzeugungen.
 
Besonders erstaunlich ist dabei, dass die Portfoliomanager ihre schlechte Performance beim Verkaufen scheinbar auch auf lange Sicht nicht erkennen. Schon einfache alternative Verkaufsstrategien oder die Nutzung quantitativer Modelle könnten die Ergebnisse somit erheblich verbessern. Das Gleiche gilt übrigens auch für den Blind Spot, dass Aktien, die das Portfolio verlassen haben, später nur selten wieder gekauft werden. Das deutet darauf hin, dass die ausgemusterten Werte für die Zukunft zum Teil kategorisch aus der infrage kommenden Auswahl ausgeschlossen werden.
 
Dr. Marko Gränitz

Anhang:

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