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1/2023 | Theorie & Praxis
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Überraschender Makro-Boost

Eine Untersuchung über den Einfluss von Makronachrichten auf die Effizienz des Aktien­­marktes auf Einzeltitelebene lieferte unerwartete Ergebnisse. Im Umfeld spektakulärer Gesamtmarktereignisse reagieren Aktien stärker auf Ertragsüberraschungen.

Eine Flut von Nachrichten strömt auf die Märkte ein. Diese gilt es möglichst zeitnah in den Kursen einzupreisen. Dabei lässt sich zwischen gesamtwirtschaftlichen Makro- und unternehmensspezifischen Mikronachrichten unterscheiden. In den beiden Kategorien gibt es ­außerdem verschiedene Abstufungen, wie relevant einzelne Informationen für die Einschätzungen der Anleger sind. ­Angesichts der Vielzahl von Nachrichten stellt sich aber auch die Frage, welche Wechselwirkungen zwischen ihnen bestehen. Ein entscheidender Aspekt dürfte dabei die begrenzte Kapazität der Marktteilnehmer sein, Informationen zu verarbeiten. Sie müssen abwägen, wofür sie ihre Zeit und kognitiven Ressourcen nutzen, die ihnen zur Verfügung stehen. Deshalb wäre theoretisch ein Crowding-out zu erwarten: An Tagen, an denen sowohl wichtige Makronachrichten als auch Quartalszahlen von Unternehmen veröffentlicht werden, so könnte man annehmen, rücken Letztere eher in den Hintergrund und werden entsprechend schlechter eingepreist. Denn das Eintreffen der wichtigeren Makro-News könnte Anleger sowohl ablenken als auch ihre Kapazität zur Verarbeitung der Unternehmensnachrichten schmälern, was ein verzögertes Einpreisen dieser Informationen zur Folge hätte. Dazu würde auch die in der Literatur bekannte Unterreaktion des Post Earnings Announcement Drift passen.
 
Realitätscheck
Ob das wirklich der Fall ist, untersuchen David Hirshleifer und Jinfei Sheng in der Studie „Macro News and Micro News: Complements or Substitutes?“. Die zentralen Fragen sind dabei, wie gut Quartalszahlen von Unternehmen eingepreist werden, die an Tagen mit beziehungsweise ohne gleichzeitige Bekanntgabe wichtiger Marko-Nachrichten veröffentlicht werden und ob beziehungsweise wie sich das Ganze auf den Post Earnings Announcement Drift auswirkt. Die Forscher definieren einen Tag als Makro-Tag, wenn an diesem eine der folgenden vier wichtigen Nachrichten bekanntgegeben wird: 1) Entscheidung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC), 2) Arbeitsmarkt­bericht, 3) ISM Einkaufsmanagerindex und 4) Verbraucherpreise. Das FOMC betrifft acht Handelstage, alle übrigen Nachrichten jeweils zwölf Handelstage im Jahr. Dabei ­haben alle vier genannten Makro-Events statistisch und wirtschaftlich signifikante Auswirkungen auf die Überrendite des Marktes und sind damit für Anlageprofis von hoher ­Relevanz. Zur Untersuchung der Quartalszahlen nutzen die Autoren die Daten von Compustat und I/B/E/S im Zeitraum von 1997 bis 2014.
 
Ergebnisse
Die Studie kommt zu dem überraschenden Ergebnis, dass sich die Veröffentlichung von Makronachrichten umgekehrt zur theoretischen Vermutung auswirkt. Demnach gehen an Makro-Tagen die Nachrichten auf Unternehmensebene ­besser in die Aktienkurse ein. Das zeigt sich daran, dass die unmittelbaren Kursreaktionen auf Gewinnüberraschungen von Unternehmen an diesen Tagen stärker ausfallen und gleichzeitig der darauffolgende Post Earnings Drift schwächer ist. Während an Makro-Tagen veröffentlichte über­raschend gute oder schlechte Gewinne innerhalb von zehn Handelstagen nach Ankündigung schon fast vollständig ­eingepreist sind, ist es an Nicht-Makro-Tagen anders. Hier ­benötigen solche Gewinnüberraschungen weitaus mehr Zeit, um eingepreist zu werden (siehe Grafik „Makro- vs. Nicht-Makro-Tage“).
 
Mit anderen Worten: Quartalszahlen werden an Makro-Tagen schneller und effizienter in die Aktienkurse eingepreist. Dieser Effekt ist nicht zu unterschätzen. Den Berechnungen zufolge weisen Unternehmen mit den größten ­Gewinnüberraschungen an Makro-Tagen eine um 17 Prozent höhere unmittelbare Kursreaktion und einen um 71 Prozent geringeren Post Earnings Drift auf als bei Gewinnüberraschungen an anderen Tagen.
 
Die Bekanntgabe von Makrodaten behindert das Einpreisen von Quartalszahlen also nicht, sondern wirkt sich sogar deutlich positiv darauf aus. Diese komplementäre Beziehung von Makro- und Mikro-News kann der Studie zufolge ­genutzt werden, um Handelsstrategien zu verbessern, die auf dem Post Earnings Announcement Drift basieren. Hierbei werden Aktien von Unternehmen mit positiven Gewinnüberraschungen gekauft und Aktien von Unternehmen mit negativen Gewinnüberraschungen verkauft. Wenn nun ­allerdings der Drift für Quartalszahlen schwächer ist, die an Makro-Tagen bekanntgegeben werden, sollten diese aus der Strategie ausgeschlossen werden. Im Einklang damit zeigen die Autoren, dass ein entsprechendes Long-Short-Portfolio an Nicht-Makro-Tagen eine statistisch signifikante monat­liche Rendite von rund einem Prozent erzielt. An Makro-­Tagen sind die Renditen dagegen viel kleiner und nicht ­signifikant.
 
Erklärungen
Eine mögliche Erklärung für das überraschende Ergebnis ist, dass Makronachrichten die Aufmerksamkeit der Anleger von anderen Aktivitäten auf die Analyse von Aktien lenken. Das erscheint deshalb plausibel, weil im Arbeitsalltag bekanntlich viel Zeit und Mühe für Tätigkeiten aufgewendet werden müssen, die nichts mit der unmittelbaren Verarbeitung von Börsennachrichten zu tun haben. So können ­Investmentprofis beispielsweise Aufgaben in der Verwaltung, beim Personal, im Marketing und in der Vernetzung mit Kunden haben. Auch allgemeine Investmentthemen wie die Untersuchung möglicher Handelsstrategien gehören dazu und erfordern Aufmerksamkeit. All das könnte die Manager im Alltag vom Nachrichtenfluss ablenken. Deshalb könnten sie an bestimmten wichtigen Tagen – etwa bei der Bekanntgabe von Makronachrichten – den Fokus auf ihre Kern­aufgabe verlagern und dabei sowohl Mikro- als auch Makro-Informationen verarbeiten, während sie an den übrigen ­Tagen andere Aufgaben wahrnehmen. Auf diese Weise würden an Makro-Tagen auch unternehmensbezogene Nachrichten eine besondere Aufmerksamkeit erhalten und Fundamentaldaten effizienter eingepreist. Für diesen Zusammenhang spricht auch, dass eine angemessene Einordnung wichtiger Makronachrichten ohnehin mit der Überprüfung der Fundamentaldaten der Unternehmen einhergeht, da sich etwa deren Faktorexposures im Zeitablauf je nach Entwicklung des Makroumfelds am Markt verändern können.
Eine alternative Erklärung sind verbesserte Übertragungskanäle für Informationen. So können Makronachrichten auch Informationen enthalten, die eine bessere Interpreta­tion von Quartalszahlen der Unternehmen ermöglichen, ­sodass an diesen Tagen entsprechend stärkere Reaktionen darauf erfolgen. Tatsächlich stellen die Forscher fest, dass Analysten ihre Prognosen häufiger revidieren und diese ­genauer ausfallen, wenn die Quartalszahlen an Tagen mit Makronachrichten veröffentlicht werden.
 
Weitere Untersuchungen der Studienautoren sprechen aber eher für die zuerst genannte Erklärung über den Aufmerksamkeitseffekt. Interessant ist dazu die Analyse, wie sich Ablenkungen auswirken, die kaum relevante Informationen über die Fundamentaldaten enthalten. Dazu zählen etwa Nachrichten über Terrorismus und Schießereien. Die Analyse zeigt, dass diese Ereignisse mit schwächeren Marktreaktionen auf Quartalszahlen einhergehen. Die Aufmerksamkeit der Marktteilnehmer reduziert sich also dadurch. Auch die Analyse wechselseitiger Effekte durch Veröffentlichungen bekannter Unternehmen spricht für den Aufmerksamkeitseffekt. Diese lenken die Aufmerksamkeit der Anleger auf den Markt und führen zu einer höheren Sensitivität der ­Aktienkurse gegenüber Quartalszahlen.
 
Schlussfolgerungen
An Tagen mit Makro-News werden Unternehmensnachrichten besser eingepreist, was für eine höhere Markteffizienz spricht. Die Beziehung der beiden Kategorien von Nachrichten scheint also komplementär zu sein. Allerdings schreiben die Autoren, dass der Effekt wohl nur auf insti­tutionelle Anleger zutrifft. Die Aufmerksamkeit von Privatanlegern wird im Gegensatz dazu durch Makro-News ­tatsächlich eher verringert, wie eingangs mit dem Effekt des Crowding-out beschrieben.
 
Die Studienergebnisse lassen die Autoren auch weitergehende Vermutungen anstellen. So könnte die schwankende Aufmerksamkeit von Anlegern in anderen Bereichen der Märkte ebenso ein Thema sein und damit noch umfassender wirken als in der Betrachtung von Mikro- und Makronachrichten. Ein Beispiel wäre, dass die Handelsaktivität von Aktien infolge erhöhter Renditen am Gesamtmarkt bekanntlich zunimmt. Das zeigte sich einst deutlich während der Internetblase, aber auch in der Kursrallye nach Corona. Damit könnten die Wechselwirkungen zwischen der Aufmerksamkeit auf Gesamtmarkt- und Unternehmensebene ein weitreichendes Phänomen sein.

Dr. Marko Gränitz

Anhang:

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