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2/2022 | Theorie & Praxis

»Nutzen stiften durch Austausch«

Die Verunsicherung innerhalb der Branche aufgrund der schwelenden Ukrainekrise ist groß. Wie institutionelle Investoren darauf reagieren, erklären Thomas Jesch und Michael Klauke-Werner vom Bund institutioneller Investoren im Interview.

Vor ziemlich genau vier Jahren hat sich eine kleine Gruppe von institutionellen Investoren und Vertretern der Asset-Management-Branche zusammengetan, um den „Bund Institutioneller Investoren“ zu gründen.?Das vornehmliche Ziel: der Aufbau eines gemeinsamen Netzwerks von Gleichgesinnten, um die Professionalisierung der institutionellen Kapitalanlage in Deutschland voranzubringen. Nach den ersten gemeinsamen Veranstaltungen und Workshops durchkreuzte das Aufkommen der Corona-Pandemie die gut gemeinten Ausbaupläne. Für die Gründer war das kein Anlass, sich entmutigen zu lassen, inzwischen haben sich 30 Mitglieder dem Vorhaben verschrieben. Der Mitte Mai zum zweiten Mal in Präsenz organisierte „Tag der Institutionellen Kapitalanlage“ lockte sogar insgesamt 120 Branchenteilnehmer aus ganz Deutschland nach Frankfurt. Wir haben im Vorfeld des Events die beiden Vorstandschefs der Organisation, Dr. Thomas A. Jesch, und Michael Klauke-Werner, zum Gespräch getroffen.

Meine Herren, einmal ganz grundsätzlich gefragt: Gab es nicht eigentlich schon genug Verbände innerhalb des Segments der institutionellen Kapitalanlage?

Michael Klauke-Werner: Was die Zahl der Verbände in diesem Bereich angeht, haben Sie sicher in gewisser Weise recht. Im Unterschied zu dem von uns gegründeten Bund institutioneller Investoren adressieren die meisten schon länger bestehenden Verbünde allerdings in erster Linie die Interessen und Anforderungen der Vertreter ihres jeweiligen Spezialgebiets. Deshalb stand hinter der Gründung des BII die Idee, gewissermaßen spartenübergreifend die wesentlichen Beteiligten der institutionellen Kapitalanlage in Deutschland sowohl auf Produktgeberseite als auch auf der Seite der eigentlichen Asset Owner – etwa Versorgungseinrichtungen, Pensionskassen und Pensionsfonds und nicht zuletzt Stiftungen bis hin zu Family Offices – zusammenzubringen.

Thomas Jesch: Wobei unser Schwerpunkt bisher noch auf dem Feld der Versorgungseinrichtungen liegt. Bei Stiftungen und dem Sektor Family Office können wir sicher noch zulegen, sind aber durchaus bemüht, auch Vertreter dieser Fachrichtungen anzusprechen und für unsere Idee zu begeistern. Es gibt aus unserer Sicht eine ganze Reihe von Themen im Bereich der institutionellen Kapitalanlage, zu denen ein spartenübergreifender Austausch durchaus lohnenswert und lehrreich für alle sein kann. Nicht nur beim Thema Regulierung, auch bei Fragen zur aktuellen Entwicklung der Kapitalmärkte und nicht zuletzt beim relativ jungen Dauerthema der Branche, dem Aspekt Nachhaltigkeit der Kapitalanlage, lohnt es durchaus, über den Horizont der eigenen Spezialsparte hinauszuschauen.

Wo steht Ihre Organisation denn heute?

Michael Klauke-Werner: Inzwischen haben sich der Idee des BII 30 Mitglieder angeschlossen, jeweils zur Hälfte Produktgeber, sprich Asset Manager, und institutionelle ­Investoren verschiedener Vorsorgeeinrichtungen. Das gemeinsame Interesse dahinter lässt sich gut unter einer Art Motto zusammenfassen, das ich einmal als „Nutzen stiften durch Austausch“ beschreiben würde. Nicht zu vergessen der Aspekt Bildung und Ausbildung, denn wir wollen durchaus etwas voranbringen im Sinne einer professionelleren Kapitalanlage, die sich am Ende natürlich auch handfest im Portemonnaie von ­Arbeitern, Angestellten und Rentnern als den eigentlichen Leistungsempfängern von Versorgungs- und Altersvorsorgeeinrichtungen zeigen soll. Das wollen wir durch entsprechende gemeinsame Events, aber auch durch wissenschaftliche Symposien, Studien und Workshops voranbringen.

Thomas Jesch: Nicht zuletzt soll der BII auch eine Art Forum sein, das über den Austausch seiner Mitglieder untereinander auch die Kommunikation mit Vertretern des Gesetzgebers und der Aufsicht sowie Repräsentanten befreundeter Spezialverbände in Asset Management und Versicherungswirtschaft fördert. Darüber hinaus suchen wir bewusst den Kontakt zu ausländischen Verbänden. Denn genauso wie eine sinnvolle Kapitalanlage heutzutage nicht an nationalen Grenzen haltmachen darf, ist auch der Blick über die eigenen Landesgrenzen aufschluss- und lehrreich. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass auch hierzulande alle Beteiligten in diesem Markt durchaus noch sehr viel lernen können, wenn sie einen Blick auf die Art und Weise werfen, wie Versorgungsgelder in anderen Staaten und Rechtsräumen angelegt und verwaltet werden.

Sprechen Sie die skandinavischen Pensionsfonds an?

Nicht nur die nordischen Länder demonstrieren uns, wie man vor allem mit einer stärkeren Berücksichtigung von Aktieninvestments und Real Assets langfristig durchaus ansehnliche Erträge erzielen kann. Ich denke dabei vor allem an Schweden und Dänemark, aber natürlich auch an den norwegischen Staatsfonds, nach Japans staatlichem Rentenfonds seit Langem einer der weltweit größten Versorgungsträger, der übrigens nach eigener Aussage bewusst auf Investments in Private Equity verzichtet. Dass andererseits mit Anlagen in den pri­vaten Märkten durchaus etwas möglich ist, zeigen Beispiele aus den USA und, nicht zu vergessen, kanadische Pensionsfonds. Deshalb sind uns der Kontakt und der Austausch mit ausländischen Verbänden wirklich wichtig.

Was signalisieren Ihnen denn die institutionellen Investoren, mit denen Sie sprechen?

Michael Klauke-Werner: Derzeit überlagern natürlich das Kriegsgeschehen in der Ukraine und die damit unmittelbar wie auch indirekt verbundenen Konsequenzen massiv alles andere. Egal mit wem man derzeit spricht, bei allen Beteiligten im Bereich der institutionellen Kapitalanlage ist große Verunsicherung spürbar. Was im Grunde ja auch nicht verwundern kann, wenn man bedenkt, dass durch den russischen Einmarsch und die in der Folge verhängten Sanktionen im Prinzip gerade so etwas wie eine Neudefinition von Geopolitik und vor allem Geoökonomie stattfindet, die die Wirtschaft als Ganzes in Mitleidenschaft zieht.

Thomas Jesch: Als wäre das nicht schon genug, gesellt sich eine zunehmende Schwäche in nahezu allen Segmenten der Kapitalmärkte hinzu. Das gilt für die Aktienmärkte genauso wie für den Bereich der zinstragenden Wertpapiere. Gerade der für institutionelle Investoren besonders bedeutende Anleihenbereich ist unter Druck geraten. Auf der einen Seite lassen natürlich steigende Zinsen darauf hoffen, dass in absehbarer Zeit auch mit Anlagen in festverzinslichen Werten wieder einigermaßen auskömmliche Erträge zu erzielen sein werden. Andererseits sorgt die altbekannte Regel „Steigende Zinsen gleich sinkende Kurse“ zunächst einmal für Abschläge bei den aktuellen ­Bewertungen der Bestandsportfolios von ­institutionellen Anlegern. Das lässt deren Sorgenfalten nicht kleiner werden.

Michael Klauke-Werner: Gleichzeitig scheint sich zudem die Inflation wie eine Art ungeliebter Dauergast im weltweiten Wirtschaftsgeschehen einzunisten. Die Zentralbanken, allen voran die amerikanische Federal Reserve und nach langem Zögern inzwischen auch die EZB, signalisieren zwar, dass sie ihre Möglichkeiten nutzen werden, um einem weiteren Anstieg der Teuerungsraten entgegenzuwirken. Es stellt sich nur die Frage, wie wirksam entsprechende Maßnahmen überhaupt sein können angesichts der tatsächlichen Gründe für nach wie vor massiv steigende Preise.

Sie meinen, weil dahinter nicht eine schwache Nachfrage steckt, wie das in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts der Fall gewesen ist?

Thomas Jesch: Das ist ja der Unterschied. Heute sind es in erster Linie die massiv gestiegenen Preise für Energie und Rohstoffe, die zuletzt für eine zunehmende Teuerung gesorgt haben. Hinzu kommen Probleme in Bezug auf die Versorgung und den Nachschub aufgrund von ungelösten Problemen in den Lieferketten, die durch die Situation in China, das mit erheblichen Problemen aufgrund seines strikten Kurses zur Bekämpfung der Corona-Pandemie konfrontiert ist, noch verschärft werden. Auf beides hat eine Notenbank nur sehr begrenzten Einfluss.

Michael Klauke-Werner: Das bremst inzwischen nicht nur die traditionellen Investments aus. Auch alternative Anlagen sind unter Druck geraten, inklusive dem Bereich Real Assets. Im Immobiliensektor findet zwar insofern noch keine generelle Neubewertung statt, als man noch nicht von starken Preisabschlägen sprechen kann. Aber mit steigenden Zinsen verschlechtern sich natürlich vor allem die Finanzierungsbedingungen für Neuinvestments oder bei anstehenden Prolongationen bei der Finanzierung. Für institutionelle Investoren werden zudem die Wertminderungen im Bereich der festverzinslichen Anlagen unter Umständen früher oder später zum Problem.

Inwiefern?

Der Immobilienanteil in ihren Portfolios hatte schon vor der jüngsten Neubewertung an den Kapitalmärkten zum Teil die für viele entscheidende maximale Größe von 25 Prozent erreicht oder befand sich zumindest in der Nähe dieser Marke. Wenn nun gleichzeitig der Wert der festverzinslichen Anlagen zurückgeht, bedeutet das sozusagen eine automatische Höherbewertung des Immobilienanteils. Bisher hat das bei den meisten Marktteilnehmern noch nicht dazu geführt, dass sie sich sozusagen gezwungenermaßen von Teilen ihrer Immobilienquote verabschieden mussten; zumal die Regulierungsbehörden bisher noch die Füße stillgehalten haben, selbst wenn die 25-Prozent-Marke zeitweise überschritten wurde. Je nach künftiger Marktentwicklung könnte das aber für den einen oder ­anderen Investor problematisch werden.

Wie reagieren denn die Investoren auf die jüngsten Korrekturen in den unterschiedlichen Marktsegmenten?

Thomas Jesch: Dass das Anlagejahr 2022 insgesamt eine Herausforderung bleiben wird, dürfte inzwischen jedem bewusst sein. Auf die Aktienanlage bezogen, scheint das Inter­esse bei einigen Investoren nach den jüngsten Korrekturen aber sogar wieder zuzunehmen, wenn auch nur in sehr ausgewählten Segmenten. Das betrifft vor allem solche Werte, die über ein nach wie vor gesundes Umsatzwachstum bei gleichzeitig stabilen Gewinnmargen verfügen. Diese Werte wurden zum Teil zu Unrecht mit der Gesamtheit des Marktes durch entsprechende Kursverluste abgestraft – eine Entwicklung, die auch schon in anderen Phasen kriegerischer Auseinandersetzungen zu beobachten war.

Sprechen Sie von Aktien, die häufig als Qualitätswerte bezeichnet werden?

Nicht nur das. Man darf angesichts der jüngsten Entwicklung wohl davon ausgehen, dass die Märkte in einer Situation angekommen sind, die gemeinhin als Value-Phase bezeichnet wird. Aus meiner Sicht ist aber die Diskussion, die oft verkürzt als ­Value versus Growth diskutiert wird, eher akademischer Natur. Ich glaube, dass man als Investor gut damit fährt, sich auf etwas zu konzentrieren, was ich als „Valuable Growth“ bezeichnen würde. Gemeint sind damit Unternehmen, die wie gesagt in der Lage sind, ihre Umsätze zu steigern und auskömmliche Margen von vielleicht zehn Prozent und darüber zu erzielen.

Und auf der Rentenseite?

Hier bleibt es für institutio­nelle Investoren bei einem Dilemma. Zum einen wird sich die zuletzt zu beobachtende sukzessive Abwertung von Bestandsanlagen wohl noch geraume Zeit fortsetzen. Zum ­anderen mag es durchaus sein, dass sich im Bereich der Unternehmensanleihen oder auch im High-Yield-Sektor die eine oder andere Chance auftun wird. Allerdings müssen Investoren ihre Engagements natürlich immer einer sorgfältigen Risikoprüfung ­unterziehen, auch was eventuelle Währungs­risiken ihrer Engagements angeht. Daher wird vielen nichts anderes übrig bleiben, als sich am Ende dann doch mit nach wie vor extrem geringen Erträgen aus Euro-Anlagen zufriedenzugeben, die ein für sie akzeptables Rating aufweisen.

Wie sieht es auf der Seite der Immobilienanlagen aus, Herr Klauke-Werner?

Michael Klauke-Werner: Aus meiner Sicht befinden wir uns in Bezug auf die Nachfrage nach Immobilien-Investments seitens institutioneller Investoren in einer Art Phase der Neuorientierung. Waren die Märkte in den vergangenen zehn Jahren von einer hohen Nachfrage nach Logistik-Objekten geprägt, ist das Interesse derzeit verhalten. Zum einen werden kaum noch Neubauflächen ausgewiesen, zum anderen spielt dabei sicher auch die zunehmend unsichere Wirtschaftsentwicklung eine Rolle. Der Bürosektor erfährt nicht nur durch die Entwicklung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie eine Art Neubewertung hier spielt auch die Notwendigkeit einer Anpassung aufgrund der gesamten ESG-Thematik eine Rolle. In Deutschland in den Top-Sieben-Lagen, in den Wachstumsstädten in Europa wie Wien, Paris, Amsterdam, Helsinki und natürlich London, in denen Büroflächen immer gebraucht werden, ergeben sich dadurch aber interessante Möglichkeiten für „Managed to Green“ Investments. Der von Investoren aktuell am stärksten gesuchte Bereich ist der Sektor Wohnen mit dem Trend zu systemrelevanten Spezialimmobilien.

Was meinen Sie konkret?

Aufgrund der absehbaren Veränderungen durch Demographie und Überalterung der Gesellschaft rücken die unterschiedlichsten Arten von Wohnimmobilien für Senioren zunehmend ins Interesse langfristig denkender institutioneller Investoren. Das kann insofern nicht verwundern, als die Menschen immer älter werden, aber familiäre Strukturen nicht mehr so funktionieren wie früher, die Unterstützung älterer Menschen findet zunehmend weniger in der eigenen Familie statt. Von daher wird sich die Nachfrage nach Themen wie einem seniorengerechten Wohnen, aber auch nach allen Arten von Gesundheits-, Klinik- und Pflegeimmobilien künftig auf einem hohen Niveau bewegen.

Am Ende stellt sich natürlich die Frage, wie sich ein institutioneller Investor angesichts der aktuellen Entwicklung aufstellen soll.

Thomas Jesch: Ich glaube, es wird gerade aufgrund der derzeit in vielen Marktsegmenten herrschenden Unsicherheit und der momentan kaum einzuschätzenden Entwicklung in Bezug auf die weiteren Auswirkungen des Kriegsgeschehens in der Ukraine kaum etwas anderes übrig bleiben, als sich auf das wesentliche Grundprinzip einer umsichtigen Kapitalanlage zu konzentrieren: Das ist eine möglichst breite Diversifikation. Die dazu notwendigen Informationen bereitzustellen und sich über eine Art Netzwerk mit anderen auszutauschen, dazu wollen wir mit ­unserer Organisation einen Beitrag leisten.

Wir danken für das Gespräch.

Hans Heuser

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