Geglättete Sorgenfalten
Der „Marktausblick zur Lebensversicherung 2024“ der Ratingagentur Assekurata zeigt ein aktuelles Bild der Lebensversicherungen in Deutschland. Die schwierige Niedrigzinsphase scheint überstanden zu sein. Herausforderungen gibt es aber trotzdem.
Die Zinssituation ist für die Kapitalanlage von Lebensversicherungen essenziell. „Knapp 70 Prozent der Kapitalanlagen sind immer noch in festverzinslichen Wertpapieren investiert. Vor dem Niedrigzins waren es 90 Prozent“, erklärt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung in der Kölner Ratingagentur Assekurata bei der Vorstellung des „Assekurata-Marktausblicks zur Lebensversicherung 2024“ im Juni. In ihrem Marktausblick beschreiben die Kölner sowohl die positiven als auch die negativen Faktoren, denen sich Lebensversicherer aktuell gegenübersehen. Profitieren können diese momentan von den höheren Zinsen und der Auflösung der Zinszusatzreserve (ZZR). Zu kämpfen haben sie mit den stillen Lasten, die sich durch den Zinsanstieg ergeben, und den deutlich abnehmenden beziehungsweise abfließenden Einmalbeiträgen.
Versicherer profitieren von höheren Zinsen
Die seit Sommer 2022 gestiegenen Zinsen wirken wie Botox für die Gesichter der Versicherungsvorstände, die durch die lang anhaltende Niedrigzinsphase die eine oder andere Sorgenfalte bekommen hatten. „Jetzt sind die Lebensversicherer bemüht, die höheren Zinsen in ihre Portfolios einzubuchen, und investieren wieder stärker in zinsgebundene Anlagen“, beobachtet Heermann. Hier wollen die Versicherer im Jahr 2024 ihre Neuanlagen in den Bereichen Staats- und Unternehmensanleihen ausbauen, aber auch bei Private Debt. „Aufgrund der inversen Zinsstruktur gewährt der Markt am kurzen Ende weiterhin ein relativ hohes Zinsniveau. Hier müssen die Lebensversicherer abwägen zwischen kurzfristigem Renditeeffekt und ihrem langfristigen Horizont auf der Verpflichtungsseite“, warnt Heermann vor einem zu starken Fokus auf das zinsseitig attraktive kurze Ende.
Die Credit Spreads befinden sich aktuell auf dem Rückzug, allerdings von erhöhten Niveaus aus. „Trotz vieler ungewisser makroökonomischer Situationen zeigen die Kreditrisikoprämien deutliche Entspannungssignale. Im Jahresverlauf sehen die Asset Manager der Versicherer zumeist eine gleichbleibende Tendenz bei den Credit Spreads“, so Heermann. Dies lässt erwarten, dass sie gut geratete Anleihen gegenüber High-Yield-Anleihen bevorzugen. Heermann ergänzt: „Das bedeutet aber nicht, dass keine Risiken mehr da sind. Ein großes Gefährdungspotenzial sehen die Investoren insbesondere in den geopolitischen Konflikten und den globalen Handelskonflikten, während die Themen Klimakrise und Gesundheitsrisiken durch Pandemien eher in den Hintergrund getreten sind.“
Kaum Immobilienneuanlagen geplant
Was die übrigen Assetklassen betrifft, sind die Häuser eher verhalten. „Private Equity wird wieder ein bisschen positiver wahrgenommen. Was wir derzeit nicht sehen, ist, dass Versicherer ihr Aktien-Exposure in größerem Ausmaß aufstocken. Auch Infrastrukturinvestitionen stehen nicht mehr so stark im Fokus wie noch im letzten Jahr“, sagt Heermann. Während Immobilien lange Zeit eine interessante Assetklasse für die Versicherungsunternehmen dargestellt haben, wollen hier aktuell die wenigsten ihre Quoten ausweiten. Bei den wenigsten Häusern spielen Immobilien in der Neuanlage eine nennenswerte Rolle, wie aus der Grafik „Neuanlage im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr“ hervorgeht.
Solvenzquoten robust
Solvenzmäßig steht die Branche in der aktuellen Situation überwiegend robust da. Im Frühjahr wurden die Solvenzquoten der Versicherer veröffentlicht. Hier zeigte sich, dass die durchschnittliche Solvenzquote leicht zurückgekommen ist, was unter anderem auch an den Übergangsmaßnahmen liegen dürfte. „Ohne die Übergangsmaßnahmen sind die Quoten im Schnitt sogar gestiegen, was maßgeblich auf die Zinsstrukturkurve zurückzuführen sein dürfte“, vermutet Heermann. Der Zinsrückgang war am kurzen Ende ziemlich deutlich, am langen Ende jedoch nicht. Lebensversicherer investieren aber in unterschiedliche Laufzeiten, sodass der Zinsrückgang nicht überall zum Tragen kommt. Dagegen sind die Verpflichtungen auf der Passivseite weitgehend gleich geblieben. Insgesamt sieht Heermann die Solvenzquoten jedoch im grünen Bereich: „Die Solvenzquoten der Lebensversicherer in Deutschland sind immer noch sehr hoch, wenngleich die Unterschiede zwischen den einzelnen Häusern groß bleiben.“
Erste Entnahmen aus der ZZR
Aufgrund des typischerweise langfristigen Geschäftsmodells von Lebensversicherungen entwickelt sich der durchschnittliche Garantiesatz nur sehr langsam nach unten, was während der lang anhaltenden Niedrigzinsphase Probleme befürchten ließ. Daher wurde die Branche seit 2011 vorsorglich aufgerufen, eine Zinszusatzreserve (ZZR) aufzubauen. Der Grund: In der extremen Niedrigzinsphase reichte der Marktzins nicht aus, um die Garantien zu bedienen. „Die ZZR war ein Kraftakt für die Branche. In der Spitze – Ende 2021 – wurde ein ZZR-Bestand von knapp 100 Milliarden Euro aufgebaut“, erklärt Heermann und ergänzt: „Damals waren das mehr als zehn Prozent der Deckungsrückstellungen, was die Ertragslage der Lebensversicherer stark belastet hat.“
ZZR-Auflösung ist gut für die Kunden
Jetzt sehen sich die Lebensversicherer in der günstigen Situation, dass sie keine weitere ZZR mehr aufbauen müssen. Im Gegenteil, seit 2022 können sie teilweise bereits Entnahmen aus der ZZR tätigen. „Der durchschnittliche Garantiezins der deutschen Lebensversicherer liegt derzeit vor ZZR bei 2,34 Prozent und nach ZZR bei 1,35 Prozent. Die Entlastungswirkung der ZZR beträgt also aktuell knapp einen Prozentpunkt“, führ Heermann auf. Die Möglichkeit, die ZZR abzubauen, sei eine positive Konsequenz der gestiegenen Zinsen, was auch die BaFin thematisiert: „Angesichts der wieder steigenden Zinsen rückt für viele Versicherer die Auflösung der Zinszusatzreserve in den Fokus. Die Versicherungsnehmer profitieren dabei von den ausschließlich ihnen zustehenden frei werdenden Mitteln. Zudem dienen diese Mittel auch zur Absicherung stiller Lasten“, schreibt die Aufsichtsbehörde im BaFin-Journal vom Dezember 2022.
Per Ende 2023 belief sich das ZZR-Volumen auf 88 Milliarden Euro, ist also gegenüber dem Höchststand von 96 Milliarden schon um einiges zurückgekommen (siehe Chart „2022 bereits erste Entnahmen aus der ZZR getätigt“). Damit entspricht die ZZR aktuell rund neun Prozent der branchenweiten Deckungsrückstellung (Vorjahr: 9,5 %).
Aber genauso wie die ZZR über eine Dekade aufgebaut wurde, wird auch der Abbau mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Aufgrund des großen Bestandseffekts rechnet man mit einem Abbau von rund fünf Milliarden Euro jährlich. „Auch bei erneut sinkenden Zinsen würde das Maximum der ZZR wohl nicht wieder erreicht“, vermutet Heermann. Er rechnet damit, dass der Abbau der ZZR bis über 2035 hinaus anhalten wird, weil es eben langsam geht.
Immerhin gibt der Markt auf der Zinsseite mittlerweile wieder mehr her, als zur Bedienung der Garantien notwendig ist. Der tarifliche Garantiezins im Lebensversicherungsbestand (ohne ZZR) befindet sich aktuell bei 2,34 Prozent, was sehr nah beim Zinssatz für zehn- und 30-jährige Bunds liegt (siehe Chart „Der Markt gibt wieder mehr her“).
Stille Lasten auf der Aktivseite der Versicherer
Doch die gestiegenen Zinsen haben nicht nur positive Aspekte, sondern auch eine Kehrseite der Medaille: Die Lebensversicherer konnten bis 2021 enorme stille Reserven aufbauen – insbesondere bei festverzinslichen Papieren. „Im Jahr 2020 machten die Bewertungsreserven über 20 Prozent der Kapitalanlagen aus“, so Heermann. Mit dem Zinsanstieg seit Sommer 2022 ist das gekippt, und in den Jahren 2022 und 2023 hat der Bestand an Bewertungsreserven stark abgenommen. Nun prägen unrealisierte Verluste die bilanzielle Situation in der Kapitalanlage. „Ende 2023 betrugen die stillen Lasten der Lebensversicherer rund 75 Milliarden Euro. Bezogen auf die Kapitalanlagebuchwerte sind das 7,4 Prozent“, gibt Heermann eine Größenvorstellung. Zwar können die Versicherer die stillen Lasten aussitzen, indem sie ihre Papiere bis zur Endfälligkeit halten, allerdings geht das zulasten der Portfoliorendite, denn dann können sie sich nicht in die höheren Zinssätze einkaufen. „Die stillen Lasten sind durchaus ein Steuerungsthema für die Lebensversicherer“, meint Heermann.
Weil viele Häuser ihre stillen Lasten teilweise abbauen, um ihre Bilanzen nach vorn heraus zu stabilisieren, führt das dazu, dass die Nettoverzinsung der Branche unterhalb der aktuellen Verzinsung liegt. „Kurzfristig können die Versicherer nur bedingt darauf reagieren, was aktuell auf der Zinsseite los ist“, merkt Heermann an, „aber langfristig wird sich die Zinswende dann schon in steigenden Durchschnittserträgen der Lebensversicherer bemerkbar machen.“ Kurzfristig punkten jetzt erst einmal die Banken: Sie können unmittelbarer auf die Zinswende reagieren und bieten ihren Kunden mittlerweile über drei Prozent, teilweise sogar 3,75 Prozent für Tagesgeld oder kurzfristige Festgelder.
Deklarationen angehoben
Aber auch die Lebensversicherungsbranche hat reagiert und ihre Deklarationen gegenüber dem Vorjahr mehr oder minder deutlich angehoben. Für die Deklaration der Überschussbeteiligung ist jeweils der Verantwortliche Aktuar zuständig (§ 141 Abs. 5 Nr. 4 Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG). Dazu muss er abwägen, inwieweit die aus dem ZZR-Abbau frei werdenden Mittel sofort die Überschussbeteiligung erhöhen sollen, oder ob damit zunächst die Risikotragfähigkeit weiter gestärkt werden soll.
„Am deutlichsten ist der Effekt der gestiegenen Deklarationen bei den Indexpolicen. 2023 betrug die Überschussbeteiligung hier noch 2,53 Prozent; 2024 wurde sie auf 2,82 Prozent angehoben“, so Heermann. Aber auch in der Neuen Klassik ist ein Effekt sichtbar: Die laufende Verzinsung stieg von im Schnitt 2,19 (2023) auf 2,58 Prozent (2024). Am geringsten ist der Effekt bei den Fondspolicen (2,10 gegenüber 2,34 Prozent).
Geschäftsperspektiven verhalten positiv
Die unterschiedlichen Überschussbeteiligungen, aber auch weitere Gesichtspunkte haben Auswirkungen auf die Geschäftserwartungen für die einzelnen Segmente der Branche. „Insgesamt zeigen sich die Geschäftsperspektiven für 2024 leicht verbessert und verhalten positiv“, fasst Heermann die Ergebnisse aus der Befragung der Versicherungshäuser zusammen.
Die höchsten Geschäftserwartungen ranken sich um Fondspolicen und Berufsunfähigkeitsversicherungen, aber auch die Situation in der bAV wird wieder deutlich besser eingestuft. Die Risikolebensversicherung zeigt dagegen ein weitgehend neutrales Bild. Am Ende der Skala steht die Klassik, auch wenn hier die Erwartungen gegenüber den Vorjahren ein wenig angestiegen sind. „Eine Rückkehr zu alten, traditionellen Zeiten ist hier allerdings nicht absehbar“, so Heermann.
Neuer Höchstrechnungszins bei 1,0 Prozent
Nachdem in den Produktschmieden der Lebensversicherer in den vergangenen Jahren nicht viel passiert ist, könnte sich dies zum 1. Januar 2025 ändern, denn zu diesem Stichtag wird der Höchstrechnungszins von 0,25 auf 1,0 Prozent angehoben. „Das ist seit 1994 die erste Anhebung des Höchstrechnungszinses und damit völlig neues Terrain für viele Produktmanager“, betont Heermann. Die Lebensversicherer dürfen sich Gedanken machen, wie sie ab Januar 2025 ihre Produkte neu aufstellen. Möglich wäre beispielsweise eine Wiederbelebung von Riester-Produkten, weil mit dem höheren Garantiezins eine 100-prozentige Bruttobeitragsgarantie wieder darstellbar ist.
Spannend bleibt, wie der politische Umsetzungsprozess aus den Ergebnissen der von der Bundesregierung eingesetzten Fokusgruppe private Altersvorsorge aussehen wird. Ziel der Fokusgruppe um Staatssekretär Dr. Florian Toncar war es, für breite Bevölkerungsgruppen ein einfaches, transparentes und effizientes Angebot zur Lebensstandardsicherung nach Renteneintritt zu finden. Die Produkte sollten renditestark und günstig sein.
Die Kehrseite ist, dass die Anhebung des Höchstrechnungszinses für Herausforderungen im Vertrieb sorgt. Während es bei den Absenkungen des Höchstrechnungszinses kurz davor immer zu einer Art „Schlussverkaufseffekt“ kam, kehrt sich dieser Effekt jetzt um. Damit die Kunden nicht warten, bis sie im nächsten Jahr bessere Vertragskonditionen erhalten, bieten einige Häuser eine Umstellungsoption (sogenannte Günstigerprüfung) an, sodass die in diesem Kalenderjahr abschließenden Kunden mit denen gleichgestellt werden, die erst im nächsten Jahr abschließen.
Nachhaltigkeit: Normalisierung der Tonlage
Während das Thema Nachhaltigkeit in den letzten Jahren einen teilweise schrill klingenden Hype erfahren hat, kam es hier zuletzt zu einer Normalisierung der Tonlage. „Wir haben uns die Websites der Versicherer bezüglich der produktbezogenen Nachhaltigkeitskommunikation näher angeschaut“, erklärt Heermann. „Die Versicherer sprechen zwar für sich und ihre Positionierung das Thema Nachhaltigkeit an, aber nicht unbedingt bezogen auf die einzelnen Produkte.“
Eine Ausnahme stellten Altersvorsorgeprodukte dar. „Hier wird bei 80 Prozent der Produkte ein Link zum Thema Nachhaltigkeit hergestellt – beispielsweise über das Angebot von Artikel-8- und -9-Fonds bei fondsgebundenen Tarifen“, so Heermann. Im Vertrieb stellt Nachhaltigkeit insbesondere aufgrund der seit 2. August 2022 eingeführten Präferenzabfrage ein Thema dar. Durch die Änderung der MiFID-II-Richtlinie wurde die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kundinnen und Kunden verpflichtend.
Einmalbeitragsgeschäft rückläufig
Was die Geschäftsentwicklung der deutschen Versicherungsbranche betrifft, kommt die Assekurata-Studie zum Schluss, dass die Situation von Bestandsverlusten geprägt ist, was insbesondere auf sinkende Einmalbeiträge zurückzuführen ist. „Ein erneut deutlicher Rückgang der Einmalbeiträge im Jahr 2023 führt zu rückläufigen gebuchten Bruttobeiträgen. Das laufende Geschäft verläuft allerdings robust“, beobachtet Heermann. In den vergangenen Jahren sind die Einmalbeiträge um 20,4 Prozent (von 2021 auf 2022) und um 13,1 Prozent (von 2022 auf 2023) zurückgegangen, und auch für das aktuelle Jahr rechnet Assekurata mit einem Rückgang um 5,2 Prozent. Also immer noch Rückgang, aber verlangsamt. Der Grund für das rückläufige Einmalbeitragsgeschäft: Nach der Zinswende locken Bankprodukte mit attraktiveren Verzinsungen als Lebensversicherer. Bei den laufenden Beiträgen konnte das Prämienaufkommen von 2021 bis aktuell hingegen weitgehend stabil gehalten werden.
Auch die Stornoaktivität sorgte bei einigen Versicherungsvorständen für schlaflose Nächte – zumindest bei denjenigen Gesellschaften, die zu Niedrigzinszeiten Vertriebswege genutzt hatten, die hohe zinsinduzierte Einmalbeiträge hereingeholt haben. Nach der Zinswende war die Befürchtung, dass bei den Versicherern Storni und Rückkäufe zu erhöhtem Liquiditätsbedarf führen würden, weil auch das Normalgeschäft nicht gerade für sprudelnde Zuflüsse sorgt. Doch 2023 – und auch im bisherigen Verlauf des Jahres 2024 – zeigt sich die Stornoquote trotz schwieriger wirtschaftlicher Umstände nur wenig verändert bei 4,5 Prozent. „Dies zeigt, dass Lebensversicherungskunden doch ziemlich treu sind“, kommentiert Heermann.
Rückläufige Stückzahlen
Dennoch sinkt die Zahl der verwalteten Verträge – von 82,7 Millionen Policen im Jahr 2021 auf voraussichtlich 79,8 Millionen Policen 2024. „Bisher hatte rein statistisch etwa jeder Einwohner Deutschlands eine Lebensversicherungspolice. Bei einer Einwohnerzahl von 82,7 Millionen kommt das nun nicht mehr ganz hin“, meint Heermann.
Zu einem deutlicheren Abrieb als bei der Policenzahl kam es beim Prämienbestand: von fast 100 Milliarden Euro 2021 auf nur noch 89 Milliarden Euro Ende 2023. „Hier spüren die Lebensversicherer, dass die großen Einmalbeiträge Richtung Banken und weniger Richtung Lebensversicherer fließen“, meint Heermann und ergänzt: „Wir glauben, dass der Abwärtstrend beim Prämienbestand zwar noch nicht gestoppt, aber immerhin verlangsamt ist.“
Schaut man sich die Entwicklung des Prämienbestands bei den einzelnen Versicherungshäusern an, zeigt sich: Wenige Unternehmen – etwa ein Fünftel des Marktes – verzeichneten 2023 eine positive Entwicklung. Die Mehrheit der Häuser hatte mehr oder minder hohe Bestandsverluste, meistens getrieben durch Einmalbeiträge.
Spartenbeitrag der Lebensversicherung sinkt
Abschließend lässt sich feststellen: Die Lebensversicherungssparte ist von ihrer Bedeutung her auf dem absteigenden Ast. Zwar stellt die Lebensversicherung noch immer die stärkste Sparte der Branche dar, aber der Vorsprung wird langsam knapp. Von 2010 bis 2023 ging der Anteil der Lebensversicherungen an den Erstversicherungsbeiträgen um 9,6 Prozentpunkte zurück (von 50,5 auf 40,9 Prozent), während die Anteile der privaten Krankenversicherung – und insbesondere der Schaden-/Unfallversicherung – seit 2010 kontinuierlich gestiegen sind. Der Spartenbeitrag des Lebensversicherungsgeschäfts beträgt 2023 nur noch 40,9 Prozent, während die Schaden-/Unfallversicherung einen Spartenbeitrag von 37,6 Prozent liefert. „Allein durch die Beitragsanpassungen wird das Gewicht der Schaden-/Unfallversicherung steigen. Daher rechnen wir damit, dass die Lebensversicherung bald nicht mehr die prämienstärkste Sparte ist; das wäre dann zum ersten Mal seit 1997 so. Einige Gesellschaften nehmen gar nicht mehr aktiv am Markt teil, sondern sind in den Run-off gegangen“, berichtet Heermann. Er verweist auf die steigende Tendenz der Run-off-Bestände. Von den 89,1 Milliarden Euro gebuchten Bruttoprämien im Lebensversicherungsgeschäft befinden sich 7,5 Milliarden Euro im Run-off, das sind 8,4 Prozent des Bestandsvolumens.
Die Lebensversicherer selbst zeigen sich indes zuversichtlicher für ihr Geschäft. Laut einer Befragung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) erwartet aktuell kein Anbieter eine Verschlechterung, aber jeder Fünfte eine Verbesserung seines Geschäftsverlaufs.
Anke Dembowski